Zyklon Pam: „Ich stehe hier mit schwerem Herzen“
Der Präsident von Vanuatu bittet um internationale Hilfe für den vom Zyklon „Pam“ getroffenen Inselstaat. Zwei Tage nach der Katastrophe gibt es noch keinen Kontakt zu den entlegenen Inseln im Pazifik.
Es ist genau die Art von Katastrophe, vor der die Präsidenten der kleinen Inselstaaten im Pazifik seit Jahren warnen. Angesichts des steigenden Meeresspiegels sehen sie sich Katastrophen wie einem Wirbelsturm immer weniger gewachsen. Der gewaltige Zyklon „Pam“ hat in der Nacht zum Samstag vor allem Vanuatu schwer getroffen. Er ist offenbar der zweitstärkste je gemessene Zyklon, nur „Hayan“, der vor zwei Jahren die Philippinen traf, war noch stärker.
Der Präsident des Inselstaats, Baldwin Lonsdale, sagte am Sonntag vor dem UN-Gipfel zur Katastrophenvorsorge im japanischen Sendai: „Ich stehe hier vor Ihnen mit schwerem Herzen.“ Er bat um internationale Hilfe. Kurz zuvor hatte er den Notstand ausgerufen. „Unsere Hoffnung auf eine blühende Zukunft ist zerstört“, fügte er hinzu. In einem Interview mit dem britischen Sender BBC kämpfte Lonsdale sichtlich mit den Tränen. Fast alle Häuser in der Hauptstadt Port Vila seien zerstört oder beschädigt, die Klinik, die Schulen. Hannington Alatoa vom Roten Kreuz in Vanuatu berichtete, dass ein Pilot der neuseeländischen Luftwaffe einige der Inseln überflogen habe, zu denen die Behörden seit dem Sturm keinen Kontakt mehr haben. Alles sei „flachgelegt“, habe er berichtet. Auf Tanna, einer der Inseln, habe er landen können. Dort sehe es so schlimm aus wie in der Hauptstadt.
Die ersten Hilfsflüge sind gelandet
Wie viele Menschen im Unwetter ihr Leben verloren haben, wird erst klar werden, wenn sich die Behörden und Hilfsorganisationen ein Bild von der Lage aller 83 Inseln Vanuatus machen können. Bis Sonntag sind acht Tote bestätigt worden. Die Einwohner begannen mit ersten Aufräumarbeiten. Die neuseeländische Radioreporterin Frances Cook berichtete, dass die angekündigten Winde Vanuatu am Samstag mit Geschwindigkeiten in der Nacht zum Samstag mit „weit über 300 Stundenkilometern“ getroffen hätten. „Das Hotel neben meinem ist total zerstört, ganze Bäume sind entwurzelt worden, gewaltige Bäume, Wellblechdächer überall, sogar angeblich Zyklon-sichere Apartments haben ihre Dächer verloren.“ Allein in Port Vila sind vermutlich 10 000 Menschen der dort lebenden knapp 50 000 Einwohner obdachlos. Tausende hatten in 23 Evakuierungszentren den Wirbelsturm überstanden. Auch das Krankenhaus sei beschädigt worden, „das Personal versucht so gut es geht, mit eingeschränkten Möglichkeiten zu arbeiten“, sagte Cook.
Die anlaufenden internationalen Hilfsaktionen haben Schwierigkeiten, herauszufinden, wo die Hilfe am nötigsten ist, weil die Kommunikation noch nicht wieder hergestellt sei. In Port Vila ist der Strom ausgefallen, nur noch einige Generatoren laufen. Außerdem arbeitet der Flughafen mit verminderter Kapazität. Bis Montag sollen keine kommerziellen Flüge starten oder landen. Aber immerhin gelang es Militärmaschinen aus Neuseeland und Australien zu landen und erste Hilfsgüter zu bringen.
Selbst zwei Tage nach der Katastrophe war noch völlig unklar, was der Monstersturm auf den entlegeneren Inseln angerichtet hat, wo rund 30 000 Menschen leben. Der Großteil der dortigen Bevölkerung lebt in sehr simplen Behausungen, die Windböen von bis zu 330 Stundenkilometern kaum trotzen können. Im Gegensatz zu den stärker entwickelten Inseln im Norden standen dort auch nur wenige Notunterkünfte zur Verfügung, in die sich die Menschen hätten flüchten können. Mehrere Länder, darunter die Nachbarn Neuseeland und Australien sowie die Europäische Union und Großbritannien, haben bereits Millionen-Hilfen zur Verfügung gestellt. Auch die deutsche GIZ ist schon da. Christopher Bartlett sagte der Nachrichtenagentur dpa, rund 90 Prozent der Häuser in der Hauptstadt seien beschädigt.
Der Wirbelsturm hat auch in den benachbarten Inselstaaten Tuvalu und Neukaledonien sowie auf den Salomon-Inseln schwere Schäden ausgelöst. In Tuvalu sind nach Auskunft des Regierungschefs Enele Sopoaga 45 Prozent der insgesamt nur 10 000 Einwohner des kleinen Inselstaates von den Folgen des Zyklons betroffen. Er mache sich Sorgen um die Trinkwasser- und Nahrungsmittelversorgung seiner Landsleute, sagte er dem neuseeländischen Radiosender RNZ. Tuvalu war von einer Sturmflut getroffen worden, die Pam ausgelöst hatte. Die Trinkwasserbrunnen wurden überschwemmt.
Wirbelstürme gehören im Pazifik zum normalen Ablauf der Jahreszeiten. So schwer wie dieser ist aber offenbar seit Menschengedenken kein Zyklon gewesen. Vanuatu hat 270 000 Einwohner auf einer Fläche von 12 000 Quadratkilometern mit 82 Inseln, die von Nord nach Süd rund 1300 Kilometer entfernt sind. Alle Inseln zusammengerechnet haben eine Fläche von weniger als 5000 Quadratkilometern (knapp zweimal so groß wie das Saarland). Bis zur Unabhängigkeit 1980 war Vanuatu (damals „neue Hebriden“) gemeinsam von Frankreich und Großbritannien verwaltet worden. Die beiden ehemaligen Kolonialmächte sowie Neuseeland und Australien bringen den größten Teil der Entwicklungshilfe auf.
Einer der wichtigsten Industriezweige ist der Tourismus – Vanuatu gilt als eines der besten Tauchreviere der Welt. Tausende Touristen stecken derzeit in Vanuatu fest, weil kommerzielle Flüge noch nicht wieder verkehren. Abgesehen vom Tourismus gibt es nur noch Beschäftigung in der Landwirtschaft. Doch ist Vanuatu auch ein beliebtes Land für Menschen aus aller Welt, die keine Steuern zahlen wollen: Es gibt dort weder Einkommensteuer noch Kapitalgewinnsteuer oder Erbschaftsteuer.