Ebola in Guinea, Liberia und Sierra Leone: Was die Welt aus der Ebola-Krise gelernt hat
Die Weltgesundheitsorganisation erklärt die Krankheit in Afrika für überwunden. Doch Ansteckungen sind weiter möglich.
Ebola hat die Welt gut zwei Jahre lang in Atem gehalten. Am Dienstag erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO Guinea für ebolafrei. In Guinea hatte die Epidemie im Dezember 2013 auch ihren Anfang genommen. Matshidiso Moeti, Afrika-Chefin der WHO, sagte: „Es ist das erste Mal, dass alle drei Länder – Guinea, Liberia und Sierra Leone – die ursprüngliche Ansteckungskette unterbrochen haben.“ Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mahnte jedoch, dass die Ebola-Überlebenden weiter auf Hilfe angewiesen seien.
Als die Infektionskrankheit 2013 ausbrach, wurde dies auch in Afrika zunächst ignoriert. Die WHO unterschätzte das Ausmaß der Krise lange – obwohl Ärzte ohne Grenzen früh Alarm schlug. Bald waren auch Liberia und Sierra Leone betroffen. Im Juni 2014 erklärte die Hilfsorganisation, die Krankheit sei „außer Kontrolle“. Viele Ärzte und Pfleger steckten sich an. Ärzte ohne Grenzen begann zwar damit, Isolierstationen mit hohen Sicherheitsvorkehrungen für das Personal aufzubauen, eine flächendeckende Versorgung konnte die Organisation aber nicht leisten. „Wir sind im Stich gelassen worden“, sagt einer, der die Epidemie hautnah miterlebt hat: Tankred Stöbe, damals Präsident der deutschen Sektion und inzwischen im internationalen Führungsgremium der Hilfsorganisation.
Die Weltgemeinschaft reagierte zu spät
Das internationale Krisenmanagement lief erst an, als Ebola nach Europa und Amerika eingeschleppt wurde und die Angst vor einer Ausbreitung umging. Sie war unbegründet. Einzig drei Krankenschwestern, eine in Spanien und zwei in den USA, steckten sich bei aus Afrika eingereisten Ebola-Patienten an; alle drei wurden geheilt. Trotz der dann massiven Unterstützung der internationalen Gemeinschaft konnte die Epidemie lange nicht gestoppt werden. Erst als es gelang, Patienten systematisch zu isolieren und Kontaktpersonen von Ebola-Patienten unter Beobachtung zu stellen, konnten die Infektionsketten unterbrochen werden.
Die Epidemie früher zu stoppen, gelang nach Einschätzung des britischen Entwicklungs-Thinktanks ODI vor allem deshalb nicht, weil die westlichen Helfer die Bevölkerung häufig als rückständig, vorurteilsbehaftet und als Hindernis bei der Krisenbewältigung wahrgenommen hätten. In ihrem Bericht kritisieren die ODI-Autorinnen vor allem, dass die Einflussmöglichkeiten der lokalen Gemeinschaften nicht genutzt wurden, um vor Totenwaschungen und Körperkontakten zu warnen. In Liberia, Sierra Leone und Guinea wurden nach WHO-Angaben 28 601 Ebola-Fälle registriert, 11 300 Patienten überlebten die Krankheit nicht.
Die Entwicklung der Impfstoffe geht voran
„Eine der wichtigsten Lehren aus der Ebola-Krise lautet: Die Krankheit ist so heimtückisch, dass man nicht zu früh Entwarnung geben darf“, sagt Tankred Stöbe. Liberia sei schon zweimal für ebolafrei erklärt worden, dennoch seien im November plötzlich wieder drei Menschen erkrankt. Zwischen März und November 2015 entstanden zehn Mal kleine Ausbrüche, die anhand genetischer Virusanalysen auf Überlebende zurückgeführt werden konnten. Das Virus kann in Teilen des Körpers , die das Immunsystem nicht gut erreicht, monatelang überdauern – im Sperma zum Beispiel bis zu zwölf Monate. So kann es vereinzelt zu einer Ansteckung kommen. Derzeit gibt es in Guinea, Liberia und Sierra Leone keine neuen Fälle. Sierra Leone gilt als Ebola-frei, in Guinea wurde Mitte November der letzte Patient, ein wenige Wochen alter Säugling, als geheilt entlassen. Es ist das erste Neugeborene, das Ebola überlebt hat. Seine Mutter hingegen starb.
