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Seit 80 Jahren helfen die Anonymen Alkoholiker Abhängigen aus der Sucht.
© dpa

Hilfe gegen die Sucht: „Ich heiße Albert, ich bin Alkoholiker“

Alkohol ist ein sozial anerkanntes Genussmittel, aber für Millionen Menschen ist es gefährlich. Seit genau 80 Jahren gibt es anonyme Hilfe gegen die Sucht.

Immer wenn er nüchtern war, sagte Albert W. seiner Frau, er würde aufhören. Als wenn er das nicht könnte, er sei doch nicht süchtig nach dem Zeug. Nur vergaß der 58-Jährige sein Versprechen sobald er wieder getrunken hatte. Wo Albert W. war, mit wem, wie lange, wusste er nicht. Wo ihr Geld hin ist? Keine Ahnung. Weg. Da war keine Erinnerung an die vergangene Nacht. Oder die vergangenen Tage.

Es sind Geschichten wie diese, die bei den Treffen der Anonymen Alkoholiker (AA) erzählt werden. Mehr als zwei Millionen aktive Mitglieder zählte die Selbsthilfeorganisation 2014. Darunter Albert W., der vor zehn Jahren zum ersten Mal kam und seitdem trocken ist. 115 000 Gruppen gibt es in etwa 170 Ländern. Am heutigen Mittwoch werden die Anonymen Alkoholiker 80 Jahre alt.

Begonnen haben soll alles mit einer Eingebung. Einer der Gründer, Bill Wilson, war Trinker – und hatte seine Gesundheit und Karriere als Börsenmakler ruiniert, als er die Organisation 1935 gründete. Er nüchterte gerade in einer New Yorker Klinik aus, mal wieder, und litt unter Halluzinationen. Gekrümmt habe er sich vor Qualen. Und dann war da dieses weiße Licht. Er habe sich wie auf einem Berg gefühlt, berichtete Bill Wilson später, umweht von einem Gefühl der Heiligkeit. Ein Zeichen. Er trank nie wieder.

Das Prinzip der zwölf Schritte

Kurz darauf lernte er den Chirurgen und Auch-Alkoholiker Robert Smith kennen. Bill Wilson erzählte von seinem Moment, sie tauschten sich stundenlang aus – die Anonymen Alkoholiker wurden gegründet. Seine Erfahrung und Botschaft schrieb Bill Wilson in dem Buch „Anonyme Alkoholiker“ auf, wegen seines Einbands in Deutschland auch „Blaues Buch“ genannt. Die zwölf Schritte auf dem Weg aus dem Alkoholismus sind an die Lehre der christlichen Erweckungsbewegung Oxford-Gruppe angelehnt, der beide Gründer angehörten: Der Mensch ist ein Sünder, das Sündenbekenntnis ist die Voraussetzung zur Veränderung, der veränderte Mensch hat einen direkten Zugang zu Gott, Gott bewirkt Wunder. Wer Alkoholiker ist, müsse erkennen, dass er sich nicht selbst helfen kann. Nur eine „höhere Macht“ könne das, wie Bill Wilson selbst erfahren haben will.

Die Spiritualität der Gemeinschaft ist umstritten. Sie sei zu religiös, sagen Kritiker. Darauf entgegnet die Organisation: „Die Behauptung, AA sei eine Sekte, entbehrt jeglicher Grundlagen.“ Es gebe keine festen Regeln, die Gruppen seien frei und demokratisch. Inspiriert von dem Prinzip der zwölf Schritte entstanden weitere Selbsthilfegruppen. Die „Narcotics Anonymous“ helfen Drogenabhängigen, die „Workaholics Anonymous“ jenen, die krankhaft zu viel arbeiten.

Wie ein typisches AA-Treffen aussieht

Anfang der 40er Jahre trafen sich in den USA bereits 8000 Mitglieder in 200 Gruppen 1953 ihre erste Versammlung in München ab. Für manche Ex-Abhängigen sind die Treffen ein Familienersatz geworden. Sie mussten sich von Trinker-Freunden trennen, raus aus dem alten Umfeld. Alkoholiker helfen Alkoholikern, Angehörige helfen Angehörigen – es geht um Selbsthilfe statt um eine psychologische Therapie. Wie der Ablauf eines Treffens aussieht? „Ich heiße Albert, ich bin Alkoholiker.“ „Hi, Albert!“ Nach der Vorstellungsrunde sprechen die Teilnehmer über ihre Erfahrungen, über gute und weniger gute Tage. Über Versuchungen. Ohne Feedback oder Ratschläge. Wer 24 Stunden, einen oder mehrere Monate trocken ist, bekommt Münzen in verschiedenen Farben. Viele tragen diese kleinen Medaillen bei sich. Als Auszeichnung, als Mutmacher.

Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind in Deutschland rund 1,77 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren alkoholabhängig. Bei weiteren 1,6 Millionen liegt ein Alkoholmissbrauch vor. Bei Abhängigen ist Alkohol so wichtig geworden, dass andere Interessen, der Job und Beziehungen vernachlässigt werden. Die Tage werden so strukturiert, dass getrunken werden kann, alles andere ist unwichtig. Und Versuche, weniger zu trinken, abstinent zu bleiben, scheitern jedes Mal.

Jeder Rausch zerstört Millionen Gehirnzellen. Das Risiko für Krebserkrankungen, insbesondere der Leber, in Mundhöhle, im Rachen, der Speiseröhre und des Enddarms ist erhöht. Mindestens 74 000 Menschen sterben im Jahr daran. Der Anteil ist zwischen 2006 und 2012 von 2,4 Prozent auf 3,4 Prozent gestiegen. Seit 1968 wird Alkoholabhängigkeit als Krankheit anerkannt.

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