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Deutschlands berühmtester Intensivtäter. Muhlis A., genannt „Mehmet“, 2001 im Münchener Gerichtssaal.
© REUTERS

Heimweh: Intensivtäter Mehmet will zurück nach München

Ende der Neunziger war er Deutschlands bekanntester Jugendstraftäter und wurde in die Türkei ausgewiesen. Jetzt sehnt sich Mehmet zurück in seine bayerische Heimat. Ob sein tadelloses Führungszeugnis aus der Türkei ihm dabei helfen kann ist noch unklar.

Vor 13 Jahren war er Deutschlands berühmtester jugendlicher Intensivstraftäter und ein abschreckendes Beispiel für die völlig gescheiterte Integration eines Migrantenkindes in die deutsche Gesellschaft. Nun strebt der heute 28-jährige Muhlis A., dem die Behörden damals den Namen „Mehmet“ gaben, seine Rückkehr aus der Türkei nach Deutschland an, und zwar in seine Heimatstadt München. Ihm schwebt vor, „Problemkids zu helfen“. Er wolle die Erfahrungen, die er aus seinem früheren Leben gewonnen hat, „mit Menschen teilen und damit auch etwas bewirken“, erklärte er.

„Mehmet“ machte Geschichte. Ende der 90er Jahre wurde der Fall eines noch nicht einmal 14-jährigen Jungen bekannt, der schon mehr als 60 teils schwere Straftaten auf dem Kerbholz hatte. Darunter Erpressung, schwerer Raub, Körperverletzung, Diebstahl. Die Justiz konnte nichts dagegen unternehmen, denn mit 13 Jahren war „Mehmet“ noch nicht einmal strafmündig, er konnte nicht vor Gericht gestellt werden. Jugendamt und Sozialarbeiter scheiterten an ihm. Damals wurde sein Leben als ebenso kriminell wie trostlos geschildert. So lebte er im Münchner Problemviertel Neuperlach – eine triste Hochhausgegend mit vielen ärmeren türkischstämmigen Bewohnern. Als Kind ist er immer wieder vom Vater geschlagen worden.

„Mehmet“ wurde zum Politikum. Bayerns damaliger Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte im Verbund mit Münchens Kreisverwaltungsreferenten Hans-Peter Uhl (ebenfalls CSU) ein härteres Vorgehen gegen jugendliche Kriminelle. Uhl wurde zitiert mit den Worten, Muhlis A. sei „gut für einen Mord“, er besitze eine „unsägliche Killer-Mentalität“.

Mit dem 14. Geburtstag fiel Mehmet unter das Jugendstrafrecht, die Justiz nahm ihre Arbeit auf. 62 Taten konnten ihm nachgewiesen werden, es folgte die Ausweisung in die Türkei – allein, ohne seine Eltern. Obwohl in München geboren, besitzt er nur die türkische Staatsbürgerschaft. Doch nicht einmal die türkische Sprache beherrschte er richtig. Bundesweit wurde wegen Mehmet über kriminelle Ausländerkinder diskutiert, über Ghetto-Gangs und ob die Integration gescheitert ist.

In der Türkei verschwand Mehmet schnell in der Versenkung.

In der Türkei erzielte er kurzfristig Bekanntheit, wurde im Fernsehen als Kuriosum herumgereicht, durfte ein paar Mal eine schräge Popsendung moderieren und landete schnell in der Versenkung. Juristisch gelang es ihm, seine Rückkehr nach Deutschland durchzusetzen. Jahre lebte der junge Mann unauffällig, bis seine Eltern ihn 2005 anzeigten: Er soll sie bestohlen und erpresst, ihnen Gewalt angedroht haben, wenn sie ihm kein Geld geben. „Euer Tod wird aus meiner Hand kommen“, sagte er ihnen. Wieder beherrschte er die Schlagzeilen – einmal Täter, immer Täter, lautete der Tenor. Er wurde zu 18 Monaten Haft verurteilt und flüchtete nach Istanbul.

Auf Filmaufnahmen präsentiert sich Muhlis A. nun gegenüber „Bild“ als gereifter 28 Jahre alter Mann in der Türkei. Kurzhaarschnitt, Sonnenbrille, volle Figur. In Istanbul betrieb er ein Paintball-Center. Beim Paintball geht es darum, Farbkugeln auf gegnerische Spieler abzufeuern. Wer getroffen wird, scheidet aus. „Alles, was mich ausmacht, habe ich aus Deutschland“, sagte er. Sein Anwalt Burkhard Benecken argumentiert, dass er sich in der Türkei nichts mehr hat zuschulden kommen lassen. Er kündigte an, ein türkisches Führungszeugnis vorzulegen. Benecken glaubt fest daran, dass der einstige kriminelle Jugendliche im nächsten Jahr wieder nach Deutschland einreisen kann. Dem steht nach Angaben des zuständigen Münchner Kreisverwaltungsreferates aber eine ganze Menge entgegen. Da ist die noch anhängige Gefängnisstrafe, vor der er in die Türkei geflüchtet war. Die Stadt hatte ihm zudem nach der Flucht „die Ausweisung hinterhergeschickt“. Darin enthalten ist ein Wiedereinreiseverbot.

„Das ist nun kein Einzelfall“, sagt die Sprecherin Daniela Schlegel, „mit solchen Dingen haben wir immer wieder zu tun“. Individuell müsste, wenn denn ein Antrag von A. vorliegt, die Aufhebung des Einreiseverbotes überprüft werden. „Wichtig ist dabei: Wie hat er sich in der Türkei aufgeführt? Geht von ihm heute noch eine Gefahr aus?“ Dies sei eine „sorgfältige Prüfung“, die Stadt stelle dafür auch selbst Ermittlungen in der Türkei an. Schließlich bräuchte er ein Visum für Deutschland, denn die Türkei ist nicht Mitglied der EU. Das dürfte auch nicht einfach werden. Seine Taten würden ihm sehr leid tun, meint er. Er hofft darauf, bald zurück zu sein in der Heimat. „Ich bin ein Münchner Kindl“.

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