Immerhin ist ein neuer großflächiger Ausbruch inzwischen unwahrscheinlich – dank der etablierten Rückverfolgungsmethoden, bei der alle Kontaktpersonen von Ebola-Patienten beobachtet werden. Außerdem wurde viel Geld in die Entwicklung von Impfstoffen investiert. Einer davon wurde in Guinea bereits an mehreren tausend Menschen erfolgreich getestet. Dennoch warnt Stöbe: „Die drei Länder brauchen dringend mehr schnelle Einsatzgruppen, um neue Fälle zu verfolgen.“ Er fürchtet, dass Ebola bald an Aufmerksamkeit verlieren könnte: „Ich mache mir Sorgen, dass die Hilfsversprechen nicht eingehalten werden.“ Guinea, Liberia und Sierra Leone bräuchten auch nach dem Ende der Epidemie weiter Unterstützung.
Problematisch bleibt, dass die Gesundheitssysteme der von Ebola betroffenen Staaten weitgehend zusammengebrochen sind. Außer an Ebola sind in den vergangenen zwei Jahren daher mehr Menschen an Malaria, Durchfall oder Geburtskomplikationen gestorben als vor der Epidemie. Alle drei Länder stürzten in schwere Wirtschaftskrisen, unter anderem weil die Landwirtschaft lange brach lag. Die Schulen blieben über Monate geschlossen.
Das Leid der Waisen
Die psychologischen Auswirkungen sind gravierend. Überlebende und Angehörige von Ebola-Toten werden von anderen gemieden. Besonders schlimm ist das für die Kinder, die durch Ebola zu Waisen wurden. Das Kinderhilfswerk der UN (Unicef) schätzt ihre Zahl auf rund 22 000. „Ebola-Waisen sind stigmatisiert und geächtet. Aus Furcht vor Ansteckung werden viele nicht von ihren Angehörigen aufgenommen und landen auf der Straße“, berichten die SOS-Kinderdörfer, die in Westafrika 2700 Ebola-Waisenbetreuen. "Wir bieten den Kindern Schutz, Versorgung und Betreuung in Kinderdörfern oder Interims-Zentren - so lange, bis klar ist, wo sie bleiben können", sagt eine Sprecherin. Sie versuchen auch, Pflegefamilien zu finden, die Unterstützung erhalten, damit die Kinder gut versorgt werden und eine Schule besuchen können. Denn Schulen sind in den betroffenen Staaten meist nicht kostenlos.
Zudem haben viele Überlebende schwere gesundheitliche Probleme. 76 Prozent der Überlebenden haben Gelenkschmerzen, 60 Prozent haben eine verminderte Sehkraft, 18 Prozent leiden unter Augenentzündungen, die zur Erblindung führen können. Bei 24 Prozent blieb ein Hörschaden zurück. Das beobachteten Ärzte in einer von Hilfsorganisationen betriebenen Klinik in Port Loko, Sierra Leone, wo bislang mehr als 600 Überlebende medizinisch versorgt werden. Meist dauerte es vier Monate, bis sie Hilfe suchten. Diese bislang größte Studie zum Thema erschien im Fachblatt „Lancet Infectious Diseases“. „Überlebende brauchen weiter medizinische Unterstützung, um Komplikationen zu erkennen und zu behandeln“, sagte Sharmista Mishra, Infektiologin am St. Michael’s Hospital in Toronto und eine der Autorinnen. In Sierra Leone gebe es aber nur zwei Augenärzte, die außerdem schlecht ausgestattet seien.
Gesundheitssysteme stärken
Deutschland hat für die Jahre 2014 bis 2016 insgesamt 391 Millionen Euro für die Ebola-Hilfe eingeplant. 105 Millionen sind nach Regierungsangaben für Aufklärung, Materialbeschaffung und die Unterstützung von UN-Organisationen sowie nichtstaatlichen Hilfsorganisationen ausgegeben worden. 55 Millionen Euro sind schon 2015 in die Stärkung der Gesundheitssysteme der drei hauptbetroffenen Länder geflossen. Von 2016 an sollen jährlich 150 Millionen Euro in die Stärkung afrikanischer Gesundheitssysteme investiert werden. Denn das ist eine der Hauptlehren aus der Ebola-Krise: Wenn es keine funktionierende Gesundheitsversorgung gibt, gelingt es auch nicht, Epidemien zu bekämpfen.
Für Tankred Stöbe von Ärzte ohne Grenzen hinterlässt Ebola einen dunklen Schatten: "Es ist unverzeihlich, dass es in unserer modernen Welt zwei Jahre gedauert hat, die Epidemie in den Griff zu bekommen.“ Er fordert auch die Pharmaindustrie auf, mehr als bisher in die Erforschung seltener Krankheiten zu investieren. „Ebola muss ein mahnendes Beispiel bleiben“, sagt Stöbe. Die Krankheit und der Umgang mit ihr hätten gezeigt, dass man einzelne Weltregionen nicht einfach abschreiben dürfe: „Wir können uns nicht von den Problemen der Menschen in anderen Erdteilen abschotten.“