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Kronprinzessin Victoria von Schweden.
© Caroline Seidel/dpa

Kronprinzessin Victoria: Schwedens Lächeln

Die Zustimmung zur Monarchie im Land sinkt stetig. Dazu trägt nicht zuletzt der umstrittene König bei. Die Mehrheit der Bürger würde Carl XVI. Gustaf am liebsten in Pension schicken. Doch das Königshaus hat eine Sympathieträgerin, die alles überstrahlt: Kronprinzessin Victoria.

Auf der Jahrestagung der Republikanischen Vereinigung im vergangenen Monat in Stockholm war das Fernziel wieder klar abgesteckt: Seit seiner Gründung im Jahr 1997 kämpft der Verein für die Abschaffung der Monarchie. Es ist ein zäher Kampf, über dessen Erfolg noch zu ihren Lebzeiten sie „nicht spekulieren“ wolle, sagte die 27-jährige neugewählte Vorsitzende Yasmine Larsson. Zwar hat Schwedens Monarchie in den vergangenen Jahren an Glanz verloren. Doch kaum gibt sie ihren Gegnern mal Anlass zur Hoffnung – so im Jahr 2012, als sich König Carl XVI. Gustaf angesichts ihm angelasteter Sex-Eskapaden wand –, spielt sie wieder ihre stärkste Karte aus: Kronprinzessin Victoria.

Seit Jahren rangiert die Thronerbin auf Platz eins der Liste der beliebtesten Personen des öffentlichen Lebens in Schweden. Die 37-Jährige gilt als charmant, bodenständig und tüchtig. Ihr tadelloses Image bleibt unangefochten, und seit der Geburt der heute dreijährigen Tochter Estelle ist die Begeisterung der Untertanen für die Kronprinzessin noch gewachsen, auch wenn die Popularität des Königshauses insgesamt stetig sinkt: Als die Universität Göteborg in ihrer jährlichen Umfrage zum Vertrauen in öffentliche Institutionen 2003 erstmals das Ja oder Nein zum Königshaus zur Debatte stellte, sprachen sich noch 68 Prozent der Befragten für den Erhalt der Monarchie und nur 15 Prozent für ihre Abschaffung aus. Zehn Jahre später war der Anteil der Befürworter auf 54 Prozent geschrumpft und der der Gegner auf 20 Prozent gestiegen. „Ohne die enorme Popularität der Kronprinzessin sähen diese Zahlen bestimmt noch ganz anders aus“, sagt Lennart Nilsson, einer der Verfasser der Studie.

Bannerträger des modernen Königshauses

Victoria und ihr Ehemann Prinz Daniel gelten mittlerweile als die wichtigsten Bannerträger für das, was die offizielle Schweden-Website Sweden.se „ein modernes Königshaus“ nennt. Vor allem sie stemmen den Spagat einer altehrwürdigen Institution in einem Land, das sich selbst gern als das fortschrittlichste der Welt sieht und in dem man für Hierarchien und Standesdünkel wenig übrig hat. So leistete Victoria im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter drei Wochen lang Dienst in der schwedischen Armee. Ihre Tochter besucht eine „ganz normale“ Kita, und den Elternurlaub bestritten Victoria und Daniel jeweils zu gleichen Teilen. Nicht zuletzt damit stärkten sie das moderne Image der Monarchie, deren PR-Wert für den Tourismus und für die Außenwirkung des Landes insgesamt die pragmatischen Schweden durchaus zu schätzen wissen.

Umfragen der vergangenen Jahre zufolge würde eine klare Mehrheit der Landsleute König Carl XVI. Gustaf am liebsten in Pension schicken und stattdessen Victoria mit der Krone sehen, auf die sie allerdings erst seit ihrem zweiten Lebensjahr offiziell Anspruch hat. Dem 1980 rückwirkend geänderten Thronfolgegesetz zufolge ist der Thron nicht mehr einem männlichen Spross vorbehalten, sondern wird automatisch an das erstgeborene Königskind vererbt.

