Der Fall Pistorius: Familie von Reeva Steenkamp besteht auf Gefängnisstrafe
Im Prozess gegen Oscar Pistorius geht die Familie des Opfers Reeva Steenkamp in die Offensive: Als Strafe für die tödlichen Schüsse sei Hausarrest unangemessen - der Täter müsse ins Gefängnis.
Die Familie des von Oscar Pistorius erschossenen Models Reeva Steenkamp besteht darauf, dass der südafrikanische Paralympics-Star die Tat im Gefängnis büßt. „Herr Pistorius muss für das bezahlen, was er meiner Familie angetan hat“, erklärte eine Cousine der Getöteten am Donnerstag. Sie äußerte sich im südafrikanischen Pretoria bei der gerichtlichen Anhörung zum Strafmaß für den Sportler.
Der heute 27-Jährige hatte seine 29-jährige Freundin Reeva Steenkamp im Februar 2013 in seinem Haus bei Pretoria durch eine geschlossene Toilettentür erschossen. Er beteuert, sie mit einem Einbrecher verwechselt zu haben. Pistorius wurde im September der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen.
Steenkamps Cousine Kim Martin trat in Abstimmung mit der Familie als Zeugin der Anklage auf. Empört wies sie die Empfehlung von Gutachtern der Verteidigung zurück, Pistorius statt Gefängnis nur Hausarrest in Kombination mit gemeinnütziger Arbeit aufzuerlegen. Das sei keineswegs angemessen, erklärte Martin. „Jemandem zu erschießen, verlangt eine angemessene Strafe“, sagte sie.
Richterin Thokozile Masipa muss nach Anhörung aller Argumente über die Strafe entscheiden. Das Strafmaß könnte nach südafrikanischem Recht bis zu 15 Jahre Gefängnis betragen. Möglich wäre aber auch, dass Pistorius mit Hausarrest oder einer zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafe davonkommt.
Wann die Richterin entscheidet, die am Donnerstag 67 Jahre alt wurde und im Gerichtssaal Glückwünsche entgegennahm, blieb weiter unklar.
Möglich erscheint inzwischen, dass die Strafmaß-Verkündung erst im November erfolgt. Richterin Masipa hatte die Anwälte zum Abschluss des Verhandlungstages am Mittwoch darauf hingewiesen, dass sie in den kommenden drei Wochen andere Verpflichtungen habe.
Ebenfalls als Zeuge der Anklage erklärte der amtierende Chef des südafrikanischen Strafvollzugs, Zach Modise, am Donnerstag, auch Behinderte könnten in Südafrikas Gefängnis menschenwürdig untergebracht und betreut werden. Er widersprach damit Angaben der Verteidigung, wonach der beidseitig beinamputierte Pistorius schutzlos der Gewalt brutaler Mithäftlinge ausgesetzt wäre.
Es gebe in Südafrika durchaus Haftanstalten, die auf Behinderte eingestellt sind, sagte Modise. Dies gelte für Hygiene-Einrichtungen ebenso wie für die Zellen und den Zugang zu medizinischer und psychologischer Betreuung.
Pistorius' Verteidiger Barry Roux führte dagegen Berichte über Folter und Vergewaltigungen in Haftanstalten des Landes ins Feld. Eine Gutachterin der Verteidigung hatte am Mittwoch erklärt, Pistorius müsse befürchten, dass man ihm seine Hightech-Prothesen wegnimmt. Er wäre Gewalttaten schutzlos ausgeliefert, erklärte sie. „Das Gefängnis würde ihn endgültig brechen.“ Nach dem Abschluss der mündlichen Anhörungen, womit bis diesen Freitag gerechnet wird, müssen die Prozessparteien ihre Vorstellungen zum Strafmaß auch schriftlich einreichen. Aufgabe der Richterin ist es dann, alle Argumente und Empfehlungen abzuwägen. Experten gehen daher davon aus, dass Pistorius womöglich erst in einigen Wochen erfährt, ob er für die fahrlässige Tötung seiner Freundin ins Gefängnis muss oder lediglich Hausarrest bekommt. dpa