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In Sierra Leone sinkt die Zahl der Neuinfektionen mit Ebola. Das Foto zeigt Helfer im vom internationalen Roten Kreuz betriebenen Behandlungszentrum in Kenema.
© Francisco Leong/AFP

Ebola in Westafrika: „Im März reduzieren wir die Bundeswehrpräsenz in Liberia“

Der Ebola-Beauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner, über Rückschläge auf dem Weg zu null Neuinfektionen in Westafrika. "Die kritische Phase ist jetzt", sagt er.

Sind Sie überrascht, dass die Zahl der Ebola-Infektionen wieder steigt?

Nein, das bin ich nicht. Es besteht zwar die Hoffnung und die Chance, dass die Zahl der Neuinfektionen im ersten halben Jahr auf Null fallen kann. Aber es gibt keine Entwarnung. Ebola ist noch nicht vorbei. Die kritische Phase ist jetzt, diese letzte Meile. Da kann es noch viele Rückschläge geben. In der vergangenen Woche hatten wir 144 Neuinfektionen, eine Woche zuvor waren es zwanzig weniger. Sie sind allerdings in zwei Ländern, nämlich Liberia und Sierra Leone, gefallen und in Guinea deutlich angestiegen von 39 auf 69. In Liberia sind es seit einigen Wochen drei Neuinfektionen im Schnitt. In Sierra Leone sind wir immer noch hoch mit mehr als 60, aber die Zahlen sinken.

Guinea scheint auch für die Helfer ein schwieriger Ort zu sein. Das Internationale Rote Kreuz berichtet, dass jede Woche mindestens ein Helferteam tätlich angegriffen worden sei.

Auf Guinea müssen wir besonders achten. Warum es dort zu einem solchen Sprung bei den Neuinfektionen gekommen ist, ist schwer zu sagen. Es kann damit zusammen hängen, dass die Statistik besser geworden ist, und wir jetzt von Fällen wissen, die im vergangenen Jahr nicht erkannt worden wären. Vor allem wird das Problem aber sein, dass nicht alle Kontakte von Erkrankten nachverfolgt worden sind. Vielleicht gab es die eine oder andere Beerdigung, die ohne die notwendigen Verhaltensregeln abgelaufen ist. Und es kann sein, dass es generell Misstrauen gibt gegen Eindringlinge von außen, Leuten aus der Hauptstadt oder ausländische Helfer, mit denen es schlechte Erfahrungen gegeben haben kann. Guinea macht mir mehr und mehr Sorgen.

Die USA haben angekündigt, dass sie ihre Soldaten abziehen wollen. Ist das zu früh?

Nein. Die Amerikaner waren vor allem in Liberia. Dort sind die Zahlen schon deutlich gefallen. Die Soldaten waren sechs Monate für die unmittelare Nothilfe im Land – wie die Bundeswehr auch. Bei nur noch zwei bis drei Neuinfektionen pro Woche endet die Zeit der Nothilfe langsam und die Zeit der Entwicklungshelfer und Wiederaufbauer wird anfangen. Wir werden das genau so machen. Irgendwann im Verlauf des März werden wir die Bundeswehrpräsenz abbauen. Sie haben die Nothilfe in Liberia aufgebaut und das ist auch beendet. Was man aber nicht machen darf, ist die Aufmerksamkeit auf Ebola zu reduzieren. Im Gegenteil. Gerade jetzt muss man alles tun, damit die Aufmerksamkeit erhalten bleibt. Aber das, was zu tun ist, ändert sich jetzt. Jetzt geht es vor allem darum, die Kontakte von Kranken zu verfolgen und die Infektionskette endlich zu brechen. Das ist eine Arbeit, die von Lokalen Kräften vor Ort gemacht werden muss, unterstützt von beispielsweise der Welthungerhilfe und dem Internationalen Roten Kreuz beziehungsweise den Rotkreuz-Organisationen vor Ort. Da muss man mit den Dorfvorstehern sprechen und muss die Sprache sprechen können. Da sind internationale Helfer nicht unbedingt in der ersten Reihe.

Die Kontakt-Verfolgung scheint das größte Problem zu sein. Bei den neuen Fällen in Guinea sagt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass sie teilweise gerade nicht auf Kontakte von früher Erkrankten zurückzuführen seien.

Das müssen wir uns genau anschauen. Sind es unbekannte Kontakte, die sich entzogen haben oder haben Kranke falsche Angaben gemacht, um Kontakte vor Behörden zu schützen? Oder Leute, die sich aus der Quarantäne abgesetzt haben? Das muss jetzt einzeln überprüft werden. Wenn man 65 Neuinfektionen hat und jeder hat mindestens 20 Kontakte, dann ist man schnell bei Hunderten Menschen, die überwacht werden müssen. Das ist eine große Logistik, die vor Ort geleistet werden muss und das auch noch in abgelegenen Gegenden. Das stellt die Helfer vor eine große Herausforderung.

Alle drei Länder kommen aus Bürgerkriegen. Aus allen Ländern wird berichtet, dass die Überlebenden stigmatisiert werden. Was kann man da tun?

Erst mal müssen die Neuinfektionen auf Null gebracht werden. Und zugleich beginnt bereits die Vorbereitung von Wiederaufbau und Stabilisierungsmassnahmen. Aber dazwischen gibt es eine Übergangsphase, in der man sich gerade der unmittelbaren Opfer von Ebola annehmen muss. Den Überlebenden, die stigmatisiert werden, den Traumatisierten, den Ebola-Waisen, den Menschen, die nicht in ihre Dörfer zurückkehren können. Da gibt es auch viele, die das schon tun von Unicef, Welthungerhilfe, Don Bosco bis zu den SOS-Kinderdörfern. Es darf jedenfalls dazwischen keine Lücke geben.

Warum reisen Sie jetzt schon zum sechsten Mal in die Region?

Alle paar Wochen muss die Hilfe vor Ort noch besser kalibriert werden. Und ich kann da nur dann richtige Entscheidungen treffen, wenn ich die Lage vor Ort genau kenne.

Warum ist die Regenzeit ein Problem?

Schon jetzt sind viele dieser Gegenden nur über furchtbare Straßen zu erreichen. Die sind jetzt schon extrem schlecht. Wenn es regnet, kommt man an viele Orte gar nicht mehr. Man kann Patienten nicht mehr behandeln, isolieren, Quarantänemaßnahmen einleiten, hat auch keine glaubwürdige Statistik mehr. Vor April muss so viel wie möglich auf dem Weg zur Null erreicht werden. In Liberia kann ich mir auch vorstellen, dass es dort zu schaffen ist, bis April auf Null Neuinfektionen zu kommen.

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