Nach Ski-Unfall in Méribel: Michael Schumacher erneut operiert
Die behandelnden Ärzte in Grenoble teilten mit, dass Michael Schumacher erneut operiert worden sei, sich jedoch noch nicht "außer Gefahr" befindet. Mit der Entfernung eines Hämatoms habe man Zeit gewonnen, sagte die Leiterin der Klinik Jacqueline Hubert.
Der Gesundheitszustand des schwer verunglückten ehemaligen Formel-1-Weltmeisters Michael Schumacher hat sich leicht verbessert. Dennoch befindet sich der 44-Jährige weiterhin in einer kritischen Verfassung. Nach einer erneuten Kopfoperation ist die Gesamtsituation aber zumindest „etwas besser unter Kontrolle“, wie die Ärzte im Klinikum Grenoble am Dienstagvormittag mitteilten.
Schumacher ist aber auch nach dem rund zweistündigen Eingriff, bei dem ein Hämatom im Gehirn entfernt wurde, nicht außer Lebensgefahr.
Er befindet sich weiterhin im künstlichen Koma. Man könne aber von einer Stabilisierung des Gesamtzustandes sprechen, erklärten die Ärzte bei einer Pressekonferenz. „Die Situation ist jetzt unter besserer Kontrolle als gestern, wir können aber nicht sagen, dass er außer Gefahr ist“, betonte der Chef der Anästhesie-Abteilung, Jean-François Payen. „Wir haben mehr Zeit gewonnen. Die kommenden Stunden sind aber von entscheidender Bedeutung“, bekräftigte der Mediziner. „Wir arbeiten uns Stunde für Stunde voran.“ Es gebe Phasen der Stabilität, dann aber auch wieder Veränderungen. Schumacher hat immer noch weit verbreitet Blutgerinnsel im Gehirn.
Es sei wirklich nicht der Zeitpunkt, um Vorhersagen zu treffen. Die anderen Hämatome seien unter anderem schwer zugänglicher als das, welches bei der zweiten Operation entfernt wurde.
Innendruck im Schädel konnte gemindert werden
Der Innendruck in Schumachers Schädel konnte durch den Eingriff gegen 22.00 Uhr am Montagabend aber gemindert werden. Dass Schumachers Zustand sich so entwickelt hatte, dass die Operation möglich wurde, hatte die Ärzte nach eigener Aussage selbst überrascht. Es hatte ein Überdruck im Schädel vorgelegen, der größte Besorgnis ausgelöst hatte, erklärte Payen.
Ein Scan habe aber gezeigt, dass ein Eingriff möglich sei. Nach Absprache mit den behandelnden Ärzten und der Familie von Schumacher - neben Frau Corinna mit den beiden Kindern sind auch Bruder Ralf und Vater Rolf vor Ort - nahmen die Mediziner diesen umgehend vor. Dabei wurde ein Bluterguss in der linken Hirnseite entfernt.
„Wir müssen realistisch sein. Die ganze Familie ist sich im Klaren darüber, dass die Situation kritisch ist“, betonte Professor Gérard Saillant, der als Freund mit nach Grenoble gereist ist. Er kennt Schumacher seit vielen und behandelte den siebenmaligen Weltmeister nach dessen schwerem Rennunfall 1999 in Silverstone.
Was ist passiert?
Der lebensgefährliche Unfall auf Skiern passierte am Sonntagvormittag im Skigebiet Méribel. Schumacher war gestürzt und abseits der markierten Pisten mit dem Kopf auf einen Felsen geprallt. Sein Helm soll Medienberichten zufolge dabei kaputt gegangen sein. Das konnten die Ärzte aber nicht bestätigen.
Schumacher war unmittelbar nach dem Unfall ansprechbar, aber verwirrt. Er wurde letztlich in die renommierte Traumatologische Abteilung des Universitätskrankenhauses von Grenoble gebracht. Weil sich der Zustand des Kerpeners verschlechtert hatte, wurde Schumacher dort umgehend notoperiert. Wie dramatisch die Situation vor allem am Montag noch war, wurde bei der Pressekonferenz am Dienstag deutlich.
„Wir sind etwas weniger besorgt als gestern“, meinte Saillant. „Wir wollen diese Schlacht gewinnen.“
Die Familie des schwer verunglückten siebenfachen Weltmeisters steht unter Schock. „Der Familie geht es natürlich nicht sehr gut“, sagte Managerin Sabine Kehm Reportern in Grenoble. „Sie sind geschockt.“ Sowohl Gattin Corinna als auch die beiden Kinder sind seit Sonntag ebenfalls in dem ehemaligen Olympia-Ort.
Die Anteilnahme für Schumacher reißt derweil nicht ab. Auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton ist mit seinen Gedanken bei ihm. „Denke heute an Michael Schumacher und bin dankbar, für alles, was er für die Clinton Foundation und andere gemacht hat“, schrieb Clinton im Kurznachrichtendienst Twitter. Fans und Journalisten harrten vor dem Krankenhaus im französischen Grenoble aus, in das der Ex-Formel-1-Fahrer gebracht worden war.
Wie schlimm sind die Verletzungen?
