zum Hauptinhalt
Diese Esoteriker und Verschwörungstheoretiker sahen das Ende der Welt und den Beginn einer neuen Maya-Ära voraus.
© dpa

Der Glaube an geheime Machenschaften: Überall Verschwörer

Lady Di? Hatte keinen Unfall. Die Mondlandung? Ein Betrug der Nasa. Der Mossad? Bildet Dschihadisten aus. So sehen Verschwörungstheoretiker die Welt. Und der Glaube an geheime Strippenzieher ist weit verbreitet. Was sagt die Forschung zu diesen Verdächtigungen?

Bilden der israelische Mossad und die amerikanische CIA IS-Terroristen aus, um den gesamten Islam durch deren Anschläge in Misskredit zu bringen? Ist überhaupt jemals ein Mensch auf dem Mond gelandet – oder hat die Nasa das im Komplott mit den Medien nur behauptet, um im Kalten Krieg die Überlegenheit des Westens zu sichern? Wurde womöglich das HI-Virus gezielt in US-amerikanischen Labors gezüchtet, um Homosexuellen und Drogenabhängigen auf aller Welt zu schaden? Und hatte Lady Di überhaupt einen Unfall – oder wurde sie im Auftrag des englischen Königshauses ermordet, weil sie von Dodi al-Fayed schwanger war?

Der Psychologe Viren Swami von der University of Westminster in London beschäftigt sich seit einigen Jahren aus wissenschaftlicher Sicht mit dem wild wuchernden Feld der Verschwörungstheorien. Er definiert sie als "Untergruppe von falschen Überzeugungen, in denen die letzte Ursache für ein Ereignis in einem Komplott mehrerer zusammenwirkender Akteure gesehen wird, die in klarer Absicht handeln, oft auch gegen das Gesetz und geheim".

In einer Studie, die er gemeinsam mit Forschern aus Wien und Konstanz konzipiert hat und deren Ergebnisse jetzt gerade in der Dezember-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift "Cognition" erschienen, belegt der britische Forscher nun: Wer analytisch denkt, ist weniger anfällig dafür, Ereignisse als Ergebnis der Aktivitäten insgeheim miteinander verbündeter Strippenzieher zu sehen.

Als Beweis können die Forscher zunächst eine umfassende Befragung von 990 Briten zwischen 18 und 71 Jahren anführen, die diesen Zusammenhang zeigte. Sie haben zusätzlich aber auch drei kleinere experimentelle Untersuchungen gemacht, in denen Versuchspersonen zunächst verschiedene Aufgaben lösen und anschließend Fragen zu den Ereignissen rund um die Selbstmordattentate in Londoner U-Bahnen und Bussen vom 7. Juli 2005 beantworten sollten.

Logik bleibt oft auf der Strecke

Probanden, in deren Aufgaben es um klares, logisches Denken ging, hielten es bei der darauffolgenden Befragung für wenig wahrscheinlich, dass als Drahtzieher die US-Regierung fungierte, eine Kontrollgruppe mit "neutralen" Aufgaben hielt das eher für denkbar. "Unsere Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass mit einer Schulung des analytischen Denkens der weit verbreiteten Akzeptanz von Verschwörungstheorien entgegengetreten werden könnte", folgern die britischen Wissenschaftler.

Dass die Logik oft auf der Strecke bleibt, wo Menschen in extremer Skepsis gegenüber der medialen Berichterstattung Ereignisse für eine Folge der Konspiration ihrer Mitmenschen halten, hatte vor zwei Jahren eine ebenfalls aus England stammende Studie gezeigt. Michael Wood und seine Kollegen von der Universität Kent hatten 137 Studenten und Studentinnen zum Tod von Prinzessin Diana befragt, zu dem in Großbritannien besonders viele Verschwörungstheorien kursieren.

Wer nicht an einen Verkehrsunfall glaubte, sondern Machenschaften von Königshaus, Geheimdiensten oder geschäftlichen Konkurrenten im Spiel sah, hielt es zugleich auch eher für möglich, dass Diana und Dodi ihren Tod nur vorgetäuscht haben, um anderswo unbehelligt zusammenleben zu können. Tot oder lebendig, ermordet oder untergetaucht: Der Widerspruch schien die Befragten nicht zu stören, auf jeden Fall steckte in ihren Augen aber irgendeine geheime Absprache hinter dem Ganzen.

Schlicht überfordert mit der globalisierten Welt

Warum sind dieselben Menschen gleichzeitig gegenüber Medienberichten so misstrauisch und in so starkem Ausmaß bereit, auch Widersprüchliches für wahr zu halten, wenn es nur der offiziellen Lesart des Geschehens entgegensteht? "Die menschliche Erkenntnistätigkeit hat sich evolutionär in kleinen, überschaubaren, eng kooperierenden Gruppen aus persönlich bekannten Mitgliedern entwickelt, die sich gegenüber anderen Gruppen – oft aggressiv – behaupten und abgrenzen mussten", gibt der Biopsychologe Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin zu bedenken. Mit vielen komplexen Fragestellungen in unserer globalisierten Welt sei sie schlicht überfordert.

"Die Bewegung". Sie demonstriert jede Woche in 100 Städten Deutschlands.
"Die Bewegung". Sie demonstriert jede Woche in 100 Städten Deutschlands.
© imago

Besonders schmerzlich macht sich diese Überforderung bemerkbar, wenn wir von Ereignissen hören, die zugleich rätselhaft sind und sich unserer direkten Überprüfung entziehen – die aber, wie etwa der 11. September 2001, durch ihre schiere Wucht und die Omnipräsenz der Bilder für jeden persönliche Bedeutsamkeit erlangen. „Hier kommen massive Emotionen und auch Zukunftsängste ins Spiel, die unter allen Primaten nur dem Menschen eigen sind, weil nur er in der Lage ist, seine Fantasie über das Hier und Jetzt aktueller Handlungszusammenhänge weit in die Zukunft hinein auszudehnen“, sagt Walschburger.

Wo unmittelbare Gefahr droht, ist aus evolutionsbiologischer Sicht schnelles Handeln erforderlich, das wiederum ohne eine blitzschnelle Einschätzung der Situation oft gar nicht möglich ist. Diese Aufgabe übernehmen stammesgeschichtlich alte Strukturen des Gehirns, vor allem im Bereich des limbischen Systems, der Erstinstanz der emotionalen Bewertung. "Wir leben ja nicht nur aus dem Großhirn, unsere rationalen Kontrollfunktionen sind brüchig", sagt Walschburger. Die Emotionen kommen oft im Gewand von Argumenten daher, Verschwörungstheorien sind in dieser Hinsicht oft besonders detailreich und ausgefeilt.

Sündenbock gesucht

Ihren psychologischen Kern sieht Walschburger jedoch darin, dass eine Gruppe sich in einer schwierigen, sachlich kaum überschaubaren Situation einen Sündenbock oder eine ganze Herde von konspirativen Sündenböcken als personifizierte Verursacher des Übels sucht, das in aller Regel wesentlich komplexere Verursachungszusammenhänge aufweist. "Ein Grundzug des Menschen, der in seiner zutiefst sozialen Natur begründet ist." Viren Swami weist darauf hin, dass Menschen Verschwörungen anderer für umso wahrscheinlicher halten, je mehr sie dazu neigen, Personen statt äußere Umstände anzuschuldigen. Ein begrüßenswerter Nebeneffekt dieses "Komplott-Verdachts“ könne sein, dass von Politik und Wirtschaft mehr Transparenz eingefordert wird.

Fundamentalistische Züge

Er kann zum Motor für politische und gesellschaftliche Veränderungen, aber auch für solche des persönlichen Lebensstils werden. Dass man nicht durchschaut, wie die Tiere wirklich gehalten werden und wie sie enden, ist zum Beispiel für viele Menschen heute – neben gesundheitlichen Erwägungen – ein starkes Motiv, um weniger oder kein Fleisch zu essen. "Das kann bei einigen Veganern aber auch zu Haltungen beitragen, die ideologische oder fundamentalistische Züge tragen", sagt Walschburger.

Was mit dieser Rigorosität einhergeht, ist dann oft die Überzeugung, dass man selbst und eine kleine Gruppe Gleichgesinnter besser lebe als die anderen. Also ein Überlegenheitsgefühl, das auch vielen Verfechtern von Verschwörungstheorien eigen ist: Sie glauben schließlich, von ihrer Warte aus die Dinge besser zu durchschauen als die Mehrheit.

Schon 2500 Jahre vor dem Psychologen Viren Swami hat ein Philosoph gegen diese Haltung in aller Bescheidenheit ebenfalls das analytische Denken empfohlen: "Ich weiß, dass ich nichts weiß", das war für Sokrates der Ausgangspunkt.

Adelheid Müller-Lissner

Zur Startseite