zum Hauptinhalt
Noch viel Redebedarf: Der erste Euro-Zonen-Gipfel der EU seit dem Höhepunkt der Griechenland-Krise 2015 liefert eher magere Ergebnisse
© REUTERS/Eric Vidal

EU-Gipfel: EU-Mitgliedsländer streiten weiter über Flüchtlingspolitik

An den Grenzen der Solidarität: Der Streit über verpflichtende Quoten und bei der Reform der Euro-Zone wird die EU auch 2018 beschäftigen.

Rund drei Stunden Diskussionen beim Gipfel-Abendessen reichten nicht, um den Streit über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik der 27 EU-Mitgliedsländer auszuräumen. Als Kanzlerin Angela Merkel am Freitagfrüh kurz nach Mitternacht das Ratsgebäude verließ, stellte sie fest: „Hier haben sich die Standpunkte nicht verändert.“

Bis zum Sommer, wenn eine Reform des nicht funktionierenden Dublin-Systems zur Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU stehen soll, sei „noch ein großes Stück Arbeit zu leisten“. Die Kanzlerin gibt weiter EU-Ratspräsident Donald Tusk Kontra, der die verpflichtenden Quoten zur Aufnahme von Migranten als „entzweiend“ für die EU und in der Sache als „unwirksam“ bezeichnet hatte. Merkel sagte: „Mit der einfachen Feststellung bin ich nicht einverstanden, dass die Regelungen, die wir bisher getroffen haben, nicht funktionieren.“

EU bekennt sich weiter zur Zwei-Staaten-Lösung

In der Außenpolitik der EU ging es da einvernehmlicher zu. Beim Ukraine- Konflikt sprechen sich die Staats- und Regierungschefs einmütig dafür aus, die Sanktionen gegen Russland im Januar zu verlängern. Und beim Nahost-Konflikt sind sich alle einig, dass sich die EU weiter zur Zwei-Staaten-Lösung bekennt. Über den künftigen Status von Jerusalem könne nur in Verhandlungen entschieden werden, in die beide Seiten, also Palästinenser und Israelis, eingebunden sind. Damit widerspricht der Gipfel förmlich US-Präsident Donald Trump, der einseitig Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen und die US-Botschaft dorthin umziehen lassen will.

Wie weit Solidarität geht, ist zwischen den Mitgliedstaaten nicht nur bei der Zuwanderung umstritten. Letztlich geht es darum auch bei der Reform der Euro-Zone. Nur mit anderem Vorzeichen: Während die Bundesregierung bei der Flüchtlingsfrage Solidarität von Polen, Tschechien und Ungarn anmahnt, ist die Neigung in Berlin weniger ausgeprägt, diese zu gewähren, wenn es um Staatshaushalte und Sozialversicherungssysteme geht.

Macrons Pläne vorerst abgeblockt

Der erste Euro-Zonen-Gipfel der EU seit dem Höhepunkt der Griechenland-Krise 2015 liefert denn auch eher magere Ergebnisse. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der ein eigenes Budget für die Euro-Zone von mehreren Hundert Milliarden Euro gefordert hatte, erfuhr einen Dämpfer. Auch der Vorstoß der EU-Kommission, unter ihrem Dach einen EU-Finanzminister zu schaffen, der zugleich Chef der Euro-Gruppe wird, stößt bei den Staats- und Regierungschefs nicht auf große Begeisterung.

Der Gipfel gab sich mit überschaubaren Arbeitsaufträgen an die Finanzminister zufrieden: Die Bankenunion soll vorangetrieben werden. Dafür soll ein Notfall-Puffer geschaffen werden, sollten bei Bankenpleiten die Mittel des Fonds zur Bankenabwicklung nicht ausreichen. Unumstritten ist außerdem die Weiterentwicklung des Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds.

Die Ergebnisse zur Reform der Euro-Zone fallen auch deswegen so spärlich aus, weil die geschäftsführende Regierung in Berlin nicht sprechfähig ist. Merkel kann sich nicht festlegen, um die SPD nicht bei den möglichen Koalitionsgesprächen zu verprellen. Immerhin kündigen Merkel und Macron nach dem Gipfel gemeinsam an, bis März die deutschen und französischen Pläne zur Reform der Euro-Zone abzugleichen. Merkel sagt: „Ich will es, und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.“ Mit dieser Ansage setzt sie indirekt auch ein Ultimatum für die Gespräche mit der SPD in Berlin: Bis März will sie also die Regierungsbildung in Berlin abgeschlossen haben.

Neuer Ärger bei den Brexit-Verhandlungen?

Inhaltlich legen sich Merkel und Macron nicht fest. Merkel erinnert daran, dass bei allen fundamentalen Weichenstellungen wie etwa bei der Gründung der Europäischen Zentralbank (EZB) und beim Stabilitätspakt die Vorstellungen Frankreichs und Deutschlands anfangs immer weit auseinanderlagen: "Es war immer ein Ringen um den richtigen Weg. Herausgekommen ist dann aber stets ein gutes Ergebnis." Und Macron macht deutlich, dass er kompromissbereit ist: "Ich habe klar gesagt, was Frankreich will, nun bin ich offen für den Dialog."
Wie erwartet gibt der Gipfel grünes Licht für die nächste Phase der Brexit-Verhandlungen. Im Gipfel-Dokument heißt es: „Der Fortschritt in den Verhandlungen reicht aus.“ Demnächst soll über die womöglich zweijährige Übergangsphase verhandelt werden, in der das Vereinigte Königreich nach dem förmlichen Austritt aus der EU Ende März 2019 noch in der Zollunion und im Binnenmarkt bleiben will. Außerdem sollen die Gespräche darüber beginnen, wie die künftigen Beziehungen zwischen Brüssel und London aussehen, wenn die Scheidung komplett vollzogen ist.

Im Vorfeld des Gipfels sorgten Äußerungen des britischen Brexit-Ministers David Davis, der Teile der Einigung zwischen London und Brüssel aus der Vorwoche wieder infrage gestellt hatte. Darauf hat der Gipfel reagiert. Im Dokument heißt es: Fortschritte könne es in der zweiten Verhandlungsphase nur geben, wenn die Einigung in der ersten Phase respektiert wird. Ein EU-Diplomat nennt dies: "Damit ist unser Beschluss Davis-sicher", für Ärger.

Zur Startseite