Sri Lanka nach dem Tsunami: Ein Zelt, eine Hütte, ein Haus
Neuköllner sammelten nach dem Tsunami für Opfer in Sri Lanka, ein Dorf wurde von dem Geld gebaut. Die Fischer in Tangalle würden den Kontakt nach Berlin gerne wieder aufleben lassen.
Das beklebte Schild nach Rekawa an der Hauptstraße von Hambantota nach Tangalle im Süden von Sri Lanka ist zwischen all den Werbebotschaften der Mobilfunkanbieter und Plakaten von Präsident Mahinda Rajapaksa auf den ersten Blick kaum auszumachen. In die Siedlung Hettiya Pokuna ein paar Kilometer weiter verirrt sich kaum ein Tourist.
J. H. Wasantha stolpert an diesem Morgen überrascht aus der Dusche, rubbelt sich die Locken trocken. Die ganze Familie des hageren Fischers läuft zusammen, seit Jahren war kein Besuch aus Berlin mehr hier. Sie alle erinnern sich noch gut an die Neuköllner, die ihnen im März 2006 ihre schmucken neuen Häuser samt Einrichtung übergeben haben.
Als die mit einem Singhalesen verheiratete Cordula Klein nach dem Tsunami 2004 zu sammeln begann, machte Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky die Hilfe zur Chefsache, erinnert sich die ehemalige Koordinatorin des Projektes, die heutige Bezirksbildungsstadträtin Franziska Giffey. 84.000 Euro kamen zusammen. Sie wollten eine Schule wieder aufbauen. Doch dann stellten sie fest, „dass die schon von einer japanischen Hilfsorganisation gebaut wurde“. Gemeinsam mit dem damaligen Büroleiter der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) planten sie um – für 13 geräumige Häuser, ein Gemeinschaftshaus und einen Spielplatz reichte das Geld. Bei der Einweihung ließ Franziska Giffey einen Buddy-Bären da: „Rixie“ sollte Frieden und Freundschaft symbolisieren und als guter Geist über das kleine neue Dorf wachen.
„Den Tag des Tsunami werde ich nie vergessen“
Auf den in der tropischen Witterung inzwischen verblassten Fotos von damals ist der bunte Bär in den Händen des inzwischen 14-jährigen Sohns noch zu erkennen. Sureka, seine 16-jährige Schwester, hat die Bilder geholt. „Den Tag des Tsunami werde ich nie vergessen“, sagt sie. Sie alle sind damals auf einen kleinen Berg gerannt, als die zweite Welle kam. Die erste hatte sie nicht so sehr beeindruckt, „sie ging nur bis zum Schienbein“, erzählen sie.
Sureka zeigt auf den Bildern die verschiedenen Notunterkünfte: erst ein Zelt am Strand, eine mit Wellblech verkleidete Hütte und dann, endlich, dieses Haus. Sie mag ihr Haus sehr. Unten am Meer möchte sie nicht mehr wohnen – aber Angst hat sie vor dem Wasser nicht. Mit ihren Freunden geht sie öfter baden. Das schüchterne Mädchen von den Fotos ist inzwischen eine aufgeweckte junge Frau. Wenn sie nächstes Jahr die Schule verlässt, will sie Computerkurse besuchen. „Das ist mein Traum.“ Später würde sie gern Anwältin werden, sagt sie mit einem umwerfenden Lächeln auf dem Gesicht. Am liebsten hätte sie einen eigenen Computer, wenn jemand mit ihr chatten würde, wäre das wunderbar, sagt sie. Anders als die Eltern kann sie Englisch. Aber daran ist kaum zu denken. Die 20-jährige Schwester hat vergangenes Jahr geheiratet und einen fünf Monate alten Sohn auf dem Arm. Ihr Mann arbeitet im Straßenbau, er ist auf Montage.
Ansonsten lebt die Familie noch immer vom Fischfang. „Aber es gibt nicht jeden Tag Arbeit“, erzählt der Vater, der sich einen blauen Sarong um die Hüfte geschlungen und auf den sandigen Boden gehockt hat. Die Mutter bringt für alle stark gesüßten Tee, wie sie ihn hier so gerne trinken. Er seufzt und zieht die knochigen Schultern hoch: „Das tägliche Leben ist für uns sehr schwer.“ Der 44-Jährige wünscht sich ein eigenes kleines Boot, dann wäre er nicht mehr auf einen Arbeitgeber angewiesen. Wenn es Lohn gibt, bleibt davon nichts übrig.
Das üppige Grün verdeckt die Armut
In den vergangenen Jahren ist er meist gemeinsam mit dem Stiefbruder (31) auf einem Trawler auf Vierwochentour gegangen. M. P. Jajantha, der drei Häuser weiter wohnt, ist auch in den Vorgarten gekommen. Überall in der kleinen Siedlung wachsen Mangobäume und Bananenstauden, das üppige Grün verdeckt die Armut ein wenig. Unter Schmerzen bittet Jajantha den 14-Jährigen, ihm beim Ausziehen seines Hemdes zu helfen – darunter kommen schwerste Verbrennungen und mit gelben Mullpflastern verbundene Wunden zum Vorschein. Hände und Unterarme stecken in überlangen hautfarbenen Handschuhen, seine Finger kann er kaum bewegen. „Auf dem Boot ist ein Feuer ausgebrochen, an einer der Batterien“, erzählt er und streckt die ebenfalls von Narben überzogenen Füße in die Flipflops zurück. „Das war vor einem Jahr.“ Der Stiefbruder hat nur geringe Verletzungen an den Armen davongetragen, er jedoch kann seither nicht mehr rausfahren. Im Januar soll er zur Physiotherapie.
Auch die Schule für seine Töchter und den sechsjährigen Sohn beginnt dann wieder. „Wir können aber ihre Übungshefte nicht bezahlen.“ Sein Sohn versteht das alles noch nicht, er futtert munter seinen mittäglichen Reis von einem rosa Plastikteller in sich hinein.
Franziska Giffey, Heinz Buschkowsky und all die Spender von damals wissen zu dem Zeitpunkt nichts von dem Schicksal dieser Fischerfamilien. Seit der Projektleiter der GTZ aus Krankheitsgründen seine Arbeit aufgegeben habe, sei der Kontakt abgebrochen, erzählt die Bezirksbildungsstadträtin, die vor dem Besuch aber rasch Fotos von der Einweihung raussuchte, an die auch sie sich noch gut erinnert. Im neuen Haus der Familie Wasantha gab es im März 2006 ein üppiges Festessen für die Gäste aus Neukölln. Die Wasanthas würden sich wünschen, dass der Kontakt wieder auflebt. Sureka hat extra ihre Telefonnummer aufgeschrieben.
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