Schiffsunglück vor fünf Jahren: Italiens Trauma nach der Havarie der Costa Concordia
Vor fünf Jahren havarierte die Costa Concordia vor der italienischen Insel Giglio. Das Land leidet bis heute unter dem Unglück – auch weil der Kapitän Schettino noch immer nicht in Haft ist.
An diesem Freitag wird Giglios Bürgermeister Sergio Ortelli an der Gedenktafel auf der Hafenmauer einen Blumenstrauß niederlegen. Auf der Tafel sind die Namen aller 32 Opfer eingraviert, die bei der Havarie vom 13. Januar 2012 ums Leben kamen. Einen weiteren Blumenkranz werden einheimische Fischer in das Meer vor dem Hafeneingang werfen – dort, wo die Costa Concordia vor fünf Jahren gestrandet war. „Für die Insel Giglio ist die Concordia-Tragödie eine Wunde, die nie heilen wird“, sagt Bürgermeister Ortelli. Der 13. Januar ist vom Gemeinderat Giglios im vergangenen Jahr zu einem offiziellen Gedenktag erhoben worden, der nun jedes Jahr begangen werden soll.
Die Costa Concordia selber wird in wenigen Wochen nur noch eine schmerzliche Erinnerung sein. Nachdem das 290 Meter lange und 36 Meter breite Riesenschiff in einer aufwendigen Bergungsaktion wieder aufgerichtet und im Juli 2014 nach Genua abgeschleppt worden war, ist es im Hafen von Genua vom Consorzio Ship Recycling beinahe restlos ausgeweidet, zersägt, zerlegt, eingeschmolzen und verschrottet worden. „Die Abwrackung der Costa Concordia ist das bedeutendste Projekt dieser Art, das in Italien und vielleicht sogar in der Welt je durchgeführt wurde“, sagt Ferdinando Garré, Chef des Consorzio Ship Recycling, das die Verschrottung übernommen hat.
104 Millionen Dollar zahlt die US-Kreuzfahrt-Gesellschaft Carnival, zu der die Reederei der Costa Concordia gehört, für die Verschrottungsarbeiten an das private Konsortium. Hinzu kommen die Erlöse aus dem Recycling: Laut Garré können 100 Prozent des beim Bau der Costa Concordia verwendeten Stahls wiederverwertet werden – also rund 50 000 Tonnen. Das hat zu weiteren Einnahmen von etwa 15 Millionen Dollar geführt. Vom übrigen Material konnten ebenfalls etwa 80 Prozent wiederverwendet werden. Bis Ende Februar wird das letzte Stück Eisen der Costa Concordia ins Stahlwerk gehen – und dann wird außer der Gedenktafel an der Hafenmauer von Giglio nichts mehr an das schlimmste Passagierschiff-Unglück der jüngeren italienischen Geschichte erinnern.
Francesco Schettino steuerte das Schiff in der Unglücksnacht
Kapitän Francesco Schettino hatte sein Schiff, auf dem sich 4229 Personen befanden, in der sternenklaren Nacht des 13. Dezembers 2012 mit großer Geschwindigkeit viel zu nahe an die Insel Giglio gesteuert. Die Costa Concordia kollidierte mit einer Klippe, die den Rumpf auf einer Länge von 70 Metern aufriss.
Statt umgehend die Evakuierung anzuordnen, verbreitete der Kapitän zunächst Beschwichtigungen – um dann unabsichtlich in ein Rettungsboot zu fallen, wie er dem Gericht weismachen wollte. Wäre das manövrierunfähige Schiff, statt im untiefen Wasser vor der Hafeneinfahrt zu stranden, auch nur wenige Dutzend Meter aufs offene Meer hinausgetrieben, dann wäre es untergegangen. Und mit großer Wahrscheinlichkeit wären deutlich mehr Menschen ums Leben gekommen.
Unglückskapitän Schettino – von den italienischen Medien auch „Kapitän Feigling“ genannt – ist im Februar 2015 wegen Schiffbruchs, fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe von 16 Jahren verurteilt worden. Außerdem verfügte das Gericht für ihn und die Reederei Costa Crociere zum Teil hohe Schadenersatzzahlungen an Zivilparteien. Ende Mai 2016 ist das Urteil vom Berufungsgericht in Florenz bestätigt worden. Dennoch befindet sich Schettino nach wie vor auf freiem Fuß: Die Verteidiger des Kapitäns haben das Urteil an den Römer Kassationshof weitergezogen, der in letzter Instanz über die Havarie der Costa Concordia entscheiden wird.
Der Schiffbruch der Costa Concordia verursachte nicht nur Schmerz und Leid für die Angehörigen – für die Italiener bedeutete das Unglück eine internationale Schmach. Der schneeweiße Luxusdampfer, der nach der Havarie während zweieinhalb Jahren wie ein gestrandeter Wal vor Giglio lag, war zum Sinnbild des Scheiterns eines ganzen Landes geworden.
Wie der damalige Premier Silvio Berlusconi verkörperte Kapitän Schettino das Negativ-Klischee des verantwortungslosen italienischen Großmauls und Gigolos, der nie etwas auf die Reihe bekommt, aber immer für alles eine Ausrede hat. Fünf Jahre nach der Havarie sind das Schiff, der Kapitän und der Ex-Premier zwar weitgehend von der Bildfläche verschwunden – aber das Unglück ist ein nationales Trauma geblieben.