Orkan "Sabine" zieht über Europa: Mit voller Wucht
Sturmtief Sabine sorgte im Norden Europas für Schäden und Stromausfälle. An der Nordseeküste ist es bereits am Nachmittag zu Sturmfluten gekommen.
Der Orkan „Sabine“ ist mit Macht über den Norden Europas gefegt und sorgte auch im Laufe des Montags für weitere Schäden. Vor allem im Süden Deutschlands hatte der Sturm erst am Montag seine volle Kraft entfaltet. Für das südliche Bayern und Baden-Württemberg wurde auch am Nachmittag noch vor Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten von 100 bis 120 Stundenkilometern gewarnt. Dort bestand die Unwetterstufe 3. Für die Nacht auf Dienstag erwarteten die Meteorologen vom Westen Deutschlands her sogar wieder eine Windzunahme mit Sturmböen. Weitere Stürme in den kommenden Tagen sind laut Deutschem Wetterdienst nicht ausgeschlossen.
Auf den Schienen in Deutschland ging zum Start in die Arbeitswoche kaum etwas: Der Fernverkehr stand bis zum späten Montagvormittag still und lief erst im Laufe des Tages langsam wieder an. Die Deutsche Bahn erwartete Störungen noch den ganzen Montag über. Auch der regionale Bahnverkehr stand in vielen Bundesländern flächendeckend still. Die Bahn schickte nach der Sturmnacht Einsatztrupps mit Räumgerät und Kettensägen auf die Strecken.
Manche Bahnkunden reagierten kritisch auf die Einstellung des Fernverkehrs wegen des Orkans. Damit sei größtenteils vermieden worden, dass Züge auf freier Strecke zum Stehen kamen, sagt Deutsche-Bahn-Sprecher Achim Stauß. In den Bahnhöfen könnten Fahrgäste besser betreut werden. Zudem sei die Wiederaufnahme des Betriebs einfacher. Beim Fahrgastverband Pro Bahn stimmt man zu. Das habe der Konzern dieses Mal gut gemacht, sagt der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. Sicherheit gehe vor. Und mit der rechtzeitigen Ankündigung der Betriebseinstellung hätten Reisende früh genug Bescheid gewusst und hätten umplanen können: „Wenn Züge wegen umgestürzter Bäume verunglückt wären, hätte es ein viel größeres Chaos gegeben.“
Hunderte Flüge fielen aus
An den Flughäfen fielen Hunderte Starts und Landungen aus. Vor allem der Münchner Airport war betroffen: 420 von normalerweise mehr als 1000 Flügen wurden annulliert, wie ein Sprecher sagte. Vor allem die Lufthansa, der größte Kunde des Flughafens München, hatte alle Kontinental- und Interkontinentalflüge bis 14 Uhr an Deutschlands zweitgrößtem Airport ausgesetzt. Auch an Flughäfen in Nordrhein-Westfalen fielen wegen des Orkantiefs am Morgen zahlreiche Flüge aus.
Vor allem die Entscheidung von Eurowings, während des Sturms fast alle Flüge zu streichen, führte in Düsseldorf und Köln zu rund 150 gestrichenen Starts und Landungen. Vergleichsweise entspannt war die Lage hingegen auf den Autobahnen. Der WDR meldete um 7.50 Uhr in ganz Nordrhein-Westfalen knapp 140 Kilometer Stau – das ist eher wenig für einen Montagmorgen. Auf der A4 bei Kerpen und der A45 bei Hagen blockierten am Morgen noch Bäume die Fahrbahn.
Vor großen Problemen standen am Morgen Eltern von Schul- und Kindergartenkindern: Etliche Städte ließen den Unterricht an ihren Schulen ausfallen, darunter die Großstädte Köln, Düsseldorf, Dortmund und Bremen, ebenso zahlreiche Städte und Gemeinden in Bayern, Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Etliche Kindertagesstätten blieben ebenfalls ganz geschlossen oder boten nur eine Notbetreuung an.
In nahezu ganz Deutschland berichteten die Leitstellen der Polizei von einer Vielzahl an umgestürzten Bäumen, die zum Teil auf geparkte Autos gestürzt waren. In vielen Regionen hielten sich die Schäden aber in Grenzen. In Solingen klang das Aufatmen in einer Pressemitteilung der Stadt so: „Sabine war wohl doch nur ein Sabinchen.“
Sturmflut im Norden
In Hamburg zählte die Feuerwehr bis zum Morgen etwa 300 Einsätze. In Mülheim an der Ruhr hatten zwei Insassen eines Autos riesiges Glück: Ein 25 Meter hoher Baum erwischte ihr fahrendes Auto im hinteren Bereich. Nur leicht verletzt kamen sie in ein Krankenhaus. In Paderborn wurde ein 16-Jähriger durch einen herabstürzenden Ast schwer am Kopf verletzt.
Zwei Menschen am Klinikum Saarbrücken wurden am späten Sonntagabend durch einen umstürzenden Baum schwer verletzt. Eine Frau schwebte noch am Montag in Lebensgefahr. In Frankfurt am Main knickte ein Baukran ab, sein Ausleger krachte in das Dach des Doms. In Bayern waren am Montagmorgen rund 50.000 Haushalte ohne Strom. Ursache seien meistens Bäume oder Äste, die Stromleitungen berühren oder beschädigen“, wie die Bayernwerk AG am Montag mitteilte.
An der Nordseeküste ist es bereits am Nachmittag zu Sturmfluten gekommen. Auch Hamburg-St. Pauli sollte davon betroffen sein. Das Wasser sollte den Hamburger Fischmarkt überschwemmen. Auf der Nordseeinsel Wangerooge wurde der Strand stark beschädigt. Die Abbruchkante am Hauptstrand erstreckte sich über eine Länge von einem Kilometer.
Schäden im Norden Europas
In den europäischen Nachbarländern waren die Folgen des Sturmes mitunter gravierender. In Polen wurden eine Frau und ihre Tochter auf einem Parkplatz von herabfallenden Dachteilen erschlagen. Zwei weitere Menschen seien bei dem Unglück im Süden des Landes verletzt worden.
In Frankreich führte der Sturm zu Stromausfällen in rund 130.000 Haushalten, so der Netzbetreiber Enedis am Montag. In Nord- und Ostfrankreich wurden zahlreiche Zugverbindungen und Flüge gestrichen. In einigen Regionen Großbritanniens fiel innerhalb von 24 Stunden mehr Regen als sonst in eineinhalb Monaten. Überschwemmungen und umgestürzte Bäume behinderten den Verkehr auf Straßen und Schiene erheblich. In Belgien richtete der Sturm noch am Montag Schäden an. Verletzt wurde nach ersten Berichten niemand, als vielerorts im Land Bäume und Baugerüste umstürzten. Auch zahlreiche Dächer deckte der Sturm ab. Bahnen fuhren auf vielen Strecken verspätet. Im Hafen von Antwerpen kippten aufeinandergestapelte Container um.
Passagieren von British Airways und Virgin Atlantic verlieh „Sabine“ indes unerwarteten Antrieb. Der Sturm verkürzte die Flugzeit von New York nach London auf neue Rekordwerte: Drei Maschinen schafften die Strecke in unter fünf Stunden. (mja, wuep, dpa)
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