Immer locker. Victoria gilt als charmant und bodenständig. Mit ihrem Ehemann Daniel Westling begleitete sie ihre Tochter Estelle im August 2014 an deren ersten Tag in einer normalen Kita.
Immer locker. Victoria gilt als charmant und bodenständig. Mit ihrem Ehemann Daniel Westling begleitete sie ihre Tochter Estelle im August 2014 an deren ersten Tag in einer normalen Kita.
© dpa

„Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich durch meine Arbeit so viele interessante Menschen treffen kann, und es macht mich stolz, Schweden zu repräsentieren“, sagt die Thronerbin heute. Mehr als 150 Termine arbeitet Victoria inzwischen im Jahr ab. Nicht nur in wohlmeinenden Presseberichten, sondern auch in Foren im Internet wird sie von Augen- und Ohrenzeugen der Besuche für ihre interessierten Fragen und offenkundige Sachkenntnis gelobt.

Dieses Wissen ist hart erarbeitet. Ebenso wie ihr Vater und wie ihr Bruder Prinz Carl Philip leidet Victoria an Dyslexie. Schon in der Schule habe sie sich aufgrund der Lese- und Rechtschreibschwäche oft „unglaublich dumm“ gefühlt, berichtete sie in einem Zeitungsinterview 2007. Dass sie dennoch 1996 das Abitur mit guten Noten ablegen konnte, schreibt sie vor allem der sachkundigen Hilfe ihrer Mutter, der deutschstämmigen Königin Silvia, und dem eigenen „eisernen Willen“ zu.

Noch heute behilft sich Victoria beim Lesen gern mit einem Lineal. Sie holt Informationen aber am liebsten akustisch ein und ist Spezialistin im Auswendiglernen von Fakten. Mit der ihr eigenen Zielstrebigkeit absolvierte sie auch Studien unter anderem in Diplomatie und Politikwissenschaften; 2009 legte sie ein Philosophie-Examen an der Universität Uppsala ab. Das Vorurteil, Dyslektiker seien dumm, ist in Schweden seit dem öffentlichen „Outing“ der Kronprinzessin jedenfalls kaum mehr anzutreffen.

Liebe zur Natur

Die Büroarbeit im Dienste der Monarchie leistet Victoria ebenso wie ihre Eltern im königlichen Schloss in der Stockholmer Altstadt. Privaten Stunden mit Tochter und Ehemann ist das Schloss Haga außerhalb Stockholms vorbehalten. Mit der Hochzeit im Juni 2010 und dem bald darauf folgenden Einzug des Paares auf Haga wurde für viele Schweden ein modernes Märchen wahr – hatten die Prinzessin und ihr ehemaliger Fitnesstrainer seit Bekanntwerden ihrer Beziehung 2002 doch harte Prüfungen bestehen müssen. Daniel Westling, Sohn eines Beamten und einer Postangestellten aus der Kleinstadt Ockelbo, ohne Studienabschluss und mit bescheidenen Englischkenntnissen, wurde erst nach jahrelangen royalen Weiterbildungsmaßnahmen als künftiger Prinzgemahl akzeptiert. Als Victoria am Hochzeitstag vom Balkon des Schlosses dem zu Tausenden herbeigeströmten Volk dankte, „weil ihr mir meinen Prinzen geschenkt habt“, kannte der Jubel keine Grenzen.

Die Liebe zur Natur und zum Sport hat das künftige Regentenpaar an seine Tochter weitergegeben. Estelle ist mit eigenen Brettern auf der Skipiste dabei und identifiziert als Zuschauerin von Wettkämpfen treffsicher Schwedens Skilanglaufstar Charlotte Kalla. Die bei öffentlichen Auftritten stets gut aufgelegte Dreijährige gilt als neue Wunderwaffe des Königshauses und lässt für die Bemühungen der Republikanischen Vereinigung nichts Gutes ahnen. Während die Facebook-Seite des Vereins bisher rund 37 000 „Gefällt mir“-Angaben verzeichnet, heimste das Königshaus im Februar allein für das Geburtstagsfoto der kleinen Prinzessin auf Skiern in kurzer Zeit 69 000 „Gefällt mir“ ein. Eins zu null für die Monarchie.

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