50 Tote bei Massaker in Orlando: Islamischer Staat bekennt sich zu Anschlag in Nachtclub
US-Präsident Obama verurteilt das Attentat als "Akt des Terrorismus". Das FBI bestätigt, der mutmaßliche Täter sei wegen möglicher Verbindungen zu Terroristen im Visier der Ermittler gewesen.
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich zu dem Anschlag auf einen Nachtclub in Orlando mit 50 Toten bekannt. Zuvor hatte eine IS-nahe Nachrichtenagentur behauptet, der Todesschütze von Orlando sei ein Mitglied der Terrormiliz. Eine „Quelle“ habe dem Medium „Amaq“ gesagt, der Angriff auf Menschen in dem Nachtclub sei von einem Kämpfer der Terrormiliz ausgeführt worden. In der Meldung hieß es: "Der bewaffnete Angriff, der einen Nachtclub für Homosexuelle in Orlando, Florida, zum Ziel hatte und mehr als 100 Tote und Verletzte zurückließ, wurde von einem Kämpfer des Islamischen Staats ausgeführt". Nähere Details wurden zunächst nicht genannt.
Nach Angaben des Bundeskriminalamts FBI bekannte er sich in einem Anruf bei der Polizei kurz vor der Bluttat zum IS. Die Ermittlungsbehörden legten sich zunächst nicht auf ein Motiv fest. FBI-Ermittler Ronald Hopper bestätigte aber am Sonntag bei einer Pressekonferenz, der 29-jährige Omar M. sei im Visier der Ermittlungsbehörde gewesen, nachdem er vor Kollegen Andeutungen gemacht habe, die "an eine mögliche Verbindung mit Terroristen denken ließen". Er habe schon früher seine Nähe zum IS zu erkennen gegeben. Der mutmaßliche Attentäter sei zweimal vernommen worden, habe aber nicht unter Beobachtung gestanden.
Außerdem sei gegen den Mann wegen möglicher Kontakten zu einem US-Selbstmordattentäter ermittelt worden, sagte Hopper. Laut US-Medienberichten arbeitete der in New York als Sohn afghanischer Eltern geborene Mann für eine private Sicherheitsfirma und erwarb seine Waffen kurz vor der Tat legal.
Schlimmste Tat eines Einzelschützen in US-Geschichte
Bei der Geiselnahme und Schießerei in dem Nachtclub in Florida wurden nach Behördenangaben in der Nacht zum Sonntag mindestens 50 Menschen getötet und 53 weitere verletzt. Es ist die schlimmsten Bluttat eines einzelnen Todesschützen in der US-Geschichte. Ein einzelner Angreifer schoss in einem Schwulenclub in Orlando (Florida) um sich und verletzte 53 weitere Menschen, wie Bürgermeister Buddy Dyer am Sonntag vor Journalisten sagte. Der Schütze wurde etwa drei Stunden nach Beginn der Tragödie in einem Feuergefecht mit Polizisten getötet. Er hatte der Polizei zufolge zuvor in dem Club „Pulse“ Dutzende Geiseln genommen. Ein Vertreter des FBI sagte, das Verbrechen werde als „Akt des Terrorismus“ untersucht.
Das Massaker von Orlando war nach Angaben von US-Präsident Barack Obama ein „Akt des Terrorismus und ein Akt des Hasses“. Obama sprach sichtlich erschüttert mit Blick auf die Wahl des Mordziels von einem „Anschlag auf uns alle und auf die fundamentalen Werte der Gleichheit und Würde, die unser Land definieren“. Das FBI ermittle in alle Richtungen, es gebe noch zu wenige Anhaltspunkte, um Genaueres zu sagen.
Obama sagte am Sonntag im Weißen Haus, es sei das schlimmste Verbrechen eines einzelnen Schützen in der Geschichte der USA gewesen. Es mache einmal mehr klar, wie leicht man in den USA an verheerende Waffen komme. Der Präsident sprach den Opfern und Hinterbliebenen sein tief empfundenes Beileid aus. Er ordnete an, die Flaggen auf dem Weißen Haus und auf allen öffentlichen Gebäuden auf halbmast zu setzen.
Der Täter war nach übereinstimmenden Medienberichten US-Bürger. Die Sender CBS, NBC und die „Washington Post“ berichteten unter Berufung auf die Justiz, Omar M. sei 1986 in den USA geboren worden und habe in Port St. Lucie gelebt, das liegt etwa 170 Kilometer südöstlich von Orlando.
Vater des mutmaßlichen Attentäter glaubt nicht an religiöse Motive
Die Behörden betonten, sie schlössen kein Motiv aus: Die Ermittlungen gingen in alle Richtungen. Auch der Leiter der Islamischen Gesellschaft in Zentralflorida, Muhammad Musri, rief dazu auf, die Ermittlungsergebnisse abzuwarten.
Der aus Afghanistan stammende Vater des mutmaßlichen Täters sagte dem Sender MSNBC, er glaube nicht an ein religiöses Motiv. Er berichtete, sein Sohn sei einmal extrem ärgerlich geworden, als sich zwei Männer in der Öffentlichkeit geküsst hätten. „Sie tun das, und mein Sohn sieht zu“, habe Omar M. gesagt.
In Orlando und dem Bezirk Orange wurde der Ausnahmezustand erklärt. Damit können schneller Bundesmittel für die Ermittlungen in die Stadt gelangen. Floridas Senator Marco Rubio und Behördenvertreter riefen zu Blutspenden auf. Schon kurz darauf bildeten sich an mehreren Orten der Stadt lange Schlangen von spendenbereiten Bürgern.
Der Polizei zufolge hatte der mit einem Sturmgewehr und einer Handfeuerwaffe ausgerüstete Mann gegen 2.00 Uhr im Club „Pulse“ im Herzen Orlandos zu schießen begonnen. Zunächst habe sich ein einzelner Polizist mit ihm ein Feuergefecht geliefert, dann seien zwei weitere Beamte hinzugekommen. Einer von ihnen sei verletzt worden. Der Schütze habe dann Geiseln genommen. Die Polizei habe sich nach ungefähr drei Stunden zu einer gewaltsamen Befreiung entschieden.
Die Polizei verschaffte sich eigenen Angaben zufolge unter anderem mit Hilfe eines Sprengsatzes Zugang zum Club. Dieser ist laut Medienberichten keine große Halle, sondern ein verzweigtes Gebäude mit vielen Räumen und Zimmern. Der Täter sei in der Nähe einer Eingangstür gewesen und in einem Feuergefecht getötet worden. „Mindestens 30 Geiseln konnten durch die Aktion gerettet werden“, sagte der örtliche Polizeichef John Mina. Der Täter sei „sehr gut organisiert und vorbereitet gewesen“.
Der Club war Mina zufolge mit mehr als 300 Menschen gut besucht. Medienberichten stand eine „Latin Night“ auf dem Programm, eine Nacht mit lateinamerikanischer Musik. Nach Augenzeugenberichten fielen die Schüsse kurz vor der Schließung um 2.00 Uhr, viele Menschen hätten noch getanzt.
Augenzeugen berichteten von Dutzenden Schüssen in schneller Reihenfolge - mindestens 40 seien es gewesen, sagte Christopher Hansen dem Sender CNN. „Ich dachte zuerst, es war Musik. Dann warfen sich die Menschen auf den Boden, und ich auch.“
Viele flohen aus dem Gebäude. Das Fernsehen zeigte Opfer, die von Clubbesuchern aus dem Gebäude gebracht und auf die Ladeflächen von Kleinlastern gelegt wurden. Manche hatten Blut auf ihrer Kleidung. Vor mehreren Krankenhäusern warteten Freunde und Angehörige der Opfer. Eine Mutter sagte weinend: „Mein Sohn ist hier. Ich weiß nicht, wie es ihm geht.“
Das Gelände des Clubs war sofort nach den Schüssen weiträumig abgesperrt worden. Auch Bombenspürhunde wurden auf dem Gelände eingesetzt. Berichten, nach denen der Schütze eine Sprengstoffweste trug, bewahrheiteten sich aber nicht. Bürgermeister Dyer sprach von einem „sehr schrecklichen“ Verbrechen. „Wir müssen stark bleiben“, rief er die Einwohner der Stadt auf.
Trump attackiert Obama, Clinton sagt Wahlkampfauftritt ab
Kritik erntete hingegen den republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump, der sich auf Twitter für die Gratulationen bedankte, dass er Recht gehabt habe, dass man gegen den Islamistischen Terror wachsam sein müsse. "Ich weiß die Gratulationen zu schätzen", schrieb er, "aber ich will keine Gratulationen, ich will Härte und Wachsamkeit, wir müssen klug sein." Demokraten und Republikaner warfen ihm Selbstsucht vor, sich angesichts von 50 toten Menschen noch über etwas zu freuen.
Trump nutzte das Attentat, um Präsident Obama zum Rücktritt aufzufordern und seine Mitbewerberin um das Präsidentenamt, Hillary Clinton, zu attackieren. Sie solle aus dem Rennen um die Präsidentschaft aussteigen, wenn ihr die Worte "radikaler Islam" nicht über die Lippen kämen.
Clinton sagte ihrerseits eine für Mittwoch angesetzte Wahlkampfveranstaltung in Wisconsin wegen der Vorgänge in Orlando ab. Auch Obama, der bei dem Termin anwesend sein wollte, sagte seine Reise ab. Die demokratische Präsidentschaftsbewerberin bezeichnete die Tat als "Akt des Terrors". Nun müssten die Anstrengungen verdoppelt werden, die USA vor Bedrohungen aus dem In- und Ausland zu schützen, sagte die Ex-Außenministerin.
In Berlin hat Bundespräsident Joachim Gauck in einem Kondolenzschreiben an US-Präsident Barack Obama sein Beileid ausgedrückt. „Die Nachricht von den vielen Opfern des menschenverachtenden Mordanschlags in Orlando hat mich tief erschüttert. Kaum zu ermessen ist die Tragweite einer solchen Tat, menschlich wie politisch“, schrieb Gauck laut Mitteilung des Präsidialamts an Obama.
Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich bestürzt: „Tief erschüttert über d. mörderischen Anschlag in Orlando“, schrieb ihr Regierungssprecher Steffen Seibert im Kurznachrichtendienst Twitter. „Wir trauern um die vielen Toten, sind in Gedanken bei d. Familien + Verletzten.“ Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich "erschüttert" über den "brutalen Anschlag".
Waffenträger vor Gay-Pride-Parade in Kalifornien festgenommen
Unterdessen ist vor Beginn einer großen Schwulen-Parade in Los Angeles im kalifornischen Santa Monica ein bewaffneter Mann festgenommen worden, wie US-Medien am Sonntag berichteten. Eine Sprecherin der Bundespolizei FBI bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass die Behörde mit der Polizei ermittle. Nach dem Anschlag in Orlando waren die Sicherheitsvorkehrungen bei der Gay-Pride-Parade in West Hollywood am Sonntag erhöht worden.
Der Bürgermeister von Los Angeles, Eric Garcetti, sagte vor Beginn der Feiern, dass der Umzug wie geplant stattfinden werde. Ein Zusammenhang mit der Attacke in Orlando und der Festnahme in Santa Monica ist nach Angaben der Ermittler nicht festgestellt worden.
Den Berichten zufolge nahm die Polizei am Sonntagmorgen einen Mann fest, in dessen Fahrzeug zahlreiche Waffen gefunden wurden. Der Mann soll erklärt haben, dass er an den Schwulen-Feierlichkeiten am Wochenende in Los Angeles teilnehmen wollte. Auch in Washington seien die Sicherheitsvorkehrungen bei einer für Sonntag geplanten Schwulenfeier in der Hauptstadt verstärkt worden. Dies teilte Bürgermeisterin Muriel Bowser mit.
Das Attentat in Florida ereignete sich nur zwei Tage, nachdem in Orlando die Sängerin Christina Grimmie nach einem Konzert erschossen worden war. Laut der Polizei tötete ein 27-Jähriger die 22-jährige Musikerin am Freitagabend bei einer Autogrammstunde, bevor er sich selbst das Leben nahm. Seine Motive waren unklar. Grimmie war durch die US-Castingshow "The Voice" bekannt geworden. Einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten gibt es laut Polizeichef Mina nicht.
In den USA gibt es fast täglich Schießereien. Seit Jahresbeginn wurden laut der Internetseite Gunviolencearchive.org bereits mehr als 5800 Menschen durch Schusswaffen getötet, während mehr als 23.000 Vorfälle mit Schusswaffen gezählt wurden. Trotz der hohen Opferzahl hat die mächtige Waffenlobby bisher eine von US-Präsident Barack Obama angestrebte Verschärfung des Waffenrechts verhindert. (AFP/dpa/rtr/Tsp)