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Ein Mann aus Syrien steht am Sonntag in Köln vor dem Hauptbahnhof und dem Dom mit einem Plakat "Islam gegen Sexismus". In Köln waren am Silvesterabend nach Polizeiangaben auf dem Platz vor dem Hauptbahnhof zahlreiche Frauen im Getümmel sexuell bedrängt und bestohlen worden.
© dpa

Manuela Schwesig unterstützt Initiative "#ausnahmslos": Sexismus in Deutschland nicht "importiert"

Die Initiative #ausnahmslos fordert einen anderen Umgang mit sexualisierter Gewalt. Seit der Silvesternacht in Köln würden der Sexismus "islamisiert" und die Ereignisse verharmlost.

Sexualisierte Gewalt darf nicht pauschal einer Religion oder Ethnie zugeschrieben werden - das fordert eine Erklärung von Feministinnen nach den Ereignissen in der Silvesternacht auf 2016 in Köln und anderen Städten. Indem man Sexismus "islamisiere", würden mindestens fünf Millionen Menschen unter Generalverdacht gestellt. Unter den 23 Frauenrechtlerinnen, die am Montag einen offenen Brief auf der Internetseite ausnahmslos.com veröffentlichten, zählt auch Anne Wizorek, die für ihre Anti-Sexismus-Kampagne #Aufschrei unter anderem mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. Also eine erfahrene Kraft im Kampf gegen Sexismus. Auch die Journalistin Kübra Gümüşay hat unter dem Hashtag #SchauHin schon einmal eine Debatte zum Alltagsrassismus angekurbelt.

In dem offenen Brief heißt es: "Alle Menschen sollen sich von klein auf, unabhängig von ihrer Ethnie, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität, Religion oder Lebensweise, sicher fühlen und vor verbalen und körperlichen Übergriffen geschützt sein: egal ob auf der Straße, zu Hause, bei der Arbeit oder im Internet. Ausnahmslos. Das sind die Grundlagen einer freien Gesellschaft."

Die Geschehnisse in Köln dürften nicht von Populisten instrumentalisiert werden, um gegen einzelne Bevölkerungsgruppen zu hetzen, wie es aktuell in der Debatte um die Silvesternacht geschehe. Die Initiative zeigt sich solidarisch mit allen Betroffenen, wie Journalistin und Mit-Initiatorin Kübra Gümüsay betont. Sexismus dürfe zudem nicht nur dann Thema werden, wenn es sich um weiße Frauen handele.

"Bei Sex denken wir ja eigentlich an etwas Schönes"

Auf ausnahmslos.org stehen 14 Forderungen, darunter der, die Gesetzeslage anzupassen. Sexuelle Belästigung sei in Deutschland immer noch keine eigenständige Straftat. Eine weitere Forderung betrifft die mediale Berichterstattung: "Täter sollten nicht als ,Sex-Gangster' oder ,Sex-Mob' beschrieben – da sexualisierte Gewalt nichts mit Sex zu tun hat – und häusliche Gewalt nicht als ,Familien- oder Beziehungsdrama' verharmlost werden." Zudem solle die "Bildsprache frei von rassistischen und sexistischen Klischees" gehalten sein. Hier dürfte besonders der "Focus" gemeint sein, der zu der Berichterstattung zu den sexuellen Übergriffen in Köln viel Haut auf dem Titelblatt gezeigt hatte. "Bei Sex denken wir ja eigentlich an etwas Schönes", sagt Mit-Initiatorin Kristina Lunz dem Tagesspiegel. Worte wie "Sex-Meute" würden die Vorfälle verharmlosen.

Bislang haben mehr als 400 Männer und Frauen die Erklärung von #ausnahmslos unterzeichnet, darunter Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne). Unter dem Hashtag #ausnahmslos kommentierten zahlreiche Nutzer den Aufruf auf Twitter.

"Sexismus-Problem auf allen Ebenen"

Auch Initiatorin Gümüşay sagte dem Tagesspiegel, die Übergriffe in Köln seien eine neue Dimension - dies hieß es oft in den letzten Tagen. "Ich meine nicht die Gewalt, die neu ist, sondern die Strukturen." Dass Frauen belästigt werden, das würde man ja kennen. Neu sei, dass es sich um organisierte Gruppen handele, vielleicht sogar um organisiertes Verbrechen. Unsere Gesellschaft habe ein "Sexismus-Problem auf allen Ebenen". Die Grundforderung von #ausnahmslos besteht darin, über Sexismus zu diskutieren - und zwar ohne in rassistische Fallen zu tappen. Arabische, türkische oder nordafrikanische Communitys hätten ein Sexismus-Problem - allerdings hätten sie dieses nicht exklusiv.

Mit dem Aufruf will man auch zurück zu den Betroffenen. Um Köln wird immer noch sehr viel diskutiert. Es gehe nur selten um die Frage, wie es den betroffenen Frauen jetzt gehe, wer ihnen hilft. Viel zu oft gehe es um die Frage, welcher Herkunft die Täter seien und ob dies thematisiert werden darf.

Am Donnerstag hatten die drei Initiatoren Wizorek, Gümüşay und die Bloggerin Emine Aslan Emails an durch ein Netzwerk bekannte Frauenrechtlerinnen geschickt, darunter Kristina Lunz, wie diese dem Tagesspiegel berichtet. "Köln kann man als Auslöser dieser Initiative begreifen. Wir arbeiten alle schon sehr lange an diesen Themen rund um Sexismus, aber seit Köln wird uns endlich mal zugehört", sagt die Mitarbeiterin der Oxford-Universität. Die Aufforderung zur Initiative #ausnahmslos sei am Donnerstag eingetroffen, gesprochen habe man über Skype. Dann sei alles sehr schnell gegangen und #ausnahmslos in die Welt gesetzt und zusammen der offene Brief verfasst worden.

"Köln kommt ja nicht von irgendwoher, sondern aus der Gesellschaft heraus", sagt Lunz. Man solle nicht meinen, Sexismus werde "importiert" und von den Flüchtlingen mitgebracht. Sexismus werde nicht nach Deutschland gebracht - er ist bereits hier gewesen. Denn Sexismus ist überall zu finden.

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