Nach Brückeneinsturz in Genua: Italien droht mit Verstaatlichung von Autobahnen
Die italienische Regierung macht den Autobahnbetreiber für den Brückeneinsturz verantwortlich. Er hätte mehr in Sicherheit investieren sollen. Diese Aufgabe müsse im Zweifelsfall der Staat übernehmen.
Nach dem Brückeneinsturz in Genua hat Italiens Vize-Ministerpräsident Luigi di Maio mit einer Verstaatlichung der Autobahnen gedroht. Wenn die Betreiber der Autobahnen nicht in der Lage seien, ihre Aufgabe richtig zu erfüllen, dann müsse der Staat die Autobahnen übernehmen, sagte di Maio am Donnerstag im Rundfunk. Die Betreiber der Autobahnen hätten mehr in die Sicherheit investieren sollen als sich über die Dividenden Gedanken zu machen, sagte di Maio.
Rom macht Autostrade per l'Italia für das Unglück verantwortlich und wirft dem Privatunternehmen mangelhafte Wartungsarbeiten vor. Die Firma betreibt die A10, zu der die eingestürzte Brücke gehört. Die Regierung drohte dem Unternehmen mit dem Entzug der Lizenz sowie hohen Strafzahlungen. Ministerpräsident Giuseppe Conte bestätigte am Mittwochabend, dass die Regierung die Auflösung des Vertrags überprüfe.
Autostrade per l'Italia wies die Vorwürfe zurück. Die Brücke sei vorschriftsmäßig vierteljährlich überprüft worden. Außerdem seien zusätzliche Tests mittels hochspezieller Geräte erfolgt. Die Regierung habe mit dem Lizenzentzug gedroht, "ohne dass es irgendeine Überprüfung der Unglücksursache" gegeben habe. Der Konzern warnte, angesichts des noch bis zum Jahr 2038 laufenden Vertrags könnten der Regierung hohe Ausgleichszahlungen drohen.
Rettungskräfte suchen weiter nach Verschütteten
Am Unglücksort geht indessen der Rettungseinsatz weiter. Unterstützt durch Bagger und Kräne suchen die Rettungskräfte weiter nach Verschütteten in den Trümmern der eingestürzten Autobahnbrücke. Bis Donnerstagmorgen wurden keine weiteren Opfer entdeckt: "Wir suchen immer noch nach Hohlräumen, in denen Menschen sein könnten - lebendig oder nicht", sagte Feuerwehrsprecher Emanuele Gissi. "Letzte Nacht hatten wir kein Glück, wir haben niemanden gefunden."
Der Polizei liegen noch mehrere Vermisstenmeldungen vor. Die Regierung korrigierte die Zahl der Todesopfer von 39 auf 38. Spezialisten arbeiteten daran, die Trümmer in große Betonblöcke zu zerschneiden und mit Kränen abzutragen, um Spürhunde in den Schutt schicken zu können. Die Arbeit sei sehr gefährlich, da die Trümmer und auch der noch stehende Rest der Autobahnbrücke instabil seien, betonte Feuerwehrsprecher Gissi.
Auf dem stehen gebliebenen Rest der Brücke stand am Donnerstagmorgen weiterhin der inzwischen durch Fotos berühmt gewordene grüne Lkw kurz vor dem Abgrund - mit immer noch laufendem Motor. Sein Fahrer war nach dem Unglück in Panik aus dem Laster gesprungen und davongerannt, ohne den Motor auszustellen. Auch die Scheibenwischer liefen weiterhin, weil es zum Zeitpunkt des Brückeneinsturzes geregnet hatte. Nach Angaben der Spedition hat der Lkw genug getankt, um noch tagelang laufen zu können.
Die vierspurige Morandi-Brücke im Westen von Genua war am Dienstag auf einer Länge von mehr als 200 Metern eingestürzt. Lastwagen und Autos stürzten rund 45 Meter in die Tiefe und wurden teils unter Betontrümmern begraben. Die italienische Regierung verhängte am Mittwoch einen zwölfmonatigen Ausnahmezustand in der Hafenstadt. Damit werden unter anderem Hilfen für die mehr als 630 Anwohner erleichtert, die nach dem Einsturz ihre teilweise unter der Brückenkonstruktion liegenden Wohnhäuser verlassen mussten. Auch ein Tag der Staatstrauer ist geplant. Er soll am Tag der Trauerfeier für die Todesopfer stattfinden - laut italienischen Medienberichten voraussichtlich am Samstag.
Autoreisende rund um Genua sollten nach dem Brückeneinsturz in der Stadt die Küstenstraße 1 meiden. Von einer Fahrt über die Straße sei wegen hoher Staugefahr dringend abzuraten, erklärt der ADAC. Die Brücke verbindet nicht nur den Osten mit dem Westen der Stadt Genua. Sie ist auch als Urlaubsverbindung „Autostrada dei Fiori“ bekannt und eine wichtige Verbindungsstraße nach Südfrankreich, in den Piemont und die Lombardei. Nach der Teilsperrung der Autobahn können Urlauber Umleitungen nutzen, allerdings sind auch hier Staus möglich. (AFP)