Bemannte Mission 2029 geplant: Russland will auf die Rückseite des Mondes
Russland will mit seiner Raumfahrt verstärkt den Erdtrabanten ins Visier nehmen und plant auch bemannte Missionen. Dabei interessiert die Experten vor allem die Rückseite des Mondes.
Russland will die Erforschung des Mondes energischer vorantreiben. Das wurde auf einer Konferenz für Weltraumtechnologien in Moskau deutlich. Der erste unbemannte Start zum Mond steht für 2025 auf der Agenda, spätestens 2029 ein bemannter. Eine Serie von internationalen Experimenten zur Simulierung von Flügen zum Mond, zum Mars und weiteren Planeten läuft bereits 2016 an. Freiwillige aus Russland, den USA, Europa und Japan werden dazu in den nächsten fünf Jahren zunächst zweiwöchige, dann acht und sogar zwölf Monate umfassende Trainingseinheiten absolvieren.
Russlands derzeitiges Programm für Weltraumforschung sei „schlank und ausgewogen“, setze die richtigen Prioritäten und sei auf „konkrete, realistische Ziele“ orientiert, lobte Wladimir Solnzew, der Chef des Raumfahrt-Konzerns „Energija“ auf der Konferenz für Weltraumtechnologien. In der Tat: Bemannte Flüge zum Mars sind für Russland zwar nicht vom Tisch, momentan jedoch ferne Zukunftsmusik.
Dem Mond will man sich mit neuen, mehrfach verwendbaren Transportern nähern, die derzeit bei „Energija“ entwickelt werden und sowohl für das Andocken an die Internationale Raumstation ISS als auch für direkte Mondmissionen geeignet sind. Sie sollen ab 2021 mit schweren Trägerraketen des Typs Angara A5B ins All geschossen werden und maximal vier Besatzungsmitgliedern Platz bieten. Beim Bau sollen Verbundstoffe und Technologien zum Einsatz kommen, die, wie die Hersteller behaupten, weltweit teilweise einmalig sind. Neue Bordelektronik soll sie nicht nur sicherer machen, sondern auch Annäherung und Andockmanöver erleichtern. Sie können sich 30 Tage lang autonom im All bewegen und bei Flügen zum Mond eine Nutzlast von 19 Tonnen transportieren, bei Flügen zur ISS fast das Doppelte.
Das Interesse von Freiwilligen an bemannten Mondmissionen sei sehr groß, sagte Oleg Orlow, stellvertretender Direktor des Instituts für medizinisch-biologische Probleme in Moskau. Dessen Forscher waren schon federführend an „Mars 500“ beteiligt, einem Gemeinschaftsprojekt der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos und der europäischen ESA, mit dem 2010/11 ein bemannter Marsflug mit Landung und anschließender Rückkehr zur Erde simuliert wurde. Das einem Raumschiff nachempfundene Modul soll auch für die Simulation der Mondflüge genutzt werden – mit einem neuen Block, in dem die virtuelle Welt der Realität noch näher kommt. Dazu gehört auch ein Raum mit niedrigem Magnetfeld. Das, so Orlow, sei für das Modellieren von raumflugspezifischen Verhältnissen von besonderer Bedeutung.
In die Container-WG sollen gemischte Crews aus Männern und Frauen einziehen. Bei „Mars 500“ hatte man davon Abstand genommen. Denn als zehn Jahre zuvor Leben an Bord der ISS simuliert wurde, hatte in der Neujahrsnacht ein Russe versucht, eine Kanadierin gegen deren Willen zu küssen. Mediziner machten den Champagner vom Silvestermenü verantwortlich. Seither ist Alkohol im Container verboten.
Doch bedroht ist Russlands Mondprogramm eher von Geldknappheit. Von den jüngsten Kürzungen des Raumfahrtetats seien auch Langzeitprojekte wie bemannte Flüge zum Mond betroffen, schreiben mehrere Zeitungen. Realistisch sei die „Kolonisierung des Mondes“ nur in Kooperation mit China, glaubt daher Raumfahrtexperte Alexander Schelesnjakow. Bei den technischen Anpassungen werde es kaum Probleme geben. China habe, als es in den 90er Jahren seine eigene Basis entwickelte, vor allem sowjetisches Know-how genutzt. Vorrang bei Gemeinschaftsvorhaben soll die Kartierung der Mondrückseite haben, wo bisher keine Landungen und Entnahmen von Gesteinsproben stattfanden. Zwar wurden einschlägige Absichtserklärungen schon 2014 unterzeichnet. Doch seither geht es in Russland wie in China mit der Wirtschaft abwärts.