Altkanzler im Glück: Gerhard Schröders Liebesfotos aus Seoul
„Sa rang hae yo“: Altkanzler Gerhard Schröder macht seiner koreanischen Freundin in der „Bunten“ eine Liebeserklärung. Er hielt das offenbar für eine gute Idee.
Es scheint an der Zeit zu sein für den nächsten Hashtag namens MeToo. Diesmal können sich dort Männer zusammenfinden, Politiker genauer, die sich mit Privatfotos für die Öffentlichkeit inszenieren – und dafür mal mehr, mal weniger leisen Spott ernten.
Der jüngste Eintrag dazu könnte von Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) stammen. Der 73-Jährige und seine Freundin Soyeon Kim sind die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe der Illustrierten „Bunte“. Ein stark bearbeitetes Foto zeigt das Glück: ein Mann, eine Frau, beide in dicke Mäntel gehüllt, beide strahlend, blitzweiße Zähne, beide kaum eine Falte im Gesicht. Die Schlagzeile dazu lautet „Ja, es ist Liebe“ – und wiederum dazu die des Internetportals n-tv: „Fremdschämen mit Gerhard Schröder“. Was eine mehrheitsfähige Resonanz sein dürfte.
Damit schließt der Altbundeskanzler in Stilfragen ziemlich mühelos auf zu seinem ehemaligen Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD). Der ließ sich unter dem Motto „Pool ist cool“ im Sommer 2001 im türkisblauen Becken eines mallorquinischen Hotels beim Plantschen und Turteln mit seiner damals ebenfalls neuen Liebe fotografieren, was ebenfalls in der „Bunten“ erschien – und ebenfalls Fremdschämreaktionen auslöste. Die Liebesbilder in Zeiten des nahenden Balkan-Einsatzes führten den damaligen Regierungschef Schröder letztlich mit zu der Erkenntnis, dass dieser Minister gehen muss.
Das Private am Politischen ist ein altes Phänomen, noch relativ neu ist seine Inszenierung als eigenständiges Ereignis. Damit angefangen hat nach Ansicht der Kommunikationswissenschaftlerin Christina Holtz-Bacha: Gerhard Schröder. Und zwar als er 1996 wegen der späteren Doris Schröder-Köpf seine damalige Frau Hillu verließ und zwischen beiden das wütende Ende ihrer Ehe öffentlich ausgetragen wurde. Holtz-Bacha wundert sich, dass Gerhard Schröder sich auf die „Bunte“-Story eingelassen hat: „Schließlich hat er viel Erfahrung mit den Medien, wenn es um Privates geht.“ Dass es regelmäßig Häme und Spott für solche Auftritte gebe, mache die Männer offenbar nicht immun „gegenüber der Illusion der für beide Seiten fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Medien“. Dabei vervielfachen doch die sozialen Netzwerke den Desillusionsfaktor um ein etliches, die längst unkontrollierbar gemacht haben, „was, wann und durch wen in die Öffentlichkeit“ (Holtz-Bacha) gerät.
Strauß zeigte sich häuslich - aber nur im Wahlkampf
Lange Zeit galt das Private der Politiker als Tabu. Einblicke wurden nur selten gewährt, etwa wenn Wahlkampf war: Sogar Franz-Josef Strauß ließ sich beim Brettspiel mit seinen Kindern ablichten. Edmund Stoiber posierte mit seiner Frau als „Die Stoibers“. Helmut Kohls Familienfotos sind legendär und wegen ihrer Scheinheiligkeit bis heute auch Anlass mehrerer Einlassungen seiner Söhne bis hin zum offenen Disput mit Kohls zweiter Frau und Witwe Maike Richter-Kohl.
Die Grenze zwischen Offenheit und Exhibitionismus ist dünn - und das Absturzrisiko hoch. Hier der Wunsch, als normaler Mensch rüberzukommen, da die Gefahr, dabei als Führungspersönlichkeit unmöglich zu werden. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) flogen seine stolzen Times-Square-Fotos um die Ohren, Torsten Albig (SPD) ein Interview kurz vor der Kieler Landtagswahl, in dem er über seine Scheidung plauderte und dabei seine Ex-Frau schlechtmachte.
Nun kann man bei Schröder natürlich fragen: Ist der überhaupt noch Politiker – oder nur Prominenter? Mancher wünschte sich sicher, so ein Altbundeskanzler würde sich würdiger verhalten. Schließlich steht er ja weiter für das Land – und so eine bunte „Bunte“-Liebesstory ist da kaum dienlich. Ganz offensichtlich im Dienst seiner politischen Wünsche dagegen inszenierte sich vor rund einem Jahr mit Sigmar Gabriel ein weiterer führender Sozialdemokrat. Er ließ sich mit einer Tochter auf dem Arm vor seiner heimischen, beige-praktischen Küchenzeile mit Geranien auf dem Fensterbrett ablichten, was im „Stern“ eine Story über seinen Rücktritt als Parteivorsitzender illustrierte. Auch das war nicht unumstritten. Allerdings ging es da im Text seriös zu. Anders als jetzt bei Schröder. Dass er „Ich liebe dich“ auf Koreanisch sagen könne („Sa rang hae yo“), liest man über ihn, was die einzigen Wörter seien, die er bisher gelernt habe. Von ihm selbst kommt dagegen kein Wort.
Das Nachrichtenportal n-tv hat seine Fremdschäm-Meldung fleißig im Internet geteilt und noch mit ein paar Anzüglichkeiten garniert. Was den Reaktionen bereits einen neuen Dreh gab. Warum immer nur Männer solche Storys liefern, kann übrigens auch die Kommunikationsexpertin Holtz-Bacha nicht erklären. „Ich vermute, Frauen sind vorsichtiger gegenüber den Medien“, sagt sie. Und damit zurück zum Hashtag.
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