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Die Internationale Raumstation (ISS).
© Nasa/dpa
Update

"Systemkrise" in der Raumfahrt: Internationale Raumstation ISS um 2,8 Kilometer angehoben

Nach einem Pannenwochenende kann die russische Raumfahrt nun bei einem Routinemanöver etwas aufatmen. Doch die Aufregung um die vielen Probleme ist weiter groß. Die Regierung spricht erstmals von einer „Systemkrise“.

Zwei Tage nach einem gescheiterten Versuch haben russische Spezialisten die Internationale Raumstation ISS in einem neuen Anlauf um 2,8 Kilometer angehoben. Die Triebwerke des an der ISS angedockten Raumtransporters „Progress M-26“ reagierten diesmal auf Signale und brauchten etwa 32 Sekunden für das Manöver, wie die Raumfahrtbehörde Roskosmos am Montag mitteilte. Die ISS bewegt sich nach dem nächtlichen Anheben jetzt rund 405 Kilometer über der Erde.

Die Routinemission war in der Nacht zum Samstag gescheitert, weil das Triebwerk des Raumtransporters aus unbekannten Gründen keine Bereitschaft angezeigt hatte. Die Lage der ISS wird regelmäßig mit Hilfe von Motoren korrigiert, wenn die Station an Höhe verliert. Die sechs Raumfahrer an Bord der ISS waren nicht beteiligt an der Operation.

Die pannengeplagte russische Raumfahrt steckt nach Einschätzung von Experten in einer schweren Krise. Am vergangenen Samstag stürzte kurz nach dem Start eine „Proton M“-Trägerrakete mit einem mexikanischen Satelliten an Bord ab. Der Schaden lag Medien zufolge bei 390 Millionen US-Dollar (341 Millionen Euro).

Havarien im All häufen sich

Ende April scheiterte nach der Fehlzündung einer Raketenstufe der Transport eines unbemannten Raumschiffes zur Versorgung der ISS. Der Progress-Frachter verglühte am 8. Mai beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Der für die Raumfahrt zuständige Vize-Regierungschef Dmitri Rogosin sprach mit Blick auf die Probleme mit den Proton-Raketen von einer „Systemkrise“. Nach Katastrophen 1988 und 2014 seien zwar jeweils Untersuchungskommissionen gegründet und Konsequenzen gezogen worden, dennoch gebe es immer neue Havarien, schimpfte er. Der Politiker forderte die Roskosmos-Führung auf, Missstände umgehend zu beseitigen.

„Die Havarien sind Folgen einer Systemkrise in der Raumfahrt, aus der Roskosmos noch nicht herausgefunden hat“, sagte Rogosin. Er kündigte einschneidende Reformen an. Geplant sei ein neuer großer Staatskonzern mit technischen Neuausstattungen und besserer Bezahlung für Spezialisten. Experten warnten, dass die Pannen Russlands führende Marktposition für Raumfahrtdienstleistungen gefährden könnten. Die Branche sei wegen oft veralteter Technik, zu wenig qualifiziertem und oft unterbezahltem Personal nicht konkurrenzfähig. Dabei will Roskosmos in diesem Jahr Dutzende Satelliten ins All schicken und so auf diesem umkämpften Markt Millionen einnehmen.

Hungerstreik beim Bau des neues Weltraumbahnhofs

„In der Raumfahrtindustrie ist die Kultur der Produktion verloren gegangen“, kommentierte die Boulevardzeitung „Moskowski Komsomolez“ am Montag. Der frühere Roskosmos-Chef Oleg Ostapenko hatte die Havarien mit fehlenden Kontrollen bei der Produktion von Trägerraketen begründet.

Probleme gibt es auch beim Bau des neuen Weltraumbahnhofs Wostotschny. Dort hatten Arbeiter im April zeitweilig mit einem Hungerstreik wegen ausstehender Löhne protestiert. Wostotschny gilt als eines der wichtigsten strategischen Projekte Russlands. Die 2010 begonnenen Bauarbeiten werden allerdings von Berichten über Schlamperei und Finanzskandalen überschattet.

Roskosmos-Chef Igor Komarow hatte angekündigt, er wolle die Raumfahrt mit 36 Milliarden Euro an Staatsmitteln in den nächsten zehn Jahren für die Zukunft fit machen. Noch in diesem Jahr soll die erste Trägerrakete testweise vom Kosmodrom Wostotschny abheben. Und im nächsten Jahr will Roskosmos das international mit Spannung erwartete Nachfolgemodell für die Sojus-Raumkapseln vorstellen, mit sechs statt drei Plätzen. (dpa)

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