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Die Emoji-Tastatur auf dem Smartphone.
© Matthias Balk/dpa

Ohne Worte: Für jede Emotion ein Emoji

Emojis sind zu einer globalen Gefühlssprache geworden: Sie erweitern die private Kommunikation und werden auch kommerziell und politisch bedeutsam.

Emojis sind schon lange nicht mehr nur gelb. Sie lassen sich in verschiedenen Hauttypen pigmentieren, es gibt auch Auberginen, Sternschnuppen und Shrimps. Die farbigen, unveränderlichen Bilder ersetzen die kleinen Nuancen, die in Kurznachrichten sonst sprachlich zu kurz kämen: Mimik, Gestik, Untertöne oder ein zartes Erröten.

Was ursprünglich einmal Scherze und Codes von Schriftsetzern und Programmieren waren, hat sich sich zu einer globalen, international angewandten und verständlichen Sprachen- ergänzung entwickelt: Mittlerweile gibt es etwa 3000 Emojis, die bei Messenger-Diensten oft in Kategorien sortiert angeboten werden.

Bei vielen davon ist gar nicht von vorneherein klar, was sie bedeuten – vielmehr entsteht eine kollektive Bedeutung oft erst mit der vielfachen Benutzung der Icons – etwa das Äffchen, dass sich die Hände vor die Augen schlägt und kokettierend oder ironisierend irgendwas zwischen „wie süß“ und „wie peinlich“ symbolisiert.

Bis Ende des Jahres soll die Smartphonetastatur jetzt schon zum zwölften Mal erweitert werden. 230 Motive sind geplant, darunter Symbole von Menschen mit Rollstühlen, Blindenhunden und Prothesen. Über die neuen Bilder hat das Unicode- Konsortium entschieden, das aus Mitgliedern von Apple, Microsoft, Google oder Netflix besteht.

Emoji-Antrag nach Kalifornien

Auf dessen Website kann jeder Ideen für neue Emojis einreichen. Christian Scheifl von der Aktion Mensch hat so einen Antrag gestellt: Bereits 2017 setzte er sich für inklusive Emojis ein und forderte unter anderem eine Person ohne Arme, eine Krücke, sowie eine Handprothese und einen Fernseher mit Untertiteln und schickte dem Konsortium erste Entwürfe seiner beantragen Bildchen.

„Es ist erstaunlich, dass es bislang kaum Emojis zum Thema Barrierefreiheit gab und Menschen mit Behinderung nicht repräsentiert wurden“, meint Scheifl. Alle paar Monate bekam er eine Rückmeldung aus Kalifornien über den Stand seines Antrags und Tipps für Änderungsvorschläge, um bessere Chancen zu haben. Schließlich griff Apple den Vorschlag auf und stellte entsprechende Anträge. „Letztlich freuen wir uns, dass Apple unsere Initiative aufgegriffen hat“, sagte Scheifl dem Tagesspiegel.

Aber aus Sicht der Organisation gebe es weitere Lücken. “Wir arbeiten mit unseren Anträgen weiter daran, dass die Emojis noch besser die Vielfalt der Gesellschaft abbilden und so die Kommunikation erleichtern.“

Neben den inklusiven Emojis sollen auch Symbole von Menschen in unterschiedlichen Paarkonstellationen und Hautfarben hinzukommen. So soll die Emoji-Welt immer besser die Realität widerspiegeln. In der sieht Scheifl auch weitere Lücken: „Wir arbeiten mit unseren Anträgen weiter daran, dass die Emojis noch besser die Vielfalt der Gesellschaft abbilden und so die Kommunikation erleichtern.“

Diese Vielfalt schließt längst auch wirtschaftliche Interessen von Firmen ein, die sich auf den Weg in die Tastaturen machen: Der Autokonzern Ford hat es geschafft, einen blauen Truck vom Konsortium absegnen zu lassen, der seinem Oldtimer Modell F-150 sehr ähnlich sieht. In einem Werbespot bewirbt er das neue Emoji, als würde ein neues Auto angepriesen.

