Weltweiter Rekord: Schon eine halbe Million Israelis geimpft – wie ist das Tempo möglich?
Beim Impfen ist Israel das eilige Land. Fünf Prozent der dortigen Bevölkerung haben die Spritze bereits erhalten, in Deutschland gerade mal 0,05 Prozent.
Große weiße Zelte stehen neuerdings auf dem Rabinplatz in Tel Aviv. Hier, im Herzen der Stadt, wo sich die Menschen in gewöhnlichen Zeiten oft zu Protesten oder Konzerten versammeln, sollen sich ab dem 4. Januar die Bürger gegen das Covid-19-Virus impfen lassen können.
5000 Menschen täglich soll das provisorische Impfzentrum abfertigen, welches das Ichilov-Krankenhaus gemeinsam mit dem Tel Aviver Rathaus organisiert hat. „Wir werden damit beginnen, die Massen nonstop zu impfen“, sagte Ronni Gamzu, der Direktor des Krankenhauses und bis vor kurzem staatlicher Corona-Beauftragter. „Alles zu einem Zweck: Covid-19 endgültig auszulöschen.“
Die Impfstation im Zelt ist nur ein Element einer breitangelegten Kampagne, die der Staat am 20. Dezember gestartet hat. Bis Dienstag wurden nach Angaben des israelischen Gesundheitsministeriums fast eine halbe Million Menschen geimpft, gut fünf Prozent der Bevölkerung. Nach einer Statistik der britischen Oxford-Universität liegt Israel damit weltweit vorn. Deutschland dagegen rangiert mit einer Impfquote von nur 0,05 Prozent der Bevölkerung unter ferner liefen.
Bis zum Wochenende, verkündete Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag, sollen sich 150.000 Menschen täglich die Spritze gegen das Virus geben lassen. Anschließend soll die Rate sogar noch steigen. „Nach einem Monat werden wir 2,25 Millionen israelische Bürger geimpft haben“, sagte Netanjahu. „Es gibt nichts Vergleichbares auf der Welt.“
Er selbst hatte sich als erster Israeli am 19. Dezember vor laufender Kamera die Spritze in den Oberarm setzen lassen, gefolgt von Gesundheitsminister Yuli Edelstein. Am Sonntag trat eine Reihe weiterer Politiker zum Piksen an, darunter Staatspräsident Reuven Rivlin und Finanzminister Israel Katz.
Medizinische Einrichtungen begannen am selben Tag mit der Immunisierung ihres Personals. Das Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv veranstaltete zum Auftakt der Kampagne eine regelrechte Party: Während die ersten Kandidaten die Ärmel hochkrempelten, gab der Popstar Ivri Lider ein Live-Konzert in der Lobby des Krankenhauses, umringt von hüpfenden und tanzenden Ärzten und Pflegern. Die fröhliche Veranstaltung hatte einen ernsten Zweck: Sie sollte die Menschen überzeugen, dass die Impfung harmlos und sinnvoll ist.
Viele waren anfangs skeptisch
Denn auch in Israel stehen viele den neuen Impfstoffen skeptisch gegenüber: Nur 63 Prozent erklärten sich noch vor kurzem in Umfragen zu der Impfung bereit. Doch seit dem Start der Kampagne ist der Andrang groß. Als Erstes dürfen sich alle Bürger impfen lassen, die über 60 Jahre alt sind oder zur Risikogruppe zählen. Die Impfungen werden über die vier Krankenkassen ausgegeben, die den Gesundheitsmarkt in Israel unter sich aufteilen.
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Offenbar wurden einige von ihnen von dem Andrang überrascht: Manche Impfinteressierte berichten von großem Andrang bei Telefon-Hotlines und Wartezeiten von mehreren Wochen.
Anschließend sollen jene Personen an die Reihe kommen, die berufsbedingt einem besonderen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, darunter Lehrer und Sozialarbeiter. Darauf folgen Soldaten und andere Sicherheitskräfte, danach steht die Impfung dem Rest der Bevölkerung offen. Ausgenommen sind bisher schwangere und stillende Frauen ebenso wie Israelis unter 16 sowie all jene, die bereits an dem Virus erkrankt waren und geheilt sind.
Im Frühjahr soll sich Lage entspannen
Derzeit setzt Israel nur den Impfstoff der US-Pharmafirma Pfizer ein, von dem zwei Dosen zur Immunisierung nötig sind. Lokalen Medien zufolge sollen dem Staat bis Ende Januar vier bis fünf Millionen Dosen zur Verfügung stehen – mehr als in Deutschland mit seiner fast zehnmal so großen Bevölkerung. Zudem hat die israelische Regierung sechs Millionen Dosen des Impfstoffes beim US-Hersteller Moderna bestellt, die allerdings nicht vor April erwartet werden.
Läuft logistisch alles glatt – und dafür sprechen die Impfzahlen bisher – könnte sich in Israel schon im Frühling eine deutliche Entspannung der Lage abzeichnen.
Israel geht in den dritten Lockdown
Viele Bürger können eine Rückkehr zur Normalität kaum erwarten. Denn Sonntag startete ein dritter Lockdown: Fast alle Geschäfte müssen schließen, die Menschen dürfen sich nur einen Kilometer von ihrem Wohnsitz entfernen. Mindestens zwei Wochen sollen die Beschränkungen gelten, vermutlich länger. Damit versucht die Regierung, die Zahl der täglichen Neuinfektionen zu senken, die zuletzt auf fast 4000 gestiegen sind.
Doch obwohl die Regeln auf dem Papier streng klingen, ist davon bisher wenig zu spüren: Die Straßen bleiben belebt, viele kleine Geschäfte rebellieren gegen das Öffnungsverbot. Offizielle warnen vor Nachlässigkeit auf der letzten Durststrecke vor der erwarteten Massenimmunisierung.
Doch vielerorts herrscht der Eindruck vor, die Autoritäten tolerierten kleinere Verletzungen der Regeln – vielleicht im Wissen, dass die Gesellschaft nur auf diese Art den dritten Lockdown überhaupt noch akzeptiert. Denn wie Menschen andernorts ersehnen die Israelis das Ende der Pandemie und ihrer Folgen mit schwindender Geduld.
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