Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Patienten mit der Welt verbinden
Niels Birbaumer erforscht, wie vollständig gelähmte ALS-Kranke kommunizieren können. Für seine Forschung erhielt der nun den Eva Luise Köhler Forschungspreis.
Ohne Signale keine Kommunikation. Nur ist uns im Alltag selten bewusst, wie sehr wir dafür bestimmte Körperfunktionen brauchen: Dass es Signale von Nervenzellen an die Muskeln sind, die das Sprechen, das Gestikulieren und das Schreiben möglich machen. Bei der Krankheit ALS (kurz für: Amyotrophe Lateralsklerose) gehen nach und nach die Nervenzellen zugrunde, die die Muskeln steuern. Wer es zuletzt nicht mehr schafft, mithilfe von Augenbewegungen einen Rechner zu bedienen, dem droht eine völlige Eingeschlossenheit. Kein Weg führt mehr nach draußen, zu den anderen.
Niels Birbaumer vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Uni Tübingen wurde nun dafür geehrt, dass er nach neuen Verbindungen zur Außenwelt für ALS-Patienten sucht. Der Psychologe nahm den mit 50 000 Euro dotierten Eva Luise Köhler Forschungspreis, der in Zusammenarbeit mit der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) verliehen wird, in Anwesenheit von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Alt-Bundespräsident Horst Köhler entgegen. Die Gesellschaft müsse für Menschen mit „verwaisten“ Krankheiten ausgleichend tätig werden. Schon der Weg zur Diagnose gleiche oft einer Odyssee, betonte Charité-Dekanin Annette Grüters-Kieslich, Kinderärztin und Vorstandsvorsitzende der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung.
ALS gehört mit drei bis acht Betroffenen unter 100 000 Bürgern zu den seltenen Erkrankungen, auch wenn sie in den Medien durch den 2007 verstorbenen Künstler Jörg Immendorff und den Physiker Stephen Hawking eher beachtet wird als viele erbliche Stoffwechselstörungen. Weil ihr Verlauf unaufhaltsam ist, ist ALS besonders tragisch. „Drei bis vier Menschen sterben jeden Tag an den Folgen“, sagte der Charité-Experte Thomas Meyer. Die Patienten nutzten die sonst oft geschmähte „Apparatemedizin“, darunter künstliche Ernährung und Beatmung, um selbstbestimmt am Leben teilzuhaben.
„Wenn die Betroffenen kommunizieren können, ist die Lebensqualität hoch“, beteuerte Birbaumer. Mit einem „kombinierten Gehirn-Maschine-Interface“, einer Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer, will seine Arbeitsgruppe selbst vollständig gelähmten ALS-Patienten dazu verhelfen. Das System registriert nicht nur die elektrische Aktivität, sondern per Infrarotlicht auch Veränderungen des Blutflusses in bestimmten Gehirnarealen. Die Betroffenen müssen trainieren, beides so zu steuern, dass aus den elektrischen Veränderungen und denen des Hirnstoffwechsels Ja- oder Nein-Antworten ablesbar sind. Die Möglichkeiten reichen von einfacher Zustimmung oder Ablehnung bis zum mühsamen Zusammensetzen von Wörtern und Sätzen aus Buchstaben, die durch ein „Ja“ ausgewählt wurden. Im Extremfall müssen die Elektroden ins Gehirn eingepflanzt werden, um Signale zu bekommen.
Mit dem Preisgeld wollen die Forscher die Zahl der richtig verstandenen Antworten erhöhen. „Wir hoffen, dass wir in den nächsten Jahren bei hundert Prozent ankommen“, sagte Birbaumer. Er sei allmählich zum Techniker geworden, aber auch zum „Miterleber“ von Patientenschicksalen.
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