Verfasser eines Textes ohne Emojis werden als durchsetzungsfähiger wahrgenommen

Und auch andere Interessenvertreter wie Parteien, Politiker oder Prominente versuchen immer öfter, ihre Symbole im Emoji-Satz unterzubringen – oder dort vorhandene Bilder so eng mit sich zu assoziieren, dass sie ihnen zugeordnet werden. Solche Aufmerksamkeit ist wertvoll geworden, denn täglich werden 900 Millionen Emojis verschickt und der durchschnittliche Nutzer schreibt etwa 55 WhatsApp-Nachrichten am Tag.

Wera Aretz, Professorin für Wirtschaftspsychologie, hat in einer Studie herausgefunden, dass 99 Prozent der Befragten dabei Emojis nutzen – und längst sind die Minibilder oder Schriftzeichen, die sie symbolisieren, auch in Mails, Briefen auf Papier, und Medienartikeln nicht mehr tabu.

Aretz stellte fest, dass der Gebrauch von positiv empfundenen Emojis auch einen positiven Eindruck des Absenders beim Empfänger hinterlässt – und dass positive Emojis viel häufiger verwendet werden als andere. Denn insgesamt würde in Kurznachrichten eher über positive Inhalte kommuniziert – für Kritik und negative Botschaften würden Menschen häufiger das persönliche Gespräch wählen. Die Verwendung von negativen Smileys lasse beim Empfänger einen gereizten oder genervten Eindruck des Absenders entstehen – besonders häufig wird etwa das Gesicht mit Augenrollen verwendet, oder die Frau, die sich gegen den Kopf schlägt. „Smileys zu benutzen, erspart einem, prosaische Gefühle auszudrücken“, sagt Aretz. In einer weiteren Studie fand sie heraus, dass Verfasser eines Textes ohne Emojis als durchsetzungsfähiger wahrgenommen werden.

Doch wenn Liebe nur noch durch ein Smiley mit Herzaugen ausgedrückt werden soll – oder Stress ein gelbes Emoji mit herausschauender Gehirnmasse anzeigt, gefährdet das nicht die Ausdrucksfähigkeit der Menschheit? „Nein“, sagt Aretz. Bei Emojis komme es darauf an, paraverbale und nonverbale Ebenen in der digitalen Kommunikation zu ersetzen – die Ausdrucksmöglichkeiten werden also sogar erweitert. Und das persönliche Gegenüber gebe es ja trotzdem noch.

Dürfen weiße Menschen schwarze Emojis nutzen?

Dass Emojis auch politisch wirken, zeigt eine Debatte, die 2016 entbrannte und bis heute schwelt: Nachdem die „Greys-Anatomy“-Schauspielerin Ellen Pompeo einen schwarzen Daumen nach oben und klatschende Hände twitterte, weil ein amerikanischer Nachrichtensender den Titel einer Dokumentation über den Ku-Klux-Klan änderte, nachdem sie diese für rassistische Stimmungsmache kritisiert hatte, erntete sie harsche Kritik. Es hieß, sie würde mit diesen Symbolen für schwarze Menschen sprechen und sie damit bevormunden, ohne zu wissen, wie es sei, schwarz zu sein. „Durch Einführung der Farbcodes entsteht die Notwendigkeit, sich zu verhalten“, sagt Paul Mecheril, Erziehungswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Migration, zu der Möglichkeit, Emojis verschiedenfarbig zu nutzen. Für Weiße, die nicht rassistisch sein oder wirken wollten, falle da die Wahl des weißen Emoji womöglich schwer – und sie flüchten sich in Inszenierungen.

Schließlich ist es wahrscheinlich das, was Emojis sind: Eine Möglichkeit zur Inszenierung. Sie dienen der Selbstdarstellung und individuellem Ausdruck im Schriftgebrauch – ohne Worte.

Joana Nietfeld

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