Obamas Kandidat für den Supreme Court: Warum Merrick Garland umstritten ist
Die Republikaner lehnen Barack Obamas Kandidaten für den Supreme Court ab. Dabei ist Merrick Garland ein unideologischer Jurist aus der politischen Mitte. Ein Porträt.
Zweimal brach seine Stimme, einmal wischte er Tränen aus den Augen, als er Barack Obama im sonnendurchfluteten Rosengarten des Weißen Hauses für die Nominierung als Verfassungsrichter dankte. Merrick Garland hat allen Grund für Gefühle. Niemand kann sicher abschätzen, welche Rolle der 63-Jährige im Machtkampf zwischen dem demokratischen Präsidenten und den Republikanern im Senat spielt: Ist er ein Bauernopfer, das Lebenszeit und Ansehen in einem aussichtslosen Ringen verliert?
Ein Märtyrer, der dazu beiträgt, dass die Demokraten im Herbst die Mehrheit im Senat zurückgewinnen, weil die Wähler die Republikaner für ihren rücksichtslosen Umgang mit dem Obersten Gericht bestrafen? Oder ein Sieger, der für die Risiken am Ende belohnt und Verfassungsrichter wird, weil die Republikaner dem Druck nicht standhalten?
Als Antonin Scalia Mitte Februar starb – ein legendärer Konservativer, der den Supreme Court drei Jahrzehnte lang mit der Lehre vom bindenden Urtext der Verfassung geprägt hatte –, legte sich die konservative Mehrheit im Senat rasch fest: Sie verweigert ihre Zustimmung, ganz egal, wen Obama als Nachfolger vorschlägt. Die Ernennung eines Verfassungsrichters auf Lebenszeit habe so langfristige Auswirkungen, dass ein Präsident im letzten Amtsjahr nicht darüber entscheiden solle, sondern der neu gewählte nächste Präsident. Eine riskante, weil anfechtbare Behauptung. Amerikas Recht kennt keine solche Einschränkung. Doch mit dem Streit hoffen die Republikaner, ihre Wähler zu mobilisieren.
Obama hatte zwei Optionen. Er richtet sich nach dem Herz der Demokraten und schlägt die Richterin Sri Srinivasan indischer Abstammung oder den Afroamerikaner Paul Watford oder einen linken Richter vor. Das hätte den Konflikt zugespitzt, den Republikanern weiteren Grund zur Blockade gegeben und Demokraten zusätzlich motiviert, zur Wahl zu gehen. Oder er führt die Republikaner als doppelzüngig vor, indem er jemanden nominiert, dem sie eigentlich zustimmen müssen: Garland, ein unideologischer Jurist aus der politischen Mitte, der mit republikanischen Stimmen 1997 ans Appelationsgericht Washington DC kam, wo er 2013 Vorsitzender Richter wurde.
Nun zeigen sich Risse. Republikaner, die um Glaubwürdigkeit oder Wiederwahl fürchten, sind offen für Garland: Charles Grassley aus Iowa, Mark Kirk aus Illinois, Kelly Ayotte aus New Hampshire, Orrin Hatch aus Utah. Senatsführer Mitch McConnell bleibt beim Nein.
Christoph von Marschall