Angst nach dem Zyklon: Mosambik sorgt sich wegen der Cholera – und um seine Frauen
Nach dem Zyklon „Idai“ versuchen die Menschen in Mosambik, eine Epidemie zu verhindern. Derweil wächst die Gefahr sexueller Übergriffen auf obdachlose Frauen.
Beira ist zu einer Stadt ohne Dächer geworden. In der mosambikanischen Hafenstadt ist es nach dem Zyklon „Idai“ schon mal gut, eine Plastikplane über dem Kopf zu haben. Amina Aly João Moteka (36) besaß bis vor kurzem sogar ein richtiges Haus in ihrer Heimatstadt Buzi. Jetzt bewohnt sie mit Mann Pedro (35) und zwei Kindern im Alter von acht und zwölf Jahren in einem der Auffanglager ein blaues Zelt, gespendet vom Königreich Marokko.
Vier Tage und Nächte verbrachte die Familie auf einem Dach in Buzi, bis sie am 20. März ein Rettungsboot aufnahm und nach Beira brachte. Amina Moteka sitzen die endlosen Stunden der Todesangst noch immer sichtlich in den Knochen. Sohn Ismail kränkelt, Tochter Alcina vermisst ihr Zuhause. Doch selbst wenn Buzi nach dem Abfließen des Wassers wieder erreichbar wird, kann die Familie nicht zurück. „Wo sollen wir hin?“, fragt Moteka. „Unser Haus wurde weggespült.“ Und über Ersparnisse verfügen der Chemielehrer und die Sekretärin nicht. Außer ihrem Leben und ihrer Kleidung auf ihrem Leib ist dieser Familie nichts geblieben.
So wie den Motekas geht es vielen Tausenden in Mosambiks Flutprovinzen. 130.000 Menschen verteilen sich derzeit auf mehr als 100 Lager, wie Umweltminister Celseo Correia vor einem Pulk von Mikrofonen auf dem Flughafen Beira berichtet. Es habe bereits die ersten Fälle von Cholera gegeben. Correias Worte gehen im Lärm der wenige Meter entfernt startenden Hubschrauber unter. Doch die Nachricht dringt durch. Cholera. Eine sehr ernste Bedrohung sei das, sagt der Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Beira, David Wightwick, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ausgezehrte, abgekämpfte Menschen, womöglich schon von Malaria gezeichnet, Kleinkinder und Alte - was sollten sie der tödlichen Durchfallkrankheit entgegenzusetzen haben?
Es fehlt an der Möglichkeit, Menschen zu behandeln
Impfstoffe. Ab Mittwoch soll die Tablette zur Immunisierung gegen Cholera im Flutgebiet 900.000 mal verteilt werden. Die Behörden, die zahlreichen UN-Kräfte, nahezu alle internationalen Helfer müssten sich daran beteiligen, sagt Wightwick. Die Zeit drängt, findet auch der deutsche Katastrophenmediziner Oliver Hoffmann von der Johanniter Auslandshilfe. Er ist kurz nach dem Zyklon bis ins nahezu abgeschnittene Nhamatanda nordwestlich von Beira vorgedrungen, um herauszufinden, was die Menschen am nötigsten brauchen.
In den vielfach nur improvisierten Camps, sagt Hoffmann, fehle es an Latrinen und der Möglichkeit, die Menschen zu behandeln. Von 114 registrierten Camps hat nur knapp ein Viertel eine Gesundheitsstation, die den Namen verdient. Die Standards sind in Mosambik auch ohne Flutkatastrophe oft nicht auf der Höhe dessen, was international als Minimalversorgung gilt.
Selbst das das Zentralkrankenhaus in Beira, das wichtigste Krankenhaus der Region Sofala und die zweitgrößte Klinik Mosambiks gleicht einer Ruine. Sprecher Bonifacio Rodriguez Cebola sagte dem epd, von sieben Operationssälen sei nur einer nutzbar, deswegen habe man nur 450 von 1.020 Betten belegt und müsse viele Kranke abweisen, weil die Ärzte nicht operieren könnten. Aber an Medikamenten fehle es nicht, auch nicht an Mitteln gegen die Cholera, sagt der Mediziner.
30 Brunnen als Gesundheitsrisiko der Gemeinde
Internationale Experten beurteilen das Leistungsvermögen der Klinik skeptisch. „Abreißen“, fordert ein US-amerikanischer Militärarzt, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, nach einem Blick auf die Sonnenstrahlen, die durch die aufgerissene Decke in den Operationstrakt des Hospital Central dringen. Die vom Zyklon und eindringender Feuchtigkeit schwer beschädigte Klinik bewertet er als Gesundheitsrisiko.
Ein Gesundheitsrisiko hat auch Jens-Olaf Knapp (50), Einsatzleiter des Technischen Hilfswerks (THW), in Nhangau 15 Kilometer vor den Toren Beiras ausgemacht. Es sind die 30 Brunnen in der Gemeinde. Verseucht „mit Durchfallbakterien und allem möglichen“ seien die durch das Hochwasser, sagt Knapp. Nach knapp vier Tagen haben er und 13 Mitstreiter des THW am Donnerstag auf dem Hof einer Schule in Nhangau die erste Trinkwasseranlage in Betrieb genommen, aus der die Menschen unbedenklich Wasser zapfen können. 5.000 Liter pro Stunde, bald folgt eine zweite Anlage, danach wollen die Johanniter die bestehenden Brunnen sanieren. „Das ist ein sehr wichtiger Schritt, damit die Kinder gesund bleiben“, lobt Schuldirektorin Esmeralda Basela (37).
Beinahe wäre es dazu nicht gekommen. Auf dem holperigen Schlammpfad zwischen Beira und Nhangau blieb einer der THW-Trucks im Schlamm stecken. Niemand kann sich erinnern, wann Mosambiks Regierung sich das letzte Mal um diese Straße gekümmert hat. Am Donnerstagabend wurde Staatschef Filipe Nyusi im Katastrophengebiet erwartet, um Hoffnungen zu schüren und Hilfe zu versprechen. Im Oktober steht die Präsidentenwahl an. Eine Dauerkrise und Cholerafälle im Flutgebiet sind nichts, was im Wahlkampf nützt.
Frauen von sexuellen Übergriffen bedroht
Derweil wächst nach Angaben von Helfern die Gefahr sexueller Übergriffen auf obdachlos gewordene Frauen und Mädchen. Ihre Helferinnen in Mosambik, Malawi und Simbabwe machten sich Sorgen um die Lage von Frauen und Mädchen, teilte die Hilfsorganisation Care am Donnerstag in Bonn mit.
So habe Mary, eine junge Frau aus Malawi, berichtet, dass sie Lebensmittelversorgung mit Sex habe bezahlen sollen. "Man bot mir Essen an im Tausch für sexuelle Gefälligkeiten", wurde sie in der Care-Mitteilung zitiert. "Und nachts kann ich kaum schlafen, denn unser Zelt ist nicht geschützt." So könne jeder eindringen und sie "überwältigen". (AFP, epd)
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