Flug MH370: Ist doch der Pilot Schuld am Verschwinden?
Bei den Ermittlungen um den verschollenen Malaysian Airlines Flug MH370 führt die Spur jetzt erneut zum Piloten. Die Angehörigen der Passagiere haben inzwischen selbst eine Suchkampagne gestartet.
Es ist das größte Mysterium der modernen Fluggeschichte. Fast vier Monate nach dem plötzlichen Verschwinden vom Radar bleibt Malaysia Airlines Flug MH370 mit 239 Menschen an Bord wie vom Erdboden verschluckt. Trotz der groß angelegten Suche, an der sich mehr als zwei Dutzend Nationen beteiligten, konnte bislang noch immer kein einziges Wrackteil gefunden werden. Doch die Ermittler haben noch nicht aufgegeben. Sie fokussieren sich mehr und mehr auf den malaysischen Piloten der Geistermaschine. Wie jetzt bekannt wurde, soll Zaharie Shah, 53, vor dem Verschwinden der Maschine auf seinem privaten Flugsimulator die Landung auf einer Insel im Indischen Ozean geübt und die Daten anschließend wieder gelöscht haben.
Der Funkkontakt mit der Boeing 777, die von Kuala Lumpur nach Peking fliegen sollte, war am 8. März zwischen rund eine Stunde nach dem Start abgebrochen. Zunächst suchten Flugzeuge und Schiffe im Südchinesischen Meer nach dem Wrack. Später hieß es, die Maschine sei wahrscheinlich weit von ihrer geplanten Route abgewichen – und flog entweder über Nordthailand bis Turkmenistan oder an Indonesien vorbei auf den Indischen Ozean hinaus. Doch auch die Suche in dem schließlich vermuteten Absturzgebiet im Indischen Ozean blieb ergebnislos.
Die vergebliche Suche hat die Spekulationen um das Schicksal von Flug MH370 befeuert. Ausgerechnet eine der kühnsten Mutmaßungen, wonach die Maschine an einem unbekannten Ort gelandet oder auf dem Flug dahin abgestürzt sein könnte, beschäftigt die Ermittler nun wieder. Experten haben 170 Gespräche mit Flugbehörden und Aviatikexperten geführt. Laut der britischen „Sunday Times“ könnten technisches Versagen oder terroristische Hintergründe weiterhin nicht ausgeschlossen werden. In den ersten Stunden nach dem Verschwinden waren die Mobiltelefone von verschiedenen Passagieren angeblich aktiv, was Spekulationen Auftrieb gab, wonach es sich um eine spektakuläre Entführung handeln könnte.
Übungsflüge mit dem Simulator
Wenn aber menschliches Versagen für das Verschwinden verantwortlich sei, so der noch immer vertrauliche Untersuchungsbericht, dann stecke mit hoher Wahrscheinlichkeit der Pilot der Unglücksmaschine dahinter. Dieser soll vor dem Verschwinden der Maschine sowohl in familiären als auch finanziellen Schwierigkeiten gesteckt haben. Den Ermittlern zufolge hatte Zaharie für die Zukunft auch keinen privaten Termin oder Arbeitseinsatz geplant. Der Bericht entlastet alle anderen Personen an Bord, darunter auch die beiden jungen Iraner mit gestohlenen europäischen Pässen sowie Co-Pilot Fariq Abdul Hamid.
Der Pilot hatte bei sich zu Hause einen Flugsimulator installiert. Obwohl er einige Daten offenbar gelöscht hatte, konnten Spezialisten diese wiederherstellen. Demnach hatte Zaharie mehrere Flüge über den Indischen Ozean programmiert und das Landen auf einer schmalen Landebahn auf einer Insel im abgeschiedenen Indischen Ozean geübt. Auf dieses Gebiet soll sich die nächste, im Juli oder August beginnende Phase der Suche konzentrieren. Der Untersuchungsbericht ist noch nicht offiziell, laut der „Sunday Times“ würden weiterhin verschiedene Spuren verfolgt. Dabei sind sich die Behörden nicht einmal einig, wo nach dem möglichen Wrack gesucht werden soll. Aufgrund von Satellitendaten war wochenlang im südlichen Indischen Ozean mit Robotern nach der Maschine getaucht worden. Doch vermeintliche Signale des Flugschreibers erwiesen sich als Echo der eigenen Geräte. Sicher scheint nach der monatelangen erfolglosen Suche lediglich zu sein, dass es beim Verschwinden von Flug MH370 nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.
Insiderwissen gesucht
Angehörige von vermissten Passagieren sind überzeugt, dass die Behörden ihnen die wahren Vorgänge und Untersuchungsdetails vorenthalten. Über die Crowdsourcing-Webseite „Indiegogo“ wollen jetzt fünf Angehörige und zwei weitere Personen mit der Kampagne „Auf der Suche nach der Wahrheit“ fünf Millionen Dollar sammeln, um einen Informanten zu ködern, der gewillt ist, mit Insiderwissen auszupacken. „Im Namen der drei Milliarden Menschen, die jedes Jahr fliegen“, heißt es auf der Webseite, müssen wir „die Wahrheit herausfinden und die dafür Verantwortlichen vor Gericht stellen.“ Die bisherige Suche drehe sich im Kreis, sagt Sarah Bajic, Partnerin des verschollenen Passagiers Philip Wood.
Auch Danica Weeks aus Neuseeland hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ihr Ehemann vielleicht doch noch lebt. Ohne neuen Ansatz würden die „Wahrheit und das Flugzeug nie gefunden“, sagt sie. Weeks vermisst Informationen von den malaysischen Behörden und habe es satt, auf den offiziellen Untersuchungsbericht zu warten. „Man hat die Fähigkeit verloren, um die Ecke zu denken“, sagt sie. „Aber wir sind verzweifelt und müssen alles versuchen.“
Daniel Kestenholz