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Ein Mönch und Soldaten begleiten den um Leben gekommenen Taucher auf seinem letzten Weg.
© AFP/Thai News Pix/Panumas Sanguanwong

Rettungsdrama in Thailand: Die Luft in der Höhle wird dünner

Der Tod eines Tauchers verdeutlicht auf tragische Weise die Gefahren, denen die eingeschlossenen Jungen in Thailand ausgesetzt sind

Das Drama um die seit zwei Wochen in einer Höhle in Nordthailand eingeschlossenen zwölf Fußballjungen und ihren Trainer verschärft sich immer weiter: Am Freitag kam bei einem Versorgungstauchgang ein ehemaliger Thai Navy Seal ums Leben. Der Tod des erfahrenen Tauchers verdeutlicht auch die Gefahren, denen die eingeschlossenen Kinder und auch Rettungskräfte ausgesetzt sind.

Beim Transport von Druckluftflaschen hatte der ehemalige Soldat sein Bewusstsein verloren. Er hatte zu wenig Atemluft bei sich gehabt, warum blieb am Freitag unklar. Der Taucher verstarb noch beim Tauchgang. Trotz des tragischen Unfalls zeigten sich ausländische Taucher vor Ort optimistisch, die zwölf Jugendlichen und ihren Coach erfolgreich bergen zu können. „Aus der Höhle herauszutauchen wird eine Option sein“, sagte der Däne Ivan Karadzic.

Der Mangel an Sauerstoff in der Höhle stellt die Helfer vor neue Herausforderungen. Rettungsteams müssen Sauerstoff in die unterirdische Kammer pumpen, wo die Gruppe seit dem 23. Juni festsitzt. Das Kommen und Gehen der Rettungskräfte, die Versorgungsmaterial in die Kammer bringen und sich um die entkräfteten Jungen kümmern, hat den Sauerstoffgehalt in dem Höhlengang gesenkt. Die Luft wird im wahrsten Sinne des Wortes knapp. Der Sauerstoffgehalt liegt derzeit rund 25 Prozent unter dem Normalwert. Am Freitag wurde ein fünf Kilometer langer Schlauch gelegt, um frische Luft in die Kammer zu pumpen.

Während Einