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Ein Straßenhändler verkauft mit Lachgas gefüllte Luftballons
© dpa

Lachgas als legale Droge: Das Kichern mit dem Kick

Lachgas gilt als Droge mit vielen Vorzügen. Doch die Risiken sind nicht zu unterschätzen.

„Es gibt zwei Methoden Lachgas zu nehmen: die Gesunde und die Dumme, die Dumme knallt besser“, sagt Leila Schmidt.* Knallt besser heißt in Schmidts Fall, dass sich „ein Gefühl kurz vor der Ohnmacht einstellt“, erklärt sie. Dafür würde sie das Gas aus dem Ballon ein und wieder ausatmen – ohne abzusetzen, das verstärke den Sauerstoffmangel.

Leila Schmidt ist einer von vielen jungen Menschen, der Lachgas konsumiert. In Frankfurt am Main gaben 12 Prozent der 15 bis 18-Jährigen während einer Studie von Drogenforschern der Universität Frankfurt an, das Gas aus den Kapseln, die eigentlich zum Aufschäumen von Sahne verwendet werden, bereits probiert zu haben. Im bundesweiten Drogenbericht ist die legale Droge bislang nicht aufgeführt. Doch auch in den Niederlanden wird das Gas zunehmend zu einer beliebten und preiswerten Party-Droge. Laut dem niederländischen Sucht-Bericht hat jeder fünfte Jugendliche zwischen 20 und 24 Jahren schon mal Lachgas inhaliert.

Meistens nimmt die 24-Jährige Schmidt das Gas aus den silbernen Kapseln, die in fast jedem Supermarkt erhältlich sind, gemeinsam mit anderen. Sie brechen die Kapseln mit einem speziellen Öffner auf und lassen das Distickstoffmonoxid in Luftballons strömen. Dann stoßen sie mit den Ballons an. Nur wenn Schmidt „ganz depri“ ist, dann nimmt sie das Gas auch mal alleine. Beim ersten mal muss sie meistens danach kichern, dann überkommt sie eine Wallung. Das Gefühl hält aber nicht länger als 30 Sekunden an. Über den Abend nimmt sie das Gas bis zu zehn Mal hintereinander, wobei die Wirkung immer schwächer und ihr Realitätsverlust immer länger wird.

Mathieu Hölzken ist Unternehmer und hat gerade ein Geschäft mit dem Namen „Falsche Luft“ in der niederländischen Grenzstadt Venray eröffnet. Der Laden liegt keine 70 Kilometer von Krefeld und Mönchengladbach entfernt. Dort verkauft der 48-Jährige einen kurzen Rausch aus dem Ballon. Das Ganze kostet fünf Euro. Hölzkens Kunden können sich auf alten Kinostühlen berauschen, dazu lacht von den Wänden ein riesiger Smiley Tränen – das Firmenlogo. Venrays Bürgermeister Hans Gilissen lacht nicht: „Wir können nicht so viel dagegen tun, nur warnen, dass es Risiken gibt.“

Bei hohen Dosierungen droht Bewusstlosigkeit

Lachgas oder Distickstoffmonoxid ist seit 2016 legal erhältlich. Die Sahnekapseln gibt es für 50 Cent das Stück im Internet oder Supermarkt. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes fällt das Gas nicht länger unter das strenge Arzneimittelgesetz. Es wird aber noch immer bei kleinen Eingriffen etwa beim Zahnarzt zur Betäubung eingesetzt. Oder zur Beruhigung: Viele Praxen werben mit dem Gas während der Behandlung zur Angsthemmung, auch für Kinder. Eine Berliner Praxis lockt kleine Besucher mit der „Rosa Zauberluft“, die nach Kaugummi, Erdbeer oder Pfirsich riechen und und kurze Zeit nach dem Besuch wieder abgeatmet sein soll.

„Lachgaskonsum zur Rauscherzeugung erlebt immer wieder episodische Popularitäts-Wellen, insbesondere in bestimmten Partyszenen, auch in Deutschland“, sagt Psychiater Rainer Thomasius dem Tagesspiegel. Bei hohen Dosierungen können Bewusstlosigkeit, Stürze mitsamt Begleitverletzungen oder Atemstillstand auftreten. Bei chronischer Aufnahme könne es zur Gewöhnung mit Ausbildung einer psychischen Abhängigkeit kommen. „Häufiger Gebrauch kann zur Schädigung von Nervenzellen mit Verschlechterung kognitiver Funktionen, Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis führen“, so Thomasius.

Doch gleichzeitig informiert das Ärzteblatt über Lachgas als Medikament gegen Depressionen. Demnach erzielten Forscher in einer Pilotstudie einstündige Behandlungen bei Patienten mit Depressionen eine sofortige Wirkung, die bis zu eine Woche lang anhielt. Das Lachgas soll einen ähnlichen Wirkmechanismus wie das Pferdebetäubungsmittel und die Partydroge Ketamin haben. Das niederländische Gesundheitsministerium schätzt einen „durchschnittlichen Konsum“ von fünf bis zehn Kapseln einmal im Monat als relativ ungefährlich ein. Doch immer mehr Niederländer würden bis zu 50 Kartuschen am Tag inhalieren und das über einen längeren Zeitraum, heißt es im jüngsten Bericht zu Vergiftungen. Jetzt prüft das Ministerium den Verkauf zu reglementieren.(mit dpa)

Joana Nietfeld

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