Urteil im Duisburger Loveparade-Prozess: Feuerwehrmann geht leer aus: "Typisches Berufsrisiko"
Fünf Jahre nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg weist das Landgericht die erste Zivilklage ab. Der Feuerwehrmann kündigt an, in Berufung zu gehen.
Gerade einmal eine Minute dauerte am Montag die Verkündung des Urteils im Loveparade-Verfahren in Duisburg. Die Klage eines Feuerwehrmannes auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, die erste Zivilklage zu der Katastrophe vor fünf Jahren, wurde vom Landgericht Duisburg als unbegründet abgewiesen. Der Grund: Es habe ein typisches Berufsrisiko vorgelegen. Zudem zähle der 53 Jahre alte Feuerwehrmann nicht zu den unmittelbar Geschädigten.
Für das Gericht war es eindeutig, dass nur der unmittelbar Verletzte Ansprüche habe, nicht aber derjenige, der die Verletzung oder den Tod anderer lediglich miterlebe, heißt es in der Begründung des Urteils. Insbesondere habe der Feuerwehrmann nicht die Verletzung oder den Tod naher Angehöriger erleben müssen, so das Gericht. Gerade für Rettungskräfte gehöre es zum Beruf, im Rahmen von Einsätzen mit dramatischen Ereignissen konfrontiert zu werden. Könnten Rettungskräfte das Erlebte nicht verarbeiten und erkrankten psychisch, sei das nicht demjenigen zuzurechnen, der den Einsatz ausgelöst hat, so das Gericht.
Der Feuerwehrmann Ralf S. dagegen will in die nächste Instanz gehen. Das wäre das Oberlandesgericht in Düsseldorf. „Mein Rechtsempfinden ist anders, ich fühle mich nicht ernst genommen“, sagte er direkt nach der Urteilsverkündung. Er verstehe das Urteil auch gar nicht. Es sei widersprüchlich, da er Anfang des Monats Geld aus einem Hilfsfonds des Landes Nordrhein-Westfalen bekommen habe, aufgrund seiner Verletzungen durch die Loveparade-Katastrophe. Und nun werde bestritten, dass seine Verletzungen der Loveparade-Katastrophe zuzurechnen seien.
Ralf S. verlangt weiter Entschädigung für seinen Einsatz beim tödlichen Loveparade-Unglück vor fünf Jahren. Er fordert 90 000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld vom Land Nordrhein-Westfalen und vom Veranstalter Lopavent. Nach eigenen Angaben erlitt er eine posttraumatische Belastungsstörung, als er zum Unglücksort geschickt wurde. Bei dem Technofestival hatte sich an einer Rampe ein tödliches Gedränge gebildet. 21 Menschen starben, über 500 wurden verletzt.
Als Ralf S. zur Urteilsverkündung kam, wirkte er sichtlich erschöpft. Jeder Tag in Duisburg sei für ihn eine große Last, erzählte er. Inzwischen verbringe er viel Zeit in seinem 600 Kilometer entfernten Ferienhaus. Denn in Duisburg könne er nicht abschalten, er werde jeden Tag an das Erlebte erinnert. Ralf S. ist inzwischen zu 80 Prozent schwerbehindert und lebt von seiner Rente.
Am Tag der Loveparade, am 24. Juli 2010, war Ralf S. als Hauptbrandmeister der Stadt Duisburg eingesetzt worden. Er war zuständig für den Eskalationsfall. Sein Dienst fing um 8 Uhr an. Nach 17 Uhr wurde er zur sogenannten Lageerkundung zum Tunnel gerufen. Das letzte Stück ging er zu Fuß, als ihm zahlreiche Menschen entgegenkamen, die den Tunnel fluchtartig, hysterisch und in Panik verließen. Bis zur Rampe kam er nicht. Als er zurück in der Wache war, erfuhr er, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Tote und mehrere Verletzte gegeben hatte. Danach wurde er wieder zur Einsatzstelle gebracht, wo er von verletzten, verstörten und traumatisierten Menschen bedrängt wurde.
Auch seine Anwältin Bärbel Schönhof spricht in Bezug auf das Urteil von einem „eklatanten Widerspruch“. Das Gericht berücksichtige nicht die „Verursachung der Gefahrensituation“. Sie will für ihren Mandanten in Berufung gehen. Dafür hat sie vier Wochen Zeit. Und dann noch einmal vier Wochen, um dies zu begründen. Mit einem rechtskräftigen Urteil ist somit in diesem Jahr wohl nicht mehr zu rechnen. Der Feuerwehrmann muss die Kosten des Rechtsstreits nicht aus der eigenen Tasche zahlen, er ist versichert.
Der Anwalt des beklagten Landes sowie der Anwalt des Veranstalters waren zum Gerichtstermin nicht erschienen. Auf Nachfrage sagte der Anwalt des Landes NRW, Ingo Minoggio, aus seiner Sicht habe eine Berufung „keine Erfolgsaussichten“. Das sei im Urteil ausführlich und sorgfältig begründet.
Insgesamt sind im Zusammenhang mit der Katastrophe noch acht Zivilklagen anhängig und zehn Prozesskostenhilfeverfahren. Nach Angaben des Landgerichts handelt es sich überwiegend um Klagen von Besuchern, die angaben, nach der Katastrophe an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt zu sein. Ob es auch eine strafrechtliche Aufarbeitung des Unglücks geben wird, steht noch immer nicht fest. Das Landgericht prüft noch, ob es die Anklage gegen zehn Mitarbeiter der Stadt Duisburg und den Veranstalter zulässt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vor.
Stephanie Hajdamowicz
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