Childhood Index: Kinderarbeit und Zwangsehen deutlich zurückgegangen
Jedes vierte Kind wird seiner Kindheit beraubt, berichtet die Organisation Save the Children. Doch in fast allen Ländern der Welt verbessert sich die Situation
Rizwana war 15 Jahre alt, als ihr Onkel und ihre Mutter sie zwangsverheiraten wollten. Der Mann sei deutlich älter als sie gewesen, wohlhabend, eine günstige Gelegenheit für die in Armut lebende Familie aus Mumbai in Indien. Aus Protest habe das Mädchen tagelang nichts gegessen, nicht gesprochen. So erzählt es Rizwana in einem Interview mit Save the Children.
Die Hilfsorganisation berichtet in ihrem aktuellen „Childhood Index“ über die Lebensbedingungen von Kindern auf der Welt. Daraus geht hervor, dass jedes vierte Kind auf der Erde „seiner Kindheit beraubt“ wird. Zu den Indikatoren dafür gehören mangelnder Zugang zu Bildung, frühe Schwangerschaften und Ehen, Mangelernährung, gesundheitliche Belastungen sowie gewaltsame Tode.
Doch die Situation habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Um 280 Millionen sei die Zahl der betroffenen Jungen und Mädchen auf 690 Millionen zurückgegangen – und das fast flächendeckend. In 173 der 176 ausgewerteten Länder würden Kinder heute unter besseren Bedingungen leben als noch zu Beginn des Jahrtausends. 2017 lag die Zahl verheirateter Mädchen weltweit bei 37 Millionen und damit um elf Millionen niedriger als im Vergleichsjahr 2000. Parallel sank die Zahl der Kinderarbeiter von 246 Millionen auf 152 Millionen. Lediglich in Syrien, Venezuela sowie Trinidad und Tobago habe sich das Leben für Kinder verschlechtert.
Deutschland liegt im Ranking auf Platz sechs
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland hinter Slowenien auf Platz sechs. Den ersten Platz belegt Singapur vor Schweden, Finnland und Norwegen. Schlusslichter sind Niger, Tschad und die Zentralafrikanische Republik. Indien liegt auf Platz 113, wird von Save the Children jedoch als Erfolgsgeschichte hervorgehoben. Das Land habe „durch Gesetzesreformen, Bildungs- und Förderprogramme für Mädchen sowie Aufklärungskampagnen die Anzahl von Kinderehen deutlich senken“ können.
Das zeigt sich auch bei den Schwangerschaften unter Teenagern, die um 63 Prozent zurückgegangen sind. „Die größten Fortschritte lassen sich in einigen der ärmsten Länder der Welt beobachten.“ Niger habe trotz seiner schlechten Position im Ranking „relativ gesehen die größten Fortschritte von allen Ländern des Index gemacht“, teilte die Organisation mit. In dem westafrikanischen Land sei die Kindersterblichkeitsrate der unter Fünfjährigen um 62 Prozent gesunken.
Diesen positiven Trends stehe die zunehmende Vertreibung von Menschen durch Konflikte entgegen. Heute befänden sich 30,5 Millionen mehr Menschen auf der Flucht als noch im Jahr 2000. Es sei der einzige negative Faktor, der zugenommen habe. 2017 hätten 420 Millionen Kinder in Konfliktregionen gelebt. „Das Phänomen der ‚geraubten Kindheit‘ konzentriert sich zunehmend in den Konfliktgebieten der Welt“, urteilen die Autoren des Berichts. Wie eine Person seine Kindheit erlebe, hänge weitgehend davon ab, in welchem Maße sie Schutz erfahre. Wenn jemandem die Kindheit genommen werde, liege das häufig an „Entscheidungen, die bestimmte Gruppen entweder ganz bewusst oder fahrlässig ausgrenzen“.
Ende der Armut
Susanna Krüger, Vorstandsvorsitzende von Save the Children, betonte trotz der positiven Entwicklungen: „Regierungen dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn Kinder arbeiten müssen, durch behandelbare Krankheiten wie Lungenentzündung sterben oder Mädchen schwanger werden.“ Die Hilfsorganisation mahnte, die Ziele für nachhaltige Entwicklungen der Vereinten Nationen einzuhalten. Diese sehen vor, Armut bis 2030 zu beenden.
Der mittlerweile 17-jährigen Rizwana aus Mumbai blieb die Zwangsehe doch noch erspart. Nach langen Diskussionen mit ihrer Mutter entschied diese sich dafür, ihre Tochter wieder auf eine Schule zu schicken. Mittlerweile ist Rizwana Kinderbotschafterin für Mädchen in Indien.
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