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Arztbrief: COPD - Raucherlunge

Unser Experte Torsten Bauer ist Chefarzt der Klinik für Pneumologie am Helios Klinikum Emil von Behring in Zehlendorf. Die Klinik ist das von niedergelassenen Ärzten Berlins für eine stationäre Behandlung einer COPD am häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).

ERKLÄRUNG Wenn es darum geht, einen sperrigen Begriff wie die COPD zu veranschaulichen, macht Torsten Bauer niemand etwas vor. COPD - das steht für chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Mediziner bezeichnen damit dauerhaft entzündete, verengte und verstopfte Atemwege. Doch Torsten Bauer, Chefarzt der Lungenklinik Heckeshorn am Helios Klinikum Emil von Behring, kann das anschaulicher verdeutlichen: „Stellen Sie sich ihre Lunge als eine Weintraube vor, wobei jede Beere für ein Lungenbläschen steht“, sagt er. Durch das dauerhafte Inhalieren von Tabakqualm lösen sich die Wände der Weinbeeren auf - aus den vielen kleinen Beeren formt sich ein großer Klumpen. „Die Lunge verdaut sich quasi selbst“, sagt der Pneumologe. Die Folge: Die für den Sauerstoffaustausch wichtige Lungenoberfläche schrumpft. Da Tabakrauchen, ob aktiv oder passiv, die bei Weitem häufigste Ursache ist, wird die COPD umgangssprachlich oft schlicht Raucherlunge genannt. Und einmal entstandene Lungenschäden können nur schwer und wenn überhaupt nur teilweise rückgängig gemacht werden. Mittlerweile rangiert diese vermeidbare Erkrankung der Atemwege auf Platz fünf der häufigsten Todesursachen in Deutschland.

Die COPD ist eine chronische Entzündung der unteren Atemwege (1). In den entzündeten und verengten Bronchien (2) setzt sich zäher Schleim ab - Hustenattacken und schwere Luftnot sind die Folge.
Die COPD ist eine chronische Entzündung der unteren Atemwege (1). In den entzündeten und verengten Bronchien (2) setzt sich zäher Schleim ab - Hustenattacken und schwere Luftnot sind die Folge.
© Fabian Bartel

SYMPTOME In frühen Stadien bleibt eine COPD oft lange unbemerkt, da die Lunge die Ausfälle einige Zeit kompensieren kann. „Der Mensch war mal ein Fluchttier“, sagt Bauer. Und wer schnell rennen muss, der braucht schnell viel Sauerstoff. Deshalb ist die menschliche Lunge so konstruiert, dass sie im Notfall das vierzigfache Luftvolumen verarbeiten kann. Doch der moderne Mensch benötigt „auf seinem Weg vom Sofa zum Kühlschrank“ nur einen Bruchteil der Kapazität, die unsere Lunge zu leisten im Stande ist. So verschlechtert sich die Lungenleistung gerade bei Rauchern, die sich kaum körperlich betätigen, oft über Jahre hinweg unbemerkt. Anhaltender Husten, Schleimauswurf und Luftnot bei Belastung sind typische erste Anzeichen und die häufigsten Gründe, warum Betroffene einen Arzt aufsuchen. Mediziner sprechen von der AHA-Symptomatik - Auswurf, Husten und Atemnot. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es durch zerstörte Lungenbläschen und chronisch entzündete und zunehmend verstopfte Atemwege zu Kurzatmigkeit und anhaltender Atemnot - im Medizinerjargon auch Stenoseatmung genannt. „Das fühlt sich an, als würde man durch einen Strohhalm atmen“, sagt Bauer. Infolge der verschlechterten Lungenfunktion können Betroffene unter einer sogenannten Zyanose leiden, also einer unzureichenden Sauerstoffversorgung des Organismus - blaue Finger und Lippen sind sichtbare Anzeichen. Durch den Sauerstoffmangel drohen aber auch Organschäden wie Nierenversagen oder Herz-Kreislauf-Kollaps.

URSACHEN Acht Liter frische Luft atmen erwachsene Menschen pro Minute ein. Doch mit jedem Atemzug dringen auch Schmutz, Schadstoffe und Bakterien in das sensible Organ. Dagegen schützt sich die Lunge durch einen Schleimfilm, den die sogenannten Becherzellen absondern. In diesem Sekret verfängt sich der Schmutz, der von kleinen, auf der Bronchialschleimhaut sitzenden Flimmerhärchen, den sogenannten Zilien, abtransportiert wird.

