Star-Friseur mit 76 Jahren gestorben: Udo Walz tat Berlin gut
Als Friseur der Reichen und Schönen wurde er berühmt – Udo Walz war aber vor allem eine Instanz dieser Stadt. Ein Nachruf.
Sein Platz war der große Sessel gegenüber der Rezeption in seinem Salon am Kurfürstendamm. Auch mit 76 Jahren dachte Udo Walz nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Zur Schere griff er zwar nur noch in Ausnahmefällen. Aber er beriet, beurteilte mit dem untrüglichen Kennerblick, was gut aussah und was noch optimierbar war, welche Farbnuancen passten, welche Längen.
Am schönsten war es für ihn, wenn eine Kundin nach dem Besuch in seinem Salon hoch erhobenen Hauptes den Laden verließ. Die Verwandlung einer Frau vom Entlein zum schönen Schwan, diese Möglichkeit vor allem faszinierte ihn an seinem Beruf.
Zwischendurch plauderte er mit vertrauten Gästen, darunter viele Schauspieler und Prominente. Im Salon hängen große Porträtfotos von ihm. Es machte ihm Spaß, sein eigenes Model zu sein. Seit mehr als 50 Jahren war Udo Walz eine Instanz in der Stadt.
Als „Star-Friseur“ ließ er sich gar nicht so gerne bezeichnen. Dabei war er wohl der Prototyp. „Ich frisiere doch auch ganz normale Leute“, sagte er nur. Aber er hat eben auch Marlene Dietrich frisiert, Romy Schneider, Maria Callas, Twiggy, Wladimier Putin, Hildegard Knef, Gwyneth Paltrow und Angela Merkel. Unter anderem. Er freute sich, wenn man ihn einen mittelständischen Unternehmer nannte. Bescheidenheit betrachtete er als Tugend, die er gerne lebte.
1964 landete Udo Walz in Berlin
Seine Eltern besaßen in Stuttgart ein Geschäft für Südfrüchte. Der Vater verließ die Familie, weil er sich ins Kindermädchen verguckt hatte. Die Mutter arbeitete dann bei Bosch und kellnerte am Wochenende. Eigentlich wollte Udo Walz die Hotelfachschule besuchen, doch dafür reichte das Geld nicht. Ein Schnuppertag im Friseursalon eines Freundes der Familie brachte die Erkenntnis: „Das will ich machen, mein Leben lang.“
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Weil er dem Wehrdienst entgehen wollte, landete er nach den Lehr- und Wanderjahren 1964 in Berlin. Vier Jahre später eröffnete er seinen ersten Salon in einer Altbauwohnung in der Fasanenstraße. Dann kam der Salon im Hotel Kempinski, damals das erste Haus am Platz. Als er später am Ku'damm eröffnete, schaute Harald Juhnke öfter vorbei, nicht nur wegen der Haare, auch mal auf ein Bier.
Sophia Loren schwor: „Wenn ich in Berlin bin, lasse ich nur Udo Walz an meine Haare.“ Eine gute Freundschaft pflegte er mit einem früheren US-Botschafter und dessen Frau.
Ulrike Meinhof wollte blonde Haare von ihm
Sein Talent für Freundschaft war so ausgeprägt wie seine kommunikativen Fähigkeiten. Früher ist er oft nach Mallorca geflogen, um Zeit mit der berühmten Freundesclique zu verbringen, zu der Klaus Wowereit gehörte, Sabine Christiansen, die damalige Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel und andere. Später reiste nicht mehr gern, sagte: „Am liebsten bin ich in Berlin. Berlin tut mir gut.“
Er hat so viel erlebt in diesen mehr als 50 Jahren im Berufsleben. Manchmal erzählte er davon, auch von den schrägen Erlebnissen. Als Ulrike Meinhof in seinen Salon kam, um ihre dunklen Haare blond färben zu lassen, riet der Meister ihr ab. „Das wird nicht schön“, sagte er. Die Hamburger Journalistin, die gerade zur Terroristin mutiert war, war nicht zu überzeugen.
Erst als er die Fahndungsplakate sah, wurde ihm klar, dass es auf Schönheit in diesem Fall nicht ankam. Dabei hatte er die ihm unbekannte Frau, die seinen damals noch am Fasanenplatz liegenden Salon aufsuchte, zuerst eigentlich sogar ganz sympathisch gefunden.
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„Ich habe das alles gehabt, das kann mir keiner mehr nehmen“, sagte er. Er lebte großzügig, konnte die guten Dinge des Lebens genießen. „Ich habe mein Geld immer verballert“, sagte er lässig und fügte hinzu: „Das war genau richtig so.“ Man wisse ja nie, wie der nächste Tag wird. Er hat gern in schönen Hotels gewohnt, hat sich schicke Klamotten gekauft, ist früher mit dem Fotografen F. C. Gundlach einmal im Monat um die Welt geflogen für die „Brigitte“-Titelseiten, deren Models er lange frisiert hat.
Jahrelang hat er in der Paris Bar zu Abend gegessen
Er hat auch Gutes getan mit seinem Geld, es zum Beispiel für seine sieben Patenkinder ausgegeben. „Mir geht es ja selber gut“, hat er sein Engagement begründet. Seine Lieblingssätze waren wie Markenzeichen, dieser zum Beispiel: „Das Leben ist keine Generalprobe.“
Jahrelang hat er jeden Abend in der Paris Bar sein Abendessen zu sich genommen. Ein halbes Jahrhundert hat er nicht nur Geschichten, sondern auch Geschichte erlebt. Als er spät endlich ankam in seinem Traumsalon am Ku'damm zwischen Uhland- und Grolmanstraße, kannte sein Stolz keine Grenzen. Längst kümmerte sich auch sein Lebenspartner, Carsten Thamm-Walz, mit ums Geschäft.
Der große Sessel bleibt künftig leer
Seinen Geburtstag feierte Udo Walz gern im größeren Kreis mit Freunden und Weggefährten. Im Juli hatte er zum Italiener an den Hagenplatz geladen. Ireen Sheer sang für ihn sein Lieblingslied „Tennessee Waltz“. Bald stimmte er ein. Als sie fertig war, bat er sie, noch einmal von vorn zu beginnen. Und dann nochmal.
Auf einer Girlande stand „Happy Birthday“. „Ich liebe Geschenke“, sagte er voller Lebensfreude, wenn ihm jemand eine bunt verpackte Gabe überreichte. Und lachte, als könne es niemals enden. Der große Sessel in seinem Salon bleibt künftig leer. Am Freitag um 12 Uhr mittags ist Udo Walz in der Charité seinem langjährigen Diabetes- Leiden erlegen. Er wurde 76 Jahre alt.