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Papst Franziskus
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Papst Franziskus gegen Ausgrenzung von Homosexuellen: Kehrtwende in der katholischen Kirche?

Das Oberhaupt der Katholiken, Papst Franziskus, stellt sich öffentlich gegen die Ausgrenzung von Homosexuellen. Ändert sich damit die Haltung der Kirche?

Auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Brasilien nach Rom hat sich Papst Franziskus vor Journalisten gegen die Ausgrenzung von Homosexuellen ausgesprochen. Beobachter werten dies als Zeichen einer neuen Offenheit.

Was hat der Papst genau gesagt?

Journalisten hatten Papst Franziskus nach einer sogenannten Schwulen-Lobby im Vatikan gefragt, über deren Existenz viel gemunkelt wurde im Zusammenhang mit der Vatileaks-Affäre. Franziskus hatte im Juni in einem internen Gespräch mit Ordensvertretern selbst über die Existenz einer solchen Lobby geklagt. Wenn Homosexuelle aus ihrer Sexualität eine Lobby machen würden, sei das „nicht in Ordnung, weil Lobbys nicht in Ordnung sind“, sagte er jetzt im Flugzeug. Allerdings habe er noch keinen Ausweis im Vatikan gefunden, auf dem stehe, dass der Inhaber homosexuell sei.

Entscheidend ist Franziskus’ rhetorische Frage: „Wenn eine Person homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, um über ihn zu richten?“ Im Übrigen gehe aus dem Katechismus der katholischen Kirche klar hervor, dass diese Menschen nicht an den Rand gedrängt werden dürften, sondern im Gegenteil in die Gesellschaft integriert werden müssten. „Inhaltlich hat der Papst damit nichts Neues gesagt“, sagte Klaus Jetz, der Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland. „Aber der Ton ist ein anderer.“

Hat Franziskus damit einen Kurswechsel in der katholischen Kirche eingeleitet?

Nein. Denn im Katechismus steht auch, dass praktizierte Homosexualität Sünde ist. Nach der Erklärung der Glaubenskongregation „Persona Humana“ von 1975, auf das sich der Katechismus bezieht, sind „homosexuelle Handlungen in sich nicht in Ordnung“, weil sie gegen das „natürliche Gesetz“ verstießen, da die Weitergabe des Lebens beim Geschlechtsakt ausgeschlossen bleibe. Sie seien „in keinem Fall zu billigen“. Auf die Frage der Journalisten, wie er praktizierte Homosexualität beurteile, ging Franziskus nicht ein.

Da ist der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki vor einem Jahr schon weiter gegangen, als er beim Katholikentag in Mannheim sagte, dass homosexuelle Partnerschaften, wenn sie auf Treue und Verantwortung basierten, „ähnlich zu bewerten“ seien wie heterosexuelle Partnerschaften. In einem Interview mit der „Zeit“ legte er später noch einmal nach und sagte, dass man „homosexuelle Beziehungen nicht ausschließlich als ,Verstoß gegen das natürliche Gesetz‘“ sehen dürfe, wie es der Katechismus formuliere.

Benedikt ließ keine Gelegenheit aus, die Homo-Ehe zu geißeln

Papst Franziskus spricht im Flugzeug mit Journalisten.
Papst Franziskus spricht im Flugzeug mit Journalisten.
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Gibt es einen Unterschied zur Bewertung der Homosexualität durch die früheren Päpste?

Nicht im Inhalt, aber wohl im Ton. Auch Johannes Paul II. hatte darauf hingewiesen, dass die Kirche Menschen zur Seite stehen müsse, die wegen ihrer Sexualität verfolgt würden. Doch als Bischöfe in Afrika die homophobe Stimmung in ihren Ländern noch anheizten, indem sie immer wieder darauf hinwiesen, dass praktizierte Homosexualität Sünde sei, schritt weder Johannes Paul II. dagegen ein noch sein Nachfolger Benedikt XVI. Benedikt ließ keine Gelegenheit aus, um die Homo-Ehe zu geißeln und Homosexualität als „widernatürlich“ zu bezeichnen und als Teil der „Selbstzerstörung des Menschen“.

Unter der Führung von Joseph Ratzinger schrieb die Glaubenskongregation 1992 nicht nur, dass homosexuelle Partnerschaften gesetzlich keinesfalls der Ehe von Mann und Frau angeglichen werden dürften, sondern auch, dass der Staat durchaus „das Recht auf Arbeit, auf Wohnung“ für Homosexuelle einschränken dürfe. Schließlich stehe „das Allgemeinwohl auf dem Spiel“. Unter seinem Pontifikat schloss die vatikanische Bildungskongregation (2005) alle jene Männer pauschal vom Priester- und Diakonentum aus, „die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte homosexuelle Kultur unterstützen“.

Dass Franziskus sich einer expliziten Bewertung enthält, ist eine Entschärfung und deutet auf einen weniger ressentimentgeladenen Umgang mit dem Thema hin. Fürs Erste gilt folgende Faustregel: Wer als Schwuler in der Kirche keine „Lobbyarbeit“ für seine sexuelle Orientierung betreibt, der darf sich sicher fühlen. Genauso die Verantwortlichen in den kirchlichen Ausbildungsstätten, die stillschweigend den vatikanischen Erlass von 2005 ignorieren und die Priesteramtskandidaten nach ihrer Gesamtperson und nicht nach ihrer sexuellen Orientierung beurteilen – oder nach Letzterem lieber gar nicht fragen. Kurz: Am besten redet man nicht drüber. Doch damit kehrt die Kirche auch zurück zur traditionellen Wurzel vieler ihrer Übel.

Der Jesuit Klaus Mertes, der sich viel mit dem Thema sexueller Missbrauch in der Kirche auseinandergesetzt hat, verweist immer wieder darauf, dass das vom kirchlichen System praktisch erzwungene Schweigen und Verleugnen verhindere, dass Priester ein „reifes Verhältnis“ zur eigenen Sexualität ausbilden können – mit allen inneren und äußeren Konflikten, die im Lauf eines Lebens daraus entstehen können. Und auch mit der Folge der Erpressbarkeit und der Bildung „subkultureller homosexueller Netzwerke im katholischen Klerus“.

Worauf gründet die katholische Kirche ihre Haltung zur Homosexualität?

Auf die Bibel, in der Homosexualität allerdings nur an sehr wenigen Stellen thematisiert wird, aber mit deutlicher Ablehnung. So geißelt Paulus in einem Brief an die Römer das „verirrte“ Treiben von Frauen, die „den natürlichen Verkehr in den unnatürlichen verwandelt haben“. Auch die Männer hätten „den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen, sind in ihrer Begierde zueinander entbrannt, indem die Männer mit Männern Schande trieben“. Im Korintherbrief werden die „Knabenschänder“ verurteilt, die niemals ins Reich Gottes kommen könnten.

Claudia Keller, Paul Kreiner

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