Schauspieler trifft mexikanischen Drogenboss Guzmán: Scharfe Kritik an Sean Penn für Interview mit "El Chapo"
Der nun wieder gefasste Drogenboss "El Chapo" hat sich für ein Interview mit Schauspieler Sean Penn getroffen. Am Ende wurde er ein Opfer seinen eigenen Eitelkeit.
Die Geschichte hört sich einfach zu verrückt an, um wahr zu sein: Einer der prominentesten Hollywoodstars reist in das Geheimversteck des meistgesuchten Drogenbosses der Welt, um dort ein Interview mit ihm zu führen - und der Boss denkt, dass ihm niemand auf die Schliche kommt.
Doch genau diese Geschichte ist passiert.
Ein spektakulärer und umstrittener Scoop
Oscar-Gewinner Sean Penn hat Joaquín Guzmán – besser bekannt als „El Chapo“ – im mexikanischen Dschungel getroffen. Sieben Stunden lang unterhielten sich die Männer, das Gespräch wurde am Sonntag vom US-Magazin „Rolling Stone“ veröffentlicht. Ein spektakulärer und ebenso umstrittener Scoop, der auch einen Bezug zu Deutschland hat: Denn „El Chapos“ Fluchthelfer sollen hierzulande ausgebildet worden sein, um den 1,5 Kilometer langen, unterirdischen Tunnel in das Hochsicherheitsgefängnis zu graben, aus dem Guzmán im Juli geflohen war.
„El Chapo spricht“ heißt das Interview, das am Sonntag veröffentlicht wurde. Es dürfte in Zusammenhang stehen mit dessen Festnahme am Freitag. Ermittlerkreise haben sich dazu zwar nicht konkret geäußert, doch Penn schreibt, er habe keinen Zweifel daran, dass er bei seinem Kontakt mit Guzmán von mexikanischen und amerikanischen Sicherheitskreisen überwacht wurde. Obwohl er von Guzmáns Männern angewiesen worden war, nach jedem Gespräch das Handy zu zerstören und anonyme E-Mail-Adressen zu benutzen.
Der Drogenboss fühlte sich offenbar sicher
Der Drogenboss fühlte sich offenbar absolut sicher und ging davon aus, trotz des Treffens mit Penn weiterhin unentdeckt zu bleiben – das zeugt nicht nur von einer enormen Hybris, sondern auch von einem großen Vertrauen in das von ihm geschmierte Netzwerk, zu dem offenbar auch mexikanische Polizisten und Ermittler gehören. So berichtet Sean Penn, dass er auf der Reise zu Guzmán einen militärischen Checkpoint ohne Kontrolle passiert habe, offenbar, weil die Soldaten Guzmáns Sohn erkannt hätten. Auch habe ein Insider das Kartell informiert, wann Aufklärungsflüge des Militärs stattfinden, so dass Penns Flug zu Guzmán mit einer kleinmotorigen Maschine problemlos verlaufen sei.
Für die mexikanischen Ermittlungsbehörden sind solche Aussagen äußerst peinlich, stehen sie doch ohnehin schon in schlechtem Licht da, weil ihnen „El Chapo“ bereits mehrfach entwischte.
Dass es zum Interview kommt, war ursprünglich nicht geplant gewesen. Vielmehr wollte „El Chapo“ sein Leben verfilmen und dafür Penn gewinnen. Also schickte er die Telenovela-Schauspielerin Kate de Castillo nach Los Angeles. Die Mexikanerin spielt in „La Reina del Sur“ („Die Königin des Südens“) eine Drogenhändlerin und steht mit Guzmán in Kontakt. Penn hielt „El Chapos“ Idee aber für nicht realisierbar – und schlug stattdessen ein Interview über dessen Leben vor – und darin hat sich der Drogenboss nun genau so glamourös inszeniert, wie er es wohl gerne auf der Leinwand sehen würde.
„Ich liefere mehr Heroin, Methamphetamin, Kokain und Marihuana als jeder andere auf der Welt. Ich habe eine Flotte von U-Booten, Flugzeugen, Lastwagen und Booten“, brüstet sich Guzmán, der laut „Forbes“-Magazin zu den reichsten Männern der Welt gehört.
"El Chapo" wuchs arm auf
Als Kind armer Eltern sei er in den Drogenhandel getrieben worden. „In unserer Gegend gibt es keine Jobs. Die einzige Möglichkeit, um Geld für Essen zu verdienen, ist der Anbau von Opium, Marihuana“, sagt „El Chapo“, der nach eigener Aussage keine Drogen nimmt. Guzmán beschreibt sich selbst als Menschen, „der nicht nach Problemen suche“. Er verteidige nur sich selbst. Das Gespräch fand während eines gemeinsamen Abendessens statt, sieben Stunden reichten Guzmán aber nicht, er blieb anschließend in Kontakt mit Penn, tauschte Nachrichten aus und schickte ihm eine Video-Aufzeichnung. Penn sprach Guzmán auch darauf an, dass er ein Kopfgeld von hundert Millionen Dollar auf Donald J. Trump ausgesetzt haben soll, nachdem sich der republikanische Präsidentschaftskandidat kritisch über Mexikaner geäußert hatte. „Ah! Mi amigo!“, soll Guzmán daraufhin nur geantwortet haben.
In dem Gespräch erzählte „El Chapo“ auch von seiner Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis El Altiplano im Juli durch einen unterirdischen Gang. Die Ingenieure seien dafür drei Monate lang in Deutschland ausgebildet worden, sagte Guzmán. Ob dazu bereits Erkenntnisse vorliegen, war am Sonntag vom Bundeskriminalamt nicht zu erfahren.
Während "El Chapo" jetzt mal wieder im Gefängnis sitzt, stehen sowohl der „Rolling Stone“ als auch Sean Penn in der Kritik. So weist das Magazin darauf hin, dass die Geschichte unter der Bedingung zustande gekommen sei, dass Namen geändert und Orte nicht genannt wurden. Umstritten ist, ob sich das Magazin damit zum Helfer von „El Chapo“ machte. Auch Sean Penn muss sich Fragen gefallen lassen: Warum hat er nicht von sich aus die Ermittler informiert? Und falls er dies doch getan hat: Wie sicher ist er nun vor einer möglichen Rache von "El Chapo?" Die Behörden zeigen sich zumindest verärgert über Penns Alleingang. Ein Sprecher des Weißen Haus nannte das Interview "unerträglich."
Bei der Verleihung der Golden Globes machte sich der britische Komiker und Show-Gastgeber Ricky Gervais zu Beginn der Preisverleihung über Hollywoodstars und Sean Penn lustig. Mit gespieltem Ernst beschimpfte er zunächst die im Saal versammelte Prominenz als widerwärtige, pillenschluckende, perverse Leute. Danach kündigte er an, seinen Monolog zu Ende zu bringen und dann ein sicheres Versteck aufzusuchen - und „nicht einmal Sean Penn wird mich dort finden“, witzelte Gervais.
Hollywoodreifes Ende
Einen Film wird Guzmán nun wohl nicht mehr drehen. Immerhin hat er ein hollywoodreifes Interview gegeben. Sogar das Ende des Gesprächs hat es in sich. Ob er sich Gedanken mache, wie sein Leben wohl enden werde, fragt Penn. "El Chapo" hofft auf ein Happy End: „Ich weiß, dass ich eines Tages sterben werde“, sagt er, „ich hoffe, aus einem natürlichen Grund.“