Doch das im Tabakrauch enthaltene Nikotin ist für diese sensiblen Härchen Gift. „Schon mit dem ersten Zug an einer Zigarette werden die Flimmerhärchen acht Stunden lang gelähmt“, sagt Bauer. Nach und nach verkümmern die Zilien und ihre Reinigungsfunktion geht verloren. Lungensekret und eingeatmete Fremdstoffe können nicht mehr abtransportiert werden, sammeln sich im Organ und lösen einen chronischen Entzündungsreiz aus. Die einzige Strategie, die dem Körper nun noch bleibt, um das Sekret aus dem Körper zu befördern, ist, es auszuhusten - die Betroffenen leiden unter einer chronischen Bronchitis. Besonders nachts sammelt sich der Schleim im Organ an - deshalb plagt der Raucherhusten Betroffene besonders morgens nach dem Aufstehen.

Der jahrelang inhalierte Tabakqualm führt zu einer chronischen Entzündung der Bronchien. Die Folge: Nach und nach lösen sich die Zellwände der Lungenbläschen auf. Die für den Gasaustausch so wichtige Ventilfunktion der kleinen Hohlräume geht verloren. Die Betroffenen können verbrauchte Luft nicht mehr vollständig ausatmen. Langsam, aber stetig baut sich dadurch ein Überdruck in den Bläschen auf - die Lunge bläht sich wie ein großer Ballon auf. Im Fachjargon wird das Lungenemphysem genannt. Die überblähte Lunge drückt auf das Zwerchfell. Dadurch verschlechtert sich die Situation der Betroffenen abermals. Denn das Zwerchfell ist ein Muskel, der die Bauchatmung entscheidend unterstützt. Spannt sich der Muskel an, weitet er die Lunge, und Luft strömt ein. Doch bei kranken Menschen drückt die überblähte Lunge auf den Muskel, sodass er sich selbst in der Ruheposition immer mehr dem angespannten Zustand nähert. Der Weg, den der Muskel bei einer Kontraktion zurücklegen kann, wird geringer - und damit auch die Möglichkeit, das Lungenvolumen zum Einatmen auszudehnen. Atemnot ist die Folge. Im schlimmsten Fall reißen die aufgeblähten Lungenbläschen ein - das ist ein medizinischer Notfall.

Tabakkonsum ist die mit großem Abstand wichtigste Ursache für eine Raucherlunge. 90 Prozent aller Betroffenen haben geraucht. Dabei spielt die Anzahl der bisher gerauchten Zigaretten eine wichtige Rolle. „Aber auch geringer Tabakkonsum kann bei einer ungünstigen individuellen Konstitution zur COPD führen“, sagt Bauer. Die Erkrankung kann auch durch Passivrauchen oder schwere Feinstaubbelastungen am Arbeitsplatz - etwa im Bergbau oder bei Schleifarbeiten ohne Atemmaske - hervorgerufen werden. Das nennt sich dann auch Staublunge. Noch seltener erkranken Menschen an COPD aufgrund einer genetischen Veranlagung.

DIAGNOSE Zunächst sprechen Ärzte mit dem Betroffenen über seine Krankengeschichte, erfragen Details zu den Beschwerden und hören die Lunge mit dem Stethoskop ab. Im Anschluss machen die Mediziner meist einen Lungenfunktionstest - eine sogenannte Spirometrie. Dabei testen die Pneumologen genannten Fachärzte das Lungenvolumen und den Atemfluss beim Ein- und Ausatmen. Innerhalb einer Sekunde sollte ein gesunder Mensch mindestens 70 Prozent der eingeatmeten Luft wieder ausstoßen können. Je weiter die COPD vorangeschritten ist, desto schlechter ist die Lungenfunktion. Mediziner unterscheiden vier Stadien der Krankheit: von Grad eins - Atemnot bei körperlicher Anstrengung - bis hin zu Grad vier - unzureichende Sauerstoffzufuhr.

THERAPIE „Mit dem Rauchen aufzuhören ist die wichtigste Therapie“, sagt Torsten Bauer. Deshalb rät der Lungenarzt jedem COPD-Patienten, einen Tabakentwöhnungskurs zu besuchen. Solche Kurse werden von vielen Veranstaltern angeboten. Allerdings halten viele Raucher Entzug und Entwöhnung nicht durch. „Nur 30 Prozent bleiben langfristig abstinent“, sagt er.

