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Gemeinsame Dusche. In Bangkok machen Dutzende Thailänder auf ALS aufmerksam. Prominentester Patient ist der Astrophysiker Stephen Hawking.
© dpa

Spendensammeln für seltene Krankheiten: Mit Eiswasser gegen die Krankheit ALS

Die weltweite „Ice Bucket Challenge“ ist mehr als ein Internet-Hype. Sogar Präsidenten machen mit. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Es wird so viel gespendet wie sonst selten.

Anthony Carbajal trägt ein knallrotes Bikinioberteil, auf seiner pinken Unterhose steht: „Kiss my ALS“. Er räkelt sich auf der Motorhaube seines Autos – bis er mit Eiswasser übergossen wird. So weit, so schräg. Trotzdem ist sein Video nicht einfach eines von vielen, die gerade durch die sozialen Netzwerke geistern.

Der 26-Jährige weiß, wovon er redet, wenn er über die „Ice Bucket Challenge“ zu Spenden für die ALS-Forschung aufruft. „Ich hatte mein Leben lang entsetzliche Angst vor ALS“, sagt er und ringt um Fassung. „Meine Oma starb daran, meine Mutter ist todkrank. Vor fünf Monaten bekam ich die Diagnose.“

Die Abkürzung ALS steht für amyotrophe Lateralsklerose. Ablagerungen schädigen die motorischen Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark der Patienten immer weiter, irgendwann gibt es keine funktionierende Verbindung mehr zwischen Hirn und Muskeln. Der wache Geist ist in einem völlig hilflosen Körper gefangen. Dass der Physiker Stephen Hawking seit Jahrzehnten mit dieser Krankheit lebt, ist die Ausnahme. Die meisten sterben innerhalb von zwei bis fünf Jahren nach den ersten Symptomen.

Anthony Carbajal hat seine Zukunft jeden Tag vor Augen, er pflegt seine Mutter. Wenn er sie aufsetzt, hängt ihr Körper schlaff da. Die Ernährung übernimmt eine Magensonde. Ab und an braucht sie eine Sauerstoffmaske. „So etwas will niemand hören“, sagt Carbajal. „Deshalb bin ich dankbar für diese Aktion. Auch wenn sie einige Menschen irritiert.“ Seine eigenen Hände werden bereits schwach. Manchmal hat er Mühe, sein Hemd zuzuknöpfen. Bald wird er nicht mehr laufen, essen oder sogar selbstständig atmen können. Heilung gibt es nicht. Für die Erforschung seltener Erkrankungen wie ALS fehlt wegen fehlender Profitaussichten das Geld.

Freunde eines Patienten starteten deshalb ein Online-Spiel. Wer sich vor laufender Kamera Eiswasser über den Kopf kippt, darf die drei nächsten Mitspieler nominieren. Sie haben 24 Stunden Zeit, ihre kalte Dusche im Netz zu posten. Herauswinden können sie sich nur mit einer Spende an eine ALS-Organisation.

Viele Prominente machen mit

Das Schneeballsystem erreichte die Moderatorin Oprah Winfrey, Microsoft- Gründer Bill Gates, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush. In Deutschland waren Moderatorin Anne Will, Schauspieler Matthias Schweighöfer, die Vorsitzende des Entwicklungsausschusses Dagmar Wöhrl (CSU) und der FC-Dortmund-Spieler Marco Reus dabei. Nicht nur Prominente kombinieren Spende und Eiseimer. Eine amerikanische Selbsthilfeorganisation sammelte so mehr als 53 Millionen Dollar. Bei der ALS-Ambulanz der Berliner Charité gingen in zwei Wochen rund 250 Spenden ein, auch größere. „Das ist ein dramatischer Unterschied“, sagt der Leiter der Ambulanz, Thomas Meyer. Dabei sind ihm Charity-Aktionen keinesfalls fremd. „Ohne Spenden müssten wir schließen.“

Die Betreuung von ALS-Patienten ist teuer und aufwändig

Nur ein Drittel der Kosten für das zehnköpfige Team aus Neurologen, Ernährungsberatern, Physiotherapeuten, Sozialarbeitern und anderen Experten übernehmen die Krankenkassen. Eine Ambulanz, die rund 800 Schwerkranke aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt nach amerikanischem Vorbild umfassend betreut, sei im Regelwerk des deutschen Gesundheitswesens wie ein Ufo, sagt er.

Dazu kommt die Grundlagen- und Therapieforschung. „Wir beginnen erst, die Molekularbiologie der Krankheit zu verstehen“, sagt Meyer. Besonders stolz ist er auf eine IT-Plattform, die sein Team entwickelt hat. Sowohl der Patient und seine Angehörigen als auch Ärzte, Apotheker und andere Versorger können damit auf die Daten des Kranken zugreifen, den Status von Lieferungen überprüfen, Bewertungen abgeben und den Krankheitsverlauf dokumentieren. „Das erleichtert die alltägliche Logistik“, sagt er.

Die ALS-Ambulanz profitiert nicht nur von der „Ice Bucket Challenge“. Das Team wurde auch selbst herausgefordert. „Das haben wir gern angenommen“, sagt Meyer. Nominiert hat er Hasso Plattner, Peter Maffay und Wladimir Kaminer.

Wer helfen will

Die ALS-Ambulanz der Charité können Sie mit und ohne Eiswasser unterstützen:

Konto der Charité bei der Berliner Sparkasse

IBAN: DE53100500001270005550, BIC: BELADEBEXXX,

Verwendungszweck: „Ice Bucket/ 89751010“

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