Jahresrückblick des Deutschen Wetterdienstes: Frühe Blüte im Frost dahin
2017 war ein Jahr voller Extreme – der Deutsche Wetterdienst mahnt deshalb zum Einhalten der Klimaziele.
Im vergangenen Jahr schlug das Wetter wieder Kapriolen. Zwei der vielen Extremwetterereignisse ereigneten sich in Berlin. Innerhalb von gut drei Wochen wurde die Stadt zweimal getroffen: Am 29. Juni brachte das Tief „Rasmund“ Niederschlagsmengen von durchschnittlich 150 Litern pro Quadratmeter. An der Wetterstation Tegel wurden sogar knapp 200 Liter gemessen. „Damit wurde der sogenannte 100-jährige Wiederkehrwert – die Niederschlagsmenge, die in einem Ort nur alle 100 Jahre zu erwarten ist – um 100 Prozent übertroffen“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, Paul Becker, am Dienstag beim Jahresrückblick in Berlin. Nach Angaben der Deutschen Versicherungswirtschaft entstanden dabei Schäden von 60 Millionen Euro.Am 22. Juli brachte dann eine Gewitterfront innerhalb von Stunden so viel Regen, dass die Feuerwehr noch einmal den Ausnahmezustand ausrufen musste.
Gleichzeitig war der Sommer in ganz Deutschland 1,6 Grad wärmer als im langjährigen Mittel. Zum Vergleich wird dafür die Periode von 1961 bis 1990 herangezogen – eine Übereinkunft der Weltorganisation für Meteorologie, um die Daten vergleichbar zu machen.
Frostschaden als Naturkatastrophe
Das extremste Wetterereignis aus Sicht des DWD war der Temperaturrekord im März mit einer Durchschnittstemperatur von 7,2 Grad. Das waren 3,7 Grad mehr als der Mittelwert und 0,2 Grad mehr als in den beiden Rekordjahren 1938 und 1989. Auch die Sonne schien ungewöhnlich oft, so dass der Monat schon frühsommerlich wirkte. Deshalb blühten die Obstbäume dann zwölf Tage früher als im Durchschnitt. „Mit dem Frost am 20. April waren die Verluste für Obstbauern und Winzer dann so enorm, dass das Land Baden-Württemberg das Ereignis als Naturkatastrophe wertete. In vielen Bundesländern wurden die Schäden als existenzbedrohend eingestuft“, sagte Paul Becker.
Menschenleben kosteten die beiden Herbststürme „Xavier“ und „Herwart“. Als „Xavier“ am 5. Oktober von der Nordsee über Brandenburg und Sachsen fegte, kippten viele Bäume um, weil sie noch im vollen Laub standen. Sieben Menschen verloren ihr Leben. Die Berliner Verkehrsbetriebe stellten Bus- und S-Bahn-Verkehr ein. „Herwart“ überdeckte ein breiteres Gebiet. An der Nordsee kam es zu einer Sturmflut. Vier Menschen starben.
Weltweit war das Jahr 2017 eines der drei wärmsten seit 1880, berichtet der DWD weiter. In Deutschland verlief die Erwärmung nicht ganz so stark. Mit einer Mitteltemperatur von 9,6 Grad war das Jahr das sechstwärmste der 137 Jahre umfassenden deutschen Temperaturzeitreihe. Europaweit war 2017 das fünftwärmste seit Aufzeichnungsbeginn.
"Fingerzeig für die Zukunft"
Die Häufung der Extremwetterereignisse sieht der DWD als „Fingerzeig für die Zukunft“. Sie seien ein Indiz für langfristige Änderungen des Wetters aufgrund des menschengemachten Klimawandels. Allerdings fügte Becker wissenschaftlich korrekt hinzu, dass ein statistischer Beweis dafür noch aussteht. Das liegt zum einen daran, dass Extremwetter vergleichsweise selten auftritt und die langen Zeitreihen fehlen. Starkregen ist außerdem oft lokal begrenzt. Erst seit 2000 erfasst der DWD Niederschläge flächendeckend mit dem Radar und ergänzt damit die Daten des Bodenmessnetzes.
Dennoch: „Aus Sicht der Daseinsvorsorge scheint es sinnvoll, sich schon heute auf eine Zukunft mit mehr Wetter- und Klimaextremen in Deutschland einzustellen“, sagte Becker. Gleichzeitig müsse Deutschland ernsthafte Anstrengungen unternehmen, seine Klimaziele zu erreichen. „Eine ganz wichtige Maßnahme auf diesem mühsamen Weg ist der Ausbau der erneuerbaren Energien“, ergänzte Thomas Deutschländer vom Deutschen Wetterdienst.
Ob Photovoltaik und Windkraft zuverlässig genug Strom für Deutschland und Europa liefern können, hat der DWD aufgrund von Daten der vergangenen 20 Jahre berechnet. Das Ergebnis: Die im Sommer stärkere Sonneneinstrahlung und der im Winter stärkere Wind gleichen Schwankungen weitgehend aus. Nur an vier Tagen im Jahr gab es in Deutschland statistisch eine so starke Dunkelflaute, dass die erneuerbaren Energien weniger als zehn Prozent ihrer möglichen Leistung erreichten. Betrachtet man ganz Europa, waren es sogar nur zehn Stunden im Jahr, weil die Ausgleichsmöglichkeiten mit der Fläche steigen.
Für seine Untersuchung hat der DWD ein sehr kleines Raster von Quadraten mit sechs Kilometer Kantenlänge über den Kontinent gelegt. Um die Stärke des Windes zu ermitteln, wurden Daten aus Modellen für die Wettervorhersage zugrunde gelegt. Die Werte der Sonne stammen vom Satelliten Eumetsat.
Allerdings setzte der DWD ein perfektes Netz voraus, mit dem Strom jederzeit von A nach B transportiert werden könnte. Andererseits nahmen die Wissenschaftler an, dass die Wind- und Photovoltaikanlagen gleichmäßig über Europa verteilt wären, während Solarkraft in der Realität eher im Süden und Wind eher an der Küste ausgebaut wird. In Wirklichkeit wäre die Erzeugung also größer. Für Zeiten der Dunkelflaute müssten aber mit Sicherheit Reservekapazitäten vorgehalten werden, lautet das Fazit der Meteorologen.