Klimawandel: Graswurzelbewegung für mehr Klimaschutz
Rund um den Globus fordern Menschen ein entschlossenes Handeln von der Politik. Für den 27. September rufen Aktivisten zum weltweiten Generalstreik auf.
1975 besetzten Tausende Menschen den Bauplatz des geplanten Atomkraftwerks in Wyhl bei Freiburg. Es war nicht nur der Beginn der Anti-AKW-Bewegung, sondern auch die Geburtsstunde der Energiewende. Inspiriert von der selbst organisierten Volkshochschule Wyhler Wald bauten Aktivisten die ersten solarthermischen Kollektoren und gründeten die Solartage. Aus ihnen wurde später die weltweit wichtigste Photovoltaikmesse Solarworld. Und in Wyhl wurde nie ein Atomkraftwerk gebaut.
Keine Frage: Graswurzelbewegungen können viel erreichen. In der Klimakrise aber gibt es trotz der großen Bedrohung bisher keine kraftvolle außerparlamentarische Opposition. Das könnte sich 2019 ändern.
Wirkungsvoll ist die einfache Aktion der schwedischen Schülerin Greta Thunberg, die seit Monaten jeden Freitag die Schule schwänzt, um vorm Parlament besseren Klimaschutz zu fordern. Schüler weltweit haben sich Thunbergs Vorbild angeschlossen und organisieren sich unter dem Hashtag #FridaysForFuture. Ob in Aachen oder Adelaide: Jugendliche fühlen sich offenbar angesprochen von der Botschaft der Schwedin, sich nicht die Zukunft stehlen zu lassen.
Bisher sind es oft nur ein paar Dutzend Menschen, die an den Aktionen teilnehmen. „Aber die Mobilisierung der jungen Leute nimmt Fahrt auf“, sagte Laurence Tubiana, Chefin der European Climate Foundation, bei der Klimakonferenz in Kattowitz.
"Anerkennung ist extrem wichtig"
Auch bei der Klimawache am Brandenburger Tor in Berlin zeigt der Trend nach oben, berichtet eine der Organisatorinnen, Molina Gosch. Am morgigen Dienstag ist das nächste Treffen. „Ich bin immer wieder überrascht, wie viel Kraft man hat, wenn man sieht, dass auch andere besorgt sind“, sagte Gosch Tagesspiegel Background. Die Bezirksabgeordnete der Grünen in Berlin-Mitte ist durch das Trainingsprogramm „Climate Reality Project“ von Al Gore gegangen. Für sie ist wichtig, „für andere sichtbar“ zu sein.
Damit bestätigt Gosch Erkenntnisse der Forschung zu Graswurzelbewegungen: „Anerkennung ist extrem wichtig“, sagte Nina Langen von der TU Berlin dem Trenntmagazin. Die Wissenschaftlerin hatte sich in einem Projekt der Uni Bonn mit dem Thema beschäftigt. Sie sieht Aufmerksamkeit als neuen Machtfaktor: „Sie ist eine Art neue Währung geworden. Wer genug besitzt, hat Einfluss.“
Warum es trotzdem in den USA lange Zeit keine nachhaltige Graswurzelbewegung für mehr Klimaschutz gab, hat der Soziologe Doug McAdam von der Stanford University untersucht. Gründe waren unter anderem die „unnachgiebige Leugnung“ des Klimawandels im Land, das Fehlen einer „Inhaberschaft“, wie es bei der Polizeigewalt gegen Afroamerikaner oder bei Gewalt gegen Frauen war. Eine Rolle spielte auch der scheinbar so lange Zeithorizont, hinter dem sich die Auswirkungen des Klimawandels in einer „nebulösen Zukunft“ verbargen.
Aufruf zum Generalstreik am 27. September
Diese Analyse stammt aber von 2017. Seitdem sind die negativen Folgen des Klimawandels noch einmal deutlicher geworden, vor allem durch Wetterextreme. Zugleich ist in den USA die „Jugendarmee“ des Sunrise Movement schnell gewachsen. Weitere wichtige Bewegungen: In Frankreich hat die Initiative „L'Affaire du siècle“ („Die Angelegenheit des Jahrhunderts“) innerhalb kurzer Zeit zwei Millionen Unterschriften für mehr Klimaschutz gesammelt. Das Netzwerk Extinction Rebellion, das seinen Ursprung in Großbritannien hat, machte unter anderem mit der Blockade von Londoner Brücken auf sich aufmerksam. Und nicht nur junge Leute sind dabei. So haben sich australische Mütter im Club der Mums for a Safe Climate zusammengetan.
Für den 27. September haben Aktivisten zum potentiell größten bisherigen Klimaprotest aufgerufen: Nichts weniger als einen weltweiten Generalstreik will das Organisationsteam von Earth Strike anzetteln, das nach eigenen Angaben schon tausende Mitglieder in 60 Ländern hat.