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Unterricht in der Rütli-Schule.
© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin zehn Jahre nach dem Brandbrief: Die Neuköllner Rütli-Schule hat gezeigt, wie es gehen kann

Berlin hat zwar kein Hauptschulproblem mehr, aber dafür ein Personalproblem. Die Schulen brauchen Geld - und gute Leute. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Vieth-Entus

Selbst leidenschaftliche Pessimisten werden es nicht schaffen, diese Geschichte schlechtzureden. Die Geschichte der Neuköllner Rütli-Hauptschule, die vor zehn Jahren einen Hilferuf verfasste und zum Vorzeigeprojekt mutierte; die heute ein ganzer Campus ist und zeigt, wie Schule im sozialen Brennpunkt funktionieren kann. Nur – was sagt uns das im Jahr 2016?

In erster Linie wohl zunächst einmal dies: Erfolg ist machbar, wenn alle es wollen. Und das Erfolgsrezept besteht nur aus zwei Zutaten: Geld und guten Leuten. Diese Erkenntnis ist einfach zu gewinnen, aber offenbar schwer umzusetzen. Wie sonst sollte man erklären, dass es im Jahr 2016 noch immer Berliner Schulen gibt, deren gefühlte Lage nicht besser ist als die von Rütli anno 2006 – wie man den Dutzenden verheerenden Inspektionsberichten entnehmen kann, die im Netz versammelt sind.

Egal, welche dieser abgehängten, abgekanzelten und abgeschriebenen Schulen man betrachtet: Kaum eine von ihnen hat einen überzeugenden Schulleiter. Schlimmer noch, viele warten seit Jahren darauf, dass ihre freien Leitungsstellen überhaupt besetzt werden. Berlin im Jahr 2016 hat zwar kein Hauptschulproblem mehr, aber dafür ein Personalproblem, vor allem an den Grundschulen, deren Rektorenstellen jahrzehntelang schlecht dotiert waren und zum Teil noch sind. Die Schulleiter bekommen erst neuerdings mehr Geld, die Konrektoren müssen ihre Mehrarbeit weiterhin praktisch ohne finanziellen Ausgleich tun.

Jahrelang haben sich Berlins Bildungssenatoren gängeln lassen von übermächtigen Finanzsenatoren, die darauf setzten, dass Berlins Schülerzahlen zurückgehen und sich das Personalproblem so von selbst lösen würde. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Die Schülerzahl wächst immens, und Berlin kommt nicht umhin, tief in die Tasche zu greifen, um gute Leute in die Stadt zu holen – auch an die unattraktive Peripherie von Hellersdorf oder Spandau.

Eine "Buschzulage" für Berlin?

Brandenburg hat vorgemacht, dass es rechtlich durchaus möglich ist, „Buschzulagen“ zu zahlen, um auch unattraktive Schulstandorte mit Personal zu versorgen. Diesen Weg muss offenbar auch Berlin gehen, wenn es die anderen Rütlischulen in den sozialen Brennpunkten mitnehmen will. Und es muss dafür sorgen, dass die seit Langem vernachlässigten Schulen die ersten sind, die mit den neuen Verwaltungsleitern gestärkt werden. Ein Schulleiter, der eine darniederliegende Schule neu aufstellen soll, kann seine Zeit nicht damit verbringen, Verträge für Vertretungskräfte auszuhandeln oder neue Lampen fürs Treppenhaus zu organisieren. Er muss entlastet werden.

Berlins Schulverwaltung hat gewiss viel damit zu tun, zum Sommer rund 2000 neue Lehrer zu suchen. Sie wird in den Niederlanden nach ihnen suchen, in Bayern, Hamburg und Österreich. Und dennoch muss es jetzt auch mehr denn je darum gehen, gute Schulleiter zu gewinnen. Denn dass der Fisch vom Kopf her stinkt, gilt ganz besonders für Schulen. Vielleicht muss der Senat auch mehr als bisher versuchen, Schulleiter aus gut funktionierenden Schulen in führungslose Schulen umzusetzen: Warum wird zu diesem Mittel erst immer dann gegriffen, wenn Brandbriefe geschrieben werden? An diesem Punkt hat die Bildungsverwaltung noch kein bisschen hinzugelernt, obwohl sie doch zehn Jahre Zeit hatte zu begreifen, dass schlechte Schulleiter nicht besser werden, wenn man sie einfach in Ruhe lässt.

Aber Rütli steht noch für eine weitere Erkenntnis: Der alte Reflex, der darin bestand, für den Misserfolg einer Schule die Schüler verantwortlich zu machen – ihre Herkunft, ihr Benehmen, ihre Leistungsschwäche – geht ins Leere. Denn was sich auf dem Rütli-Campus in diesen zehn Jahren geändert hat, ist viel weniger die Schülerzusammensetzung als die Art und Weise, mit ihnen umzugehen. Und dazu brauchte man genügend Sozialarbeiter und Lehrer – und eben die richtige Schulleitung, die den Ton vorgab.

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