War das wirklich nötig?: Warum die Bahn den Fernverkehr stilllegte
Bahnkunden waren wenig begeistert darüber, dass die Bahn wegen des Sturms den Fernverkehr einstellte. Es gibt aber auch Lob.
Am Sonntag hat die Deutsche Bahn AG gegen 18 Uhr aus Sicherheitsgründen den Betrieb gestoppt und Züge an großen Bahnhöfen enden lassen. Manche Bahnkunden reagierten wenig begeistert auf die bundesweite Einstellung des Fernverkehrs wegen des Orkantiefs Sabine.
Erst gegen 10 Uhr Montagfrüh ging es für viele gestrandete Reisende zumindest im Norden Deutschlands weiter, nachdem sich Sabine dort ausgetobt hatte.
Mit der Einstellung des Betriebs sei größtenteils vermieden worden, dass Züge auf freier Strecke zum Stehen kamen, sagt DB-Sprecher Achim Stauß. In den Bahnhöfen könnten Fahrgäste besser betreut und beraten werden. Zudem sei die Wiederaufnahme des Betriebs nach Ende des Orkans einfacher.
Beim Fahrgastverband Pro Bahn stimmt man zu. Das habe der Konzern dieses Mal gut gemacht, sagt der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. Sicherheit gehe vor. Und mit der rechtzeitigen Ankündigung der Betriebseinstellung hätten Reisende früh genug Bescheid gewusst und umplanen können: „Wenn Züge wegen umgestürzter Bäume verunglückt wären, hätte es ein viel größeres Chaos gegeben.“
Tatsächlich hat sich das DB-Krisenmanagement dieses Mal offenbar bewährt, so zumindest die Zwischenbilanz am späten Montagnachmittag. Für Reisende, die am Sonntag ihre Fahrt nicht mehr fortsetzen konnten, hatte der Konzern an 23 Bahnhöfen insgesamt 36 Aufenthaltszüge bereitgestellt. Allerdings nutzten in Frankfurt und Hannover nur je 110 Gestrandete diese Möglichkeit. Viele zogen Hotels vor.
Übernachtungskosten ersetzen
Die DB wird Übernachtungskosten gemäß Fahrgastrechten ersetzen und für Verspätungen Entschädigungen zahlen müssen. Zudem schlagen die Schäden an Strecken sowie die Kosten der Betriebseinstellung und der Aufräumarbeiten zu Buche. Am Montagmorgen wurden im gesamten Netz Erkundungsfahrten gestartet, bei denen mit leeren, langsam fahrenden Zügen Strecken auf Beschädigungen geprüft wurden. Teils wurden auch Hubschrauber eingesetzt. Wichtiges Ziel des Krisenmanagements ist, die wichtigen Korridore zwischen großen Städten rasch wieder frei zu machen.
Die DB mit ihrem 33 400 km langen Schienennetz sieht sich so stark von Extremwetter betroffen wie kaum ein Unternehmen – und viel häufiger als früher die Bundesbahn. Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung für den Konzern kommt zum Fazit, dass sich die Bahn künftig noch häufiger auf Starkregen, Sturm oder Hitzewellen einstellen muss. Darauf bereite man sich vor, so der Konzern. Mit mehr Baum- und Grünschnitt entlang der Trassen sowie besserem Schutz für die Leit-, Sicherungs- und Fahrzeugtechnik.
So soll Chaos wie in vielen früheren Jahren vermieden werden, als Schnee-Einbrüche gleich den Bahnverkehr in ganzen Regionen unvermittelt stilllegten, zum Ärger der Reisenden. Inzwischen gelten ausgeklügelte Stufenpläne, je nach Störungsfall werden die Leitzentrale in Frankfurt/Main sowie das Personal vor Ort verstärkt und ein zentraler Krisenstab eingerichtet. Fahrgäste werden so früh wie möglich gebeten, ihre Reisen zu verschieben.
Allerdings fragen sich Experten, warum weiterhin Bäume auf die Gleise stürzen oder Stromleitungen abreißen. „Die Schieneninfrastruktur muss wieder robuster gegen witterungsbedingte Störungen werden“, sagt Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Lange Zeit hat der Konzern aus Kostengründen den Baumschnitt an den Strecken vernachlässigt. In den letzten Jahren wurden nach vielen Unfällen die Rückschnitte intensiviert, wobei der Natur- und Artenschutz Fällungen erschwert.