Neue EU-Tabakrichtlinie: Mit Schockfotos gegen Raucherbeine und Zahnstummel
Ab heute müssen Hersteller abschreckende Bilder auf Zigarettenschachteln drucken. Die Industrie glaubt nicht, dass das die Lust am Rauchen dämpft.
Für Bundesernährungsminister Christian Schmidt ist es das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko: Jedes Jahr sterben 110.000 Menschen durch das Rauchen. Und glaubt man dem Deutschen Krebsforschungsinstitut, richtet das Ziehen an Zigaretten, Pfeifen oder E-Zigaretten zudem auch noch einen finanziellen Schaden von knapp 80 Milliarden Euro im Jahr an. Doch seit diesem Freitag soll Rauchen weniger attraktiv werden. Zigaretten- und Tabakschachteln müssen zu zwei Dritteln mit Schockbildern und Warnhinweisen versehen werden. Sowohl auf der Vorder- als auch Rückseite. Und die Gruselbilder dürfen nicht am unteren Rand versteckt werden – ob faulende Raucherbeine, schwarze Zahnstümpfe oder zerfressene Lungen.
So schreibt es die EU-Tabakrichtlinie vor. Die Politik hofft, so die Lust am Rauchen weiter eindämmen zu können. Bis die neuen Packungen in Läden und Automaten auftauchen, wird es aber noch dauern. Alt-Verpackungen können noch ein Jahr lang abverkauft werden. Nach Branchenschätzungen werden erst im Spätsommer oder Herbst die ersten Verpackungen mit Schockbildern auf den Markt kommen.
Dennoch ist Schmidt zuversichtlich, dass die neuen Regeln wirken. "Die Schockbilder und Warnhinweise auf Zigarettenschachteln sowie das Verbot charakteristischer Aromen sorgen dafür, dass Rauchen weniger attraktiv wird", ist der Minister überzeugt.
Die Zigarettenindustrie glaubt das nicht. "Es gibt keinen Nachweis, dass Schockbilder etwas bringen", sagte der Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbands, Jan Mücke, dem Tagesspiegel. Mit gravierenden Umsatzeinbrüchen rechnet Mücke nicht, eher mit einer "Seitwärtsbewegung". In den vergangenen fünfzehn Jahren hat sich der Absatz im legalen Bereich nach Branchenangaben nämlich sowieso schon auf 80 Milliarden Zigaretten pro Jahr halbiert. Mit weiteren Rückgängen von ein bis zwei Prozent pro Jahr wird gerechnet. Insgesamt würden etwa hundert Milliarden Zigaretten im Jahr geraucht. Schätzungsweise jede fünfte Zigarette ist nicht hierzulande versteuert. Von diesen etwa 20 Milliarden gilt die Hälfte als Schmuggelware oder Fälschung. Doch das Geschäft mit solchen Zigaretten hängt davon ab, wie gut es den Deutschen geht. Den leichten Anstieg versteuerter legaler Ware im vergangenen Jahr führt Mücke auf die gute Konjunktur in Deutschland zurück. Und auch der Spritpreis spielt erfahrungsgemäß eine Rolle. Sind Benzin oder Diesel teuer, lohnen sich Einkaufstrips nach Polen oder Tschechien weniger.
Mücke rechnet damit, dass einige Zigarettenmarken verschwinden werden, vor allem Nischenprodukte. Große Hoffnung hatte die Branche auf neue Angebote gesetzt, etwa die E-Zigarette, die die Unternehmen sie als weniger gesundheitsschädlich bewerben. Dass nun aber auch diese Produkte reguliert werden, ist für Mücke besonders problematisch. Was sich ändert, im Überblick:
Die Richtlinie
Die neue EU-Tabakproduktrichtlinie ist schon am 19. Mai 2014 in Kraft getreten. Sie sieht zum Schutz vor den Gefahren des Tabakkonsums schärfere Regeln für Herstellung, Präsentation und Verkauf von Tabakwaren vor. Bis zu diesem Freitag muss sie in nationales Recht umgesetzt werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am 4. Mai 2016 die Richtlinie nochmals bestätigt. Danach sind die Verpackungsregeln, das Verbot von Menthol-Zigaretten sowie die Regelungen für E-Zigaretten rechtmäßig.
Warnhinweise auf den Packungen
Die in anderen Ländern bereits üblichen Fotos – zum Beispiel ein verfaulter Fuß oder eine schwarze Raucherlunge – sollen vor allem junge Menschen vom Rauchen abhalten. Diese Bilder und Warnhinweise wie „Rauchen ist tödlich“ müssen mindestens zwei Drittel der Vorder- und Rückseite der Packungen einnehmen. Solche Warnhinweise gibt es bereits heute, sie sind aber kleiner. Ein gelb hinterlegter Text soll auch Anlaufstellen für Raucher nennen, die aufhören wollen. Verpackungen, die bis zum heutigen Tag nach alten Regeln produziert werden, können ein Jahr lang „abverkauft“ werden. Für Zigarren- und Cigarillo-Schachteln gelten Ausnahmen.
Schluss mit Menthol
Menthol-Produkte sollen ab 20. Mai 2020 komplett verboten werden. Aromen, die den Tabakgeschmack überdecken, sollen vom Markt verschwinden. Es geht auch um „technische Merkmale“, mit denen sich Geruch, Geschmack oder Stärke ändern lassen. Oder um Filter, Papier oder Kapseln, die Tabak oder Nikotin enthalten.
Auflagen für die Hersteller
Kleine Verpackungsgrößen sind für bestimmte Tabakwaren verboten, ebenso andere verkaufsfördernde und irreführende Elemente auf Verpackungen. Die Packung muss nach bestimmten Kriterien gestaltet sein und mindestens zwanzig Zigaretten enthalten. Für Tabak zum Selbstdrehen sind Kombidosen und Beutel erlaubt – sie müssen mindestens 30 Gramm Tabak enthalten.
Um Fälschungen vorzubeugen, müssen Verpackungen ein Erkennungs- und ein fälschungssicheres Sicherheitsmerkmal tragen, ab 20. Mai 2019 für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen und ab 2024 für alle anderen Tabakerzeugnisse. Bevor ein Hersteller ein neues Tabakprodukt auf dem europäischen Markt platziert, hat er künftig ein Zulassungsverfahren zu durchlaufen.
Die Zukunft der E-Zigaretten
Für nikotinhaltige E-Zigaretten und Nachfüllbehälter gibt es Sicherheits- und Qualitätsanforderungen. Der Markt für elektronische Zigaretten, bei denen eine Flüssigkeit verdampft und inhaliert wird, ist noch relativ jung. Bisher gibt es in Deutschland keine spezifischen gesetzlichen Regelungen. Hier gelten jetzt ebenfalls die schon länger bestehenden Werbeverbote für Tabakprodukte.
Auflagen für die Werbung
Die Werbeauflagen werden verschärft. Zigarettenwerbung auf Plakaten und im Kino soll von Juli 2020 an verboten werden. Das Tabakwerbeverbot soll auch E- Zigaretten einschließen und sich auf Außenflächen wie Plakatwände oder Litfaßsäulen erstrecken. An Fachgeschäften sowie in Verkaufsstellen wie Trinkhallen oder Tankstellen wird Tabakwerbung weiter erlaubt sein. In Kinos soll das Werbeverbot bei allen Filmen gelten, die für Zuschauer unter 18 Jahren freigegeben sind. Also dem überwiegenden Teil. (mit dpa)
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