Und der Chefarzt hat noch eine schlechte Nachricht: Die Schäden einer Raucherlunge können nicht geheilt werden. „Viele Raucher glauben, sie könnten irgendwann das Rauchen aufgeben und dann würde alles besser werden“, sagt er. Doch die chronische Entzündung der Atemwege bleibt auch nach dem Rauchstopp - sie hat sich längst verselbstständigt. Im besten Falle kann es Arzt und Patient immerhin gelingen, das weitere Voranschreiten der COPD zu verhindern und die Lebensqualität zu steigern.

Zur konservativen Therapie verschreiben Ärzte Medikamente wie bronchien-erweiternde Sprays, um die Atmung zu verbessern, und Sprays, die sehr niedrig dosiertes Kortison enthalten, um Entzündungen der Atemwege zu lindern. Bei einer bakteriellen Entzündung - darauf deutet gelb verfärbter Auswurf hin - verordnen Mediziner auch Antibiotika. Rund die Hälfte der Patienten kann durch diese Therapie die Lungenfunktion und damit die Lebensqualität deutlich verbessern.

Mindestens genauso effizient wie Medikamente sei regelmäßiger Sport. „Durch regelmäßiges Training werden Muskeln besser durchblutet und produzieren weniger Stoffwechselprodukte, die die Atmung belasten.“ Dadurch müssten die Patienten zum Beispiel beim Treppensteigen nicht mehr so schwer atmen.

Bessert sich die chronische Bronchitis nicht, drohen die Atemwege ähnlich einem schweren Asthmaanfall zu verschleimen und zu verkrampfen. Die mitunter unter Luftnot leidenden Patienten müssen dann oft stationär behandelt werden. „Zunächst verabreichen wir einen deutlich höher dosierten Kortisonstoß“, sagt Bauer. Zusätzlich werden Antibiotika verabreicht und Inhalationen verordnet, um die akute Verschlechterung zu lindern.

In schweren Fällen, also meist in einem fortgeschrittenen Stadium, kann auch der Griff zum Skalpell sinnvoll sein. Bei einer überblähten Lunge, dem Lungenemphysem, ist es möglich, entzündetes und aufgeblähtes Gewebe chirurgisch zu entfernen, um dem gesunden Teil der Lunge wieder mehr Raum zu verschaffen. Auf das Zwerchfell drückt dann weniger Lungengewebe und der Patient kann wieder leichter Luft holen. Ohne diesen chirurgischen Eingriff könnten die aufgeblähten Bläschen platzen und so einen lebensgefährlichen Zusammenfall der Lunge, den sogenannten Pneumothorax, hervorrufen.

Alternativ kann die Überblähung auch durch minimalinvasiv in die Bronchien eingesetzte Ventile vermindert werden. Diese sogenannten endobronchialen Ventile lassen die Luft aus dem überblähten Bereich ausströmen und verhindern den Luftzustrom beim Einatmen. „Beide Verfahren kommen aber nur für Patienten infrage, bei denen die Lungenfunktion nicht zu schlecht ist“, sagt Torsten Bauer.

In seltenen Fällen kommt für Betroffene auch eine Lungentransplantation infrage, wie kürzlich bei dem Schlagersänger Roland Kaiser. „Für die meisten Patienten ist eine Transplantation allerdings keine gute Therapieoption“, sagt Bauer. Zum einen sei der körperliche Zustand vieler Patienten zu schlecht, um die nötige Transplantationsoperation und die anschließende Unterdrückung des Immunsystems zu überleben. Zum anderen gebe es zu wenig Organe, denn die Lunge des Spenders müsse zum Empfänger passen.

Bei chronischer Sauerstoffunterversorgung, der sogenannten Zyanose, kann den schwerkranken Patienten nur noch mit einer Sauerstofflangzeittherapie geholfen werden. 16 Stunden pro Tag inhalieren sie das lebensspendende Gas aus einer kleinen Sauerstoffflasche. Um wenigstens etwas mobil zu bleiben, ziehen sie ein kleines Wägelchen hinter sich her, auf dem die Gasflasche montiert ist.

Wie gesagt, die Raucherlunge ist eine der tödlichsten Erkrankungen. Palliativmediziner begleiten schwerstkranke COPD-Patienten in den letzten Wochen und Monaten ihres Lebens, um letzte Qualen zu lindern. „Für diese Zusammenarbeit sind wir und die Patienten sehr dankbar.“

Die Redaktion des Magazins "Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016" hat die Berliner Kliniken, die diese Erkrankung behandeln, verglichen. Dazu wurden die Behandlungszahlen, die Krankenhausempfehlungen der ambulanten Ärzte und die Patientenzufriedenheit in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, um den Patienten die Klinikwahl zu erleichtern. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel Shop.

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