Kein Geld mehr für Imagekampagne: Sachsen-Anhalt lässt seine Bürger wieder länger schlafen
"Wir stehen früher auf", mit diesem Slogan macht Sachsen-Anhalt seit fast zehn Jahren Reklame - angeblich kommen die Einwohner morgens neun Minuten früher aus dem Bett als der Durchschnittsdeutsche. Jetzt aber gibt Brüssel kein Geld mehr für die Kampagne.
Übertroffen wurde Sachsen-Anhalt nur von Baden-Württemberg. Der Spruch "Wir können alles. Außer hochdeutsch", mit dem der Südwesten Reklame macht, ist noch bekannter als die im Jahr 2005 gestartete Imagekampagne des Landes Sachsen-Anhalt "Wir stehen früher auf". Doch jetzt ist bald Schluss, nach fast zehn Jahren: Für die Landeskampagne steht von April 2014 an kein Geld mehr zur Verfügung, wie der Magdeburger Regierungssprecher Matthias Schuppe am Dienstag dem Tagesspiegel bestätigte.
Ohnehin kommen Ostdeutsche traditionell etwas früher aus dem Bett als Westdeutsche, Sachsen-Anhalt lag nach Erhebungen der Landesregierung sogar noch einmal vorn. Mit einem Neun-Minuten-Vorsprung machte das Bundesland seit Jahren Werbung auf Kaffeetassen, Plakaten, an Bussen und Straßenbahnen. Selbst an den Autobahnen werden die Autofahrer im "Land der Frühaufsteher" begrüßt.
Jetzt aber ist das Aus der Kampagne besiegelt: Zum einen läuft im nächsten Frühjahr die Förderung der Europäischen Union für das Projekt aus - bislang wurde damit die Kampagne ausschließlich finanziert. Zum anderen entschieden CDU und SPD, die Koalitionsfraktionen im Magdeburger Landtag, kein Geld mehr für Landesmarketing in den Haushalt einzustellen. Die Landesregierung hätte in den nächsten fünf Jahren dafür gern je knapp eine Million Euro gehabt. Regierungssprecher Schuppe verweist darauf, dass auch Nachbarländer wie Sachsen und Thüringen Geld für Landesmarketing ausgeben und sagt: Man hätte diskutieren können, wie man möglicherweise Teile der Kampagne in einer neuen Image-Werbung für das Land rette. Vor dem Hintergrund der Finanzsituation aber könne die Landeswerbung nun nicht fortgeführt werden, sagte er - obwohl sie doch "eigentlich erfolgreich" gewesen sei. Frühes Aufstehen als Synonym für ein aufgewecktes Land, das habe durchaus funktioniert, meint Schuppe.
Allerdings war die Imagekampagne von Beginn an umstritten. In Baden-Württemberg wurde gespottet: "In Sachsen-Anhalt steht man früher auf. Bei uns bleibt dafür niemand sitzen." In Sachsen-Anhalt ermittelten Meinungsforscher im Auftrag der Landesregierung, dass vor allem die jungen Leute im Land mit dem Frühaufsteher-Slogan wenig anzufangen wüssten. In der Konsequenz wurde der Werbespruch leicht verändert, er heißt nun: "Dafür stehen wir früher auf". Auf einer Internetseite wurden Filmbeiträge eingestellt, in der Bewohner des Landes berichteten, was sie antreibt und wofür sie früher aufstehen.
Die Leute stehen früh auf, weil sie zur Arbeit pendeln müssen
Die Kritiker gaben dennoch keine Ruhe. Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) machte sich zu ihrem Wortführer. Erst am vergangenen Wochenende beschloss ein SPD-Landesparteitag in Quedlinburg, dass die Imagekampagne gestoppt werden solle. "Ist es nicht schon traurig genug, dass tagtäglich tausende Pendler zu früher Stunde auf den Beinen sind, um ihre Arbeitsplätze per Bahn, Bus und Auto zu erreichen?", hieß es in der Begründung des Antrags: "Bedarf es dazu noch einer Millionen Euro teuren Kampagne?" Bullerjahn hatte diesen Beschluss ausdrücklich unterstützt: "Ich laufe mir ja seit Jahren einen Wolf deswegen", wurde er zitiert.
Auch die oppositionelle Linke in Sachsen-Anhalt fand die Kampagne schon immer doof, wie Fraktionschef Wulf Gallert dem Tagesspiegel erläutert: "Die Leute stehen früher auf, weil ein hoher Anteil zur Arbeit pendeln muss. Sich damit auch noch zu brüsten, ist ausgesprochen problematisch." Sachsen-Anhalt sei womöglich mit solcher Werbung bekannter geworden, die meisten aber hätten das Land wegen des Slogans "nur ausgelacht". Als die Nachricht vom bevorstehenden Ende der Imagekampagne am Dienstag auf einer Sitzung der Linksfraktion publik wurde, habe es "enthusiastische und lang anhaltende Zustimmung gegeben", berichtet Gallert.
Den neuen Spruch "Dafür stehen wir früher auf" hat die Potsdamer Kreativ-Agentur Peperoni entwickelt. Den Auftrag dafür erhielt sie Ende vergangenen Jahres als Gewinner einer europaweiten Ausschreibung des Bundeslandes. Doch mit der Neuinterpretation des Slogans ließ sich nichts mehr retten, wie sich nun zeigt. Dass die Kampagne des Bundesland schwierig war, gab Peperoni-Geschäftsführer Norbert Kirch im Januar selbst zu. Damals sagte er den "Potsdamer Neuesten Nachrichten", der Slogan "Wir stehen früher auf" sei schon immer sehr umstritten gewesen, jedoch nicht authentisch. "Er suggeriert Erfolg, den Sachsen-Anhalt im Vergleich zu anderen Bundesländern aber nicht hat."