zum Hauptinhalt
Carabinieri haben mehrere Mafiamitglieder festgenommen.
© dpa

Großer Mafiaprozess in Italien: Jetzt geht es auch der Großbank Unicredit an den weißen Kragen

In Italien beginnt ein Mammutprozess gegen die organisierte Kriminalität. Die Großbank Unicredit gerät ins Visier der Staatsanwaltschaft.

In Italien hat am Mittwoch der größte Prozesse gegen die Mafia seit Jahrzehnten begonnen. Aber nicht in Palermo, dem Heimatland der „Cosa Nostra“, nicht in Neapel, wo die schießwütigen jungen Erben der Camorra-Bosse Angst und Schrecken verbreiten, und auch nicht in Kalabrien, wo die ’Ndrangheta zu Hause ist, die man in Deutschland seit dem Sechsfachmord von Duisburg im August 2007 kennt. Nein, die knapp 250 Angeklagten von heute stehen im theoretisch mafia-fernen italienischen Norden vor Gericht, in der Universitäts- und Industriemetropole Bologna, und die Justiz musste dort eigens eine Messehalle mieten, weil ihre eigenen Räume für einen solchen Auflauf nicht vorgesehen waren. Die Halle ist sogar für Journalisten abgeriegelt – bei neun Angeklagten hielt man selbst die Käfige im Saal nicht für ausbruchsfest genug: Diese Männer werden nur per Video zugeschaltet.

Angeklagt sind, tja, völlig unverdächtige Leute. Keine Killer, sondern Unternehmer, solche mit dem berühmten weißen Kragen. Und Politiker. Und Journalisten. Sogar einige Polizisten. Alle sollen mitgeknüpft haben an einem großen kriminellen Netz zur gewinnbringenden Erlangung öffentlicher Aufträge, teils auch mit Wahlfälschung in den jeweiligen Gemeinden. Konkret geht es um den Wiederaufbau nach den beiden Erdbeben vom Mai 2012, bei denen zahlreiche Orte nördlich von Bologna und noch mehr Industrieanlagen zerstört wurden. Ferngesteuert wurden die Operationen von einem ’Ndrangheta-Clan aus dem kalabrischen Crotone; und auch in diesem Falle unterhielt mindestens einer der Angeklagten ein Restaurant in Deutschland: in Augsburg, wo der 52-Jährige auch verhaftet wurde.

Jetzt geht es dem Finanzkapital an den Kragen

Die Unternehmer sollen die Gemeinden unterwandert und ein System von scheinlegalen Firmen aufgezogen haben. Journalisten, die Wind davon bekamen, wurden bedroht – und andere wurden benutzt: Willig drehten und verbreiteten sie Fernsehinterviews für Lokalsender, in denen sich die Hauptfiguren des Geschäfts mit den besten Projekten für den zügigen Wiederaufbau in Szene setzten.

Dieser Tage ist auch noch eine der größten Banken Italiens unter Mafia-Verdacht geraten. Die Mailänder Unicredit, zu der die deutsche Hypo-Vereinsbank gehört, soll einem mafianahen sizilianischen Bauunternehmer geholfen haben, seine Schulden von 60 Millionen Euro kostensparend „umzustrukturieren“. So jedenfalls behauptet es die Staatsanwaltschaft in Florenz, und aus der Mailänder Unicredit-Zentrale, so wollen informierte Kreise wissen, fliegen demnächst drei führende Manager, auch wenn die Bank versichert, sie habe „keinerlei Unregelmäßigkeiten“ festgestellt.

Hauptbeschuldigter ist der Unicredit-Vizepräsident Fabrizio Palenzona, der Italiens alten Partei- und Finanzklüngel verkörpert. An ihn soll sich der Baulöwe Andrea Bulgarella gewandt haben. Bulgarella stammt aus Trapani, genau wie Matteo Messina Denaro, der heute als oberster Boss der „Cosa Nostra“ gilt. Was genau der Unternehmer mit dem Boss zu schaffen hat, ist nicht bekannt. Ihn selbst hat niemand verhaftet. Und womöglich sind die Vorwürfe gegen Unicredit auch nur ein Störmanöver kurz vor der Verkündung eines neuen Generalplans für das Geldinstitut, der den Gerüchten nach auch einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen mit sich bringt.

Zur Startseite