Umweltverschmutzung: Die Reinigung der Meere hat begonnen
80 Millionen Tonnen Plastik schwimmen im Wasser. Zwei Projekte wollen den Müll filtern. Im Nordpazifik hat "The Ocean Cleanup" jetzt angefangen.
Das Europaparlament will die Plastikverschwendung eindämmen. Der neu beschlossene Richtlinien-Entwurf soll verhindern, dass weiterhin so riesige Mengen an Plastik ins Meer gelangen. Schätzungen zufolge fließen allein aus der EU jedes Jahr 150.000 bis 500.000 Tonnen in die Ozeane. Doch auch die neue Richtlinie wird die Verschmutzung nicht vom einen auf den anderen Tag verhindern – und außerdem schwimmen der Umweltorganisation WWF zufolge bereits 80 Millionen Tonnen Plastik im Wasser.
Es ist also nicht ausreichend, nur den zukünftigen Müll zu reduzieren: Zusätzlich muss aufgeräumt werden. Darum will sich der Niederländer Boyan Slat kümmern. Der 24-Jährige hat vor mehreren Jahren die Organisation „The Ocean Cleanup“ gegründet und einen schwimmenden Müllfänger entwickelt. Seit einer Woche ist das System im Einsatz. „Die Reinigung hat offiziell begonnen. Das ist ein großartiger Moment“, sagt Rick van Holst Pellekaan, Sprecher von „The Ocean Cleanup“.
Anfang September ist eine Crew von 27 Menschen aus der Bucht von San Francisco in den Nordpazifik aufgebrochen und hat die 600 Meter lange Konstruktion ins Meer gezogen. Mittlerweile haben sie das Ziel der Reise, den Nordpazifikwirbel, erreicht. Der Wirbel gilt als eines der dreckigsten Gebiete der Meere und wird auch als „Great Pacific Garbage Patch“ (Großer Pazifischer Müllfleck) bezeichnet. Wissenschaftler gehen von 1,8 Billionen Plastikteilchen aus, die in dem Gebiet zwischen Hawaii und Kalifornien schwimmen. Der „Müllfleck“ ist rund 1,6 Millionen Quadratkilometer groß – Deutschland würde vier Mal hineinpassen.
"The Ocean Cleanup" will den Müll an Land bringen
Slats Konstruktion namens „System 001“ ist ein U-förmiger Schwimmkörper aus Kunststoff, von dem eine Art Vorhang drei Meter tief ins Wasser hängt. Die Strömung des Wirbels soll den Müll zwischen die beiden „Fangarme“ treiben und dort so lange sammeln, bis ein Schiff das Plastik abholt und an Land bringt. Dort kann der Müll recycelt werden.
Viele Kritiker zweifelten an der Wirksamkeit von Slats Erfindung, aber zumindest nach den ersten Tests im Pazifik sind die Crew-Mitglieder zufrieden. Sie mussten zum Beispiel prüfen, ob ihr System sich anpassen kann, wenn sich die Wind- und Wellenrichtungen ändern. „Alle Tests waren erfolgreich“, berichtet van Holst Pellekaan. Auf dem Containerschiff kooperieren momentan Mitarbeiter der dänischen Reederei Maersk zusammen mit einem internationalen Team von „The Ocean Cleanup“. In Kürze werden sie an Land gehen, da das „System 001“ autonom arbeiten kann, erklärt der Sprecher des Projekts. Wann genau ein Schiff die erste Ladung Müll an Land bringt, ist noch nicht sicher. Es könnte ein seltener Moment sein, in dem sich Menschen freuen, wenn eine riesige Menge an Müll zu ihnen gebracht wird.
Eine Aachenerin arbeitet an einer schwimmenden Plattform
Slat und sein Team sind nicht die einzigen, die die Ozeane aufräumen wollen. Auch die Aachener Architektin Marcella Hansch arbeitet an einer Lösung, die die Massen an Müll aus dem Meer filtern könnte. Beim Tauchen im Urlaub ärgerte sich die 31-Jährige über Plastiktüten, die vor ihren Augen im Wasser schwammen. Dort habe sie „mehr Plastik als Fische“ gesehen.
Dagegen wollte sie etwas tun und hat als Abschlussarbeit ihres Masterstudiums eine schwimmende Plattform konzipiert, die die Meeresströmung punktuell bis zu etwa 50 Metern Tiefe beruhigen soll. Dadurch könnte das Plastik, das eine geringere Dichte als Wasser hat, aufsteigen und von der Wasseroberfläche abgeschöpft werden. Netze will Hansch dabei nicht verwenden, um Fische und andere Meerestiere nicht zu gefährden.
Ihr Ansatz geht sogar noch weiter als die Sammlung des Mülls: Sie will die Plastikabfälle zu Energie und biologisch abbaubaren Kunststoffen umwandeln. Da die Molekülstruktur durch das Salzwasser zerstört sei, wäre Recycling nicht mehr sinnvoll, erklärt Hansch.
Mittlerweile arbeiten an ihrem Projekt „Pacific Garbage Screening“ über 35 Menschen. Per Crowdfunding hat Hansch für ihren Verein im Sommer diesen Jahres mehr als 200.000 Euro eingesammelt. Für den Bau eines Prototyps ist aber eine höhere finanzielle Unterstützung notwendig, sie rechnet mit einem Zeitraum von fünf Jahren.
Pro Jahr sterben mehr als 100.000 Tiere an Plastikmüll im Meer
Auch Boyan Slat nutzte anfangs Crowfunding als Finanzierungsmöglichkeit. Nach einer ersten Runde mit 90.000 eingenommenen Euro im Jahr 2013 investierten Unternehmen und Privatspender innerhalb der vergangenen fünf Jahre etwa 32 Millionen Dollar in „The Ocean Cleanup“. Slat und sein Team stehen also unter Druck – nicht nur wegen der Investoren und Spender, sondern auch wegen der Tiere, von denen jedes Jahr bis zu 100.000 Meeressäuger an Plastikmüll sterben.
Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung will vor einer Einschätzung von den Möglichkeiten von „The Ocean Cleanup“ erst einmal Ergebnisse abwarten. Um Plastikmüll im Meer zu vermeiden, sollte man vermehrt Kunststoffe einsetzen, die biologisch abbaubar sind, heißt es aus dem Institut. Außerdem müssten Verpackungsmaterialien generell reduziert werden.
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