Sex unter Geschwistern: Schwester findet das Inzest-Verbot richtig
Sex unter Geschwistern ist und bleibt verboten. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Donnerstag entschieden. Das Überraschende: Die Schwester von Patrick S. findet das Urteil richtig, Hans-Christian Ströbele nicht.
Jahrelang hatte Patrick S. Sex mit der eigenen Schwester - die Folge: vier Kinder, zwei davon behindert. Dabei ist Inzest in Deutschland verboten und wird bestraft. Auch Patrick S. (35) aus Leipzig musste wegen der Liebesbeziehung mit seiner Schwester Susan K. mehrmals ins Gefängnis. Mehr als drei Jahre lange saß er seine Strafe ab, weil er in die falsche Frau verliebt war.
Das Paar fühlte sich ungerecht behandelt. Sie liebten sich, sie wollten zusammenleben, miteinander schlafen, so wie andere Erwachsene es auch tun. 2008 legten sie eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein - und scheiterten. Die Gerichte beriefen sich auf Paragraf 173 des Strafgesetzbuches, der den Beischlaf zwischen leiblichen Geschwistern mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht.
Der Fall beschäftigte nun den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Hier machte Patrick S. eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens geltend, doch erneut musste er sich dem Gesetz beugen. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Donnerstag urteilte, verstößt das deutsche Inzestverbot nicht gegen das Grundrecht auf Schutz des Privatlebens.
Das Urteil löste sofort Kritik aus: Der Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele betonte, der Inzestparagraf 173 passe in die heutige Zeit „der geläuterten Auffassung über Ehe und Familie nicht mehr hinein“. Er sei unnötig. Er müsse weg. „Das ist ein einsames Relikt aus anderen Zeiten, in denen ja auch noch der Ehebruch strafbar war, das haben wir auch abgeschafft“, sagte Ströbele dem Nachrichtensender N 24. Der EGMR bewerte „altbackene Moralvorstellungen offenbar höher als die Grundrechte auf freie Selbstbestimmung“.
Ähnlich sieht das der Justiziar der Linken-Fraktion im Bundestag und ehemalige BGH-Richter Wolfgang Neskovic. Er sprach von einer „mutlosen Entscheidung“. Das Strafrecht solle „nicht dazu dienen, Moralverstöße zu sanktionieren, sondern die Verletzung von Rechtsgütern und sozialschädliches Verhalten“. Bei einvernehmlichen Beziehungen zwischen Geschwistern werde niemand geschädigt
Die Schwester von Patrick S. findet das Verbot richtig
Während Ströbele den Inzest-Paragrafen am liebsten abschaffen würde, hält die Schwester von Patrick S. das vom EGMR bestätigte Verbot für richtig. „Es ist in Ordnung, dass Inzest strafbar ist. Ich habe Schuldgefühle deswegen“, sagte sie der „Bild“-Zeitung. „Früher war ich jung und hatte irgendwie Sehnsucht nach Liebe. Aber ich würde das nie wieder machen. Ich würde auch niemanden dazu raten“. Anders als Patrick S. war die heute 28-Jährige für die sexuelle Beziehung mit ihrem Bruder nicht bestraft worden - die Gerichte hielten sie wegen einer „abhängigen Persönlichkeitsstruktur“ und einer leichten geistigen Behinderung für schuldunfähig. Inzwischen ist das Paar getrennt.
In der Union stößt Ströbele mit seiner Forderung unterdessen auf Widerspruch. „Wir müssen die Gesundheit unserer Bevölkerung schützen“, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der „Bild“-Zeitung (Onlineausgabe). Der Staat müsse die Chance auf ein körperlich und vor allem seelisch unversehrtes Leben ermöglichen. Kinder aus Inzest-Beziehungen hätten überdurchschnittlich viele gesundheitliche Störungen. Ebenso äußerte sich Unions-Bundestagsfraktionsvize Günter Krings (CDU) in dem Blatt. Er sagte: „Die Strafbarkeit von Inzesthandlungen ist ein Kernbestand der deutschen Rechtskultur und völlig tabu.“
Der Deutsche Ethikrat hält das Urteil des EGMR für gerechtfertigt. In der deutschen Gesellschaft gebe es nach wie vor eine allgemeine Überzeugung, dass Inzest zwischen Geschwistern verboten sein sollte, sagte der Ethikratvorsitzende Edzard Schmidt-Jortzig auf MDR Info. Dies sei „schon mal ein ganz wichtiges Argument“. Sexuelle Selbstbestimmung sei „nicht grenzenlos“.
Das von sieben Richtern gefällte EGMR-Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Der Dresdner Anwalt von Patrick S., Endrik Wilhelm, sagte auf dapd-Anfrage, das Urteil sei „sehr enttäuschend und auch nicht differenziert“. Er werde seinem Mandanten raten, die Sache vor die mit 17 Richtern besetzte Große Kammer des EGMR zu bringen.
(mit dpa, dapd)
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität