Ingrid Steeger wird 70: Mit und ohne Klimbim
Sie war die blonde "Ulknudel" aus der Kultserie "Klimbim" der 70er Jahre. Den zweifelhaften Ruf wurde sie nie wieder los.
Ingrid Steeger wird 70? Auf diese Nachricht gibt es vor allem zwei Reaktionen. „Echt, 70? Kann man sich bei der nicht vorstellen.“ Das sagen die – naja – Älteren, so etwa ab 50. Die Jungen fragen: „Wer wird 70?“
Die Helden des leichten Fachs sind zu ihrer Zeit enorm populär, aber genauso schnell verblasst ihr Ruhm. Ob man die Schauspielerin Ingrid Steeger kennt, ob man sie gar für eine wichtige Figur der deutschen Fernsehunterhaltung hält, das hängt einerseits mit dem Alter zusammen. Andererseits auch damit, ob man in den siebziger Jahren einen Fernseher zu Hause hatte – und Eltern, die leidensfähig genug waren, um die schwachsinnigste Show der Fernsehgeschichte namens „Klimbim“ zu ertragen.
Darin spielte Steeger eine tragende Rolle. In einer Horrorfamilie, zu der ein militärischer Opa mit ordenbehängtem Bademantel und eine strapsetragende Mutter gehörten, gab sie die durchgeknallte Tochter Gabi. Heute gilt Klimbim mindestens als Kult, wenn nicht als Revolution: als Befreiung des Fernsehens vom spießigen Nachkriegs-Mief. Dazu zählten sinnfreier Klamauk und frivole Scherze. Inklusive – im deutschen Fernsehen der Anfangssiebziger sensationell – nacktem Busen. Für letzteren war Ingrid Steeger zuständig.
Schlicht im Kopf und immer willig
Eine hübsche Blondine mit kessem Augenaufschlag, ein bisschen schlicht im Kopf und scheinbar immer willig – mit diesem Image bediente Ingrid Steeger die Männerfantasien der westlichen Bundesrepublik. Es wurde zum Leit- und mehr noch: Leidmotiv ihres Lebens. Seit einigen Jahren präsentiert sie sich als Opfer einer macht- und sexbesessenen Unterhaltungsindustrie, schildert Vergewaltigungen, Gemeinheiten, Demütigungen, die sie von praktisch allen Männern ihres Lebens erfahren musste. Das Erstaunliche daran ist, dass sie gleichzeitig weiterhin mit dem Klischee des Sexsymbols kokettiert. Aber schließlich ist das ihr Kapital, bis heute lebt sie davon. Von diesem Zwiespalt handeln auch ihre Bücher und ihre Interviews. Gerade sagte sie der „Bild“-Zeitung: „Ich habe mein Leben lang im Bett gelogen – mein Gott, was habe ich gelogen.“ Im Gespräch mit dem Tagesspiegel schilderte sie, wie sie vom Großvater missbraucht, von Kollegen als Freiwild betrachtet worden sei: „Der Typ kam rein, hat abgesperrt, und ich wusste, was kommt. Habe mich hingelegt und gewartet, dass es vorbeigeht.“
Das andere Klischee, mit und von dem Ingrid Steeger lebt, seit sie 1970 ein Fernsehstar wurde, ist das der „Ulknudel“. Kein Bericht in der „Bunten“ oder in „Die Aktuelle“ ohne diesen Begriff, seit einigen Jahren auch in der Version „Ex-Ulknudel“. Es hängt außer mit „Klimbim“ wohl mit dem albernen Stil der erfolgreichen Softsex-Filmchen jener Jahre zusammen, die „Die liebestollen Baronessen“ hießen oder „Sonne, Sylt und kesse Krabben“ und deren unvorstellbare Blödheit nur dadurch zu erklären ist, dass sie offenbar den Nerv der verklemmten bundesrepublikanischen Gesellschaft getroffen haben. Ingrid Steeger gehörte zum Stammpersonal dieser sogenannten Komödien.
Deprimierende Erfahrungen
Als Ingrid Steeger am 1. April 1947 als Ingrid Anita Stengert in Berlin geboren wurde, war die Stadt zerbombt, die Familie lebte zu fünft in einem Zimmer. In den sechziger Jahren besuchte sie die Handelsschule, arbeitet danach als Sekretärin. Bis ein Fotograf sie entdeckte und zum Fotomodell machte. Aus Stengert wurde Steeger. Aus der Sekretärin eine, wie es hieß, „freizügige Darstellerin“. Es dauerte bis in die 90er-Jahre, dass sie auch im seriösen Fach einige Rollen übernehmen konnte. So spielte sie im Fernseh-Vierteiler „Der große Bellheim“ von 1993 eine Charakterfigur, die Verkäuferin Mona. Mit Regisseur Dieter Wedel war sie in dieser Zeit auch privat liiert. Wedel, so sagt sie, sei der einzige Mann ihres Lebens gewesen, der sie gut behandelt habe.
Trotz aller deprimierenden Erfahrungen wirkt Ingrid Steeger heute keineswegs verbittert. Auch wenn es ihr vor etwa zehn Jahren wirklich nicht gut ging. Damals, als sie das Schicksal so vieler älterer Schauspieler teilte. Sie bekam keine Engagements mehr, lebte von Hartz IV. Die gleichen Medien, die ihre früheren Fotos sonst in klickträchtigen Bilderstrecken in Szene setzen, stürzten sich nun wie die Geier auf sie. Es folgten psychische Krisen, ein Klinikaufenthalt. Sie musste, so sagt sie heute, ganz unten ankommen, um wieder neu anzufangen. Auch das ein Klischee, sicher. Aber sie kann es sehr glaubwürdig erzählen.
Mit Boulevardkomödien unterwegs
Dass ihr die Rettung gelang, hängt damit zusammen, dass sie sich einem neuen Sujet zuwandte, das sie heute ernährt: der Boulevardkomödie. Die Stücke heißen „Der Kurschattenmann“ oder „Gatte gegrillt“. Außer Steeger treten darin meistens noch einige andere Unterhaltungsstars auf, deren beste Zeit schon ein paar Jahre zurückliegt. Mit dem Ensemble tingelt sie durchs Land, von Worpswede bis Weilheim, fast jeden Tag ist eine Vorstellung, meistens ausverkauft.
Seit vielen Jahren lebt Ingrid Steeger in München, in einem kleinen Apartment in Schwabing. Wenn sie durch die Straßen läuft, rufen ihr manche Leute immer noch hinterher: Klimbim! Klimbim! Oder: Dann mach ich mir 'nen Schlitz ins Kleid und find’ das wunderbar!
Die Schauspielerin freut sich darüber, auch wenn diese Fans offenbar nicht mitbekommen haben, dass die Klimbim-Zeiten seit ein paar Jahrzehnten vorbei sind. Aber wenigstens kennen sie Ingrid Steeger noch.
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