Nachdem er mit dem Kopf gegen einen Fels geprallt war, schwebt Schumacher wegen einer schweren Schädel-Hirn-Verletzung in Lebensgefahr. Sein Zustand sei „außerordentlich ernst“, sagten seine behandelnden Ärzte am Montag in Grenoble. „Jemand ohne Helm hätte diesen Unfall sicher nicht überlebt“, sagte Jean-Francois Payen, Chef-Anästhesist der Grenobler Universitätsklinik, in die der 44-jährige Schumacher am Sonntag eingeliefert worden war.
Schumacher habe bei dem Aufprall Hirnblutungen und Prellungen davongetragen. Er sei operiert worden, um das Hirn zu entlasten, und zudem in ein künstliches Koma versetzt worden. Außerdem wurde seine Körpertemperatur auf 34 bis 35 Grad heruntergekühlt. Diese künstliche Unterkühlung, Hypothermie genannt, soll ebenso wie die Entlastungsoperation und das künstliche Koma den Hirndruck senken. Auch Infusionen mit Salzlösung, die dem Gehirn Flüssigkeit entziehen, können. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung zerbrach Schumachers Helm beim Aufprall. Eine offizielle Bestätigung gab es dazu nicht.
Was ist ein Schädel-Hirn-Trauma und welche Folgen kann es haben?
Der erhöhte Hirndruck ist das wesentliche Problem bei einem Schädel-Hirn- Trauma. Das empfindliche Gehirn wird durch die knöcherne Schädeldecke vor Verletzungen geschützt. Kommt es allerdings zu einer Blutung im Bereich des Gehirns, wird aus dem Schutz eine Falle. Das Gehirn kann nicht ausweichen, wird durch das austretende Blut zusammengequetscht und schwillt zudem verletzungsbedingt an. Das lässt den Hirndruck immer weiter ansteigen. Akute Lebensgefahr besteht, wenn Teile des Hirnstamms im Hinterhauptsloch eingeklemmt werden. Durch das Hinterhauptsloch sind Gehirn und Rückenmark verbunden.
Schumacher war kurz nach dem Sturz noch bei Bewusstsein, berichtete der Neurochirurg Stephan Chabardes. Er habe aber nicht auf Fragen geantwortet und fahrig reagiert. Danach habe sich sein Zustand verschlechtert. Dieser Ablauf ist typisch für das, was Neurochirurgen die „zweite Verletzung“ nennen. Der steigende Hirndruck führt zu schweren Folgeerscheinungen nach dem Unfall, der „ersten Verletzung“. Von einem „Todeskreislauf“ spricht der Neurochirurg Peter Vajkoczy, Klinikdirektor an der Berliner Charité. Einblutungen und Hirnschwellung erschweren die Durchblutung des Gehirns. Das führt zu weiteren Schäden im Hirngewebe, was wiederum die Durchblutung weiter erschwert.
Eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung endet bei 20 bis 40 Prozent der Patienten tödlich. Wer überlebt, trägt meist bleibende Schäden davon. So führen Hirnverletzungen im Bereich des Stirnhirns häufig zu dauerhaften Wesensänderungen und auffälligem, enthemmten Verhalten. Andererseits kann eine intensive Rehabilitation etwa bei Lähmungen oder Sprachstörungen deutliche Erfolge erzielen, berichtet der Neurologe Paul Sparenberg vom Unfallkrankenhaus Berlin. „Es ist überraschend, welche Fortschritte man immer wieder erlebt“, sagt er.
Wie gefährlich ist Skifahren?
„Skifahren ist ein sehr gefährlicher Sport“, sagt Thomas Wessinghage, der als Chefarzt an der Klinik Bad Wiessee arbeitet und die deutsche Ski-Alpin-Nationalmannschaft betreut. „In der Bewegung wird man mit vielen nicht kontrollierbaren Einflüssen konfrontiert.“ Unwägbare Pisten, sich ändernde Wetterverhältnisse, verborgene Eisflächen. Ohne Helm, raten Ärzte, sollte niemand Ski fahren.
Nach Angaben der Auswertungsstelle für Skiunfälle in Düsseldorf verletzen sich von den etwa 4,2 Millionen deutschen Skifahrern jährlich zwischen 43 000 und 45 000. Oft gehen Stürze oder Kollisionen glimpflich aus. Die häufigsten Verletzungen treten am Knie auf, aber auch Schulterverletzungen und Brüche kommen oft vor. Der Anteil der Kopfverletzungen beträgt ungefähr zehn Prozent.
Wer im Tiefschnee fährt, für den sind die Gefahren noch größer, denn hier gibt es noch mehr unkontrollierbare Faktoren. Lawinen können ausgelöst werden, außerdem sind markante Hindernisse nicht markiert und so für den Skifahrer oft nicht sichtbar.
Schumacher befand sich offenbar auf der Gabelung zwischen zwei Pisten, abseits der markierten Hänge. Nach Einschätzung der Ärzte muss er mit hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein. Nach ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft verlor der von seinem 14-jährigen Sohn begleitete Schumacher das Gleichgewicht, als er über einen Felsen fuhr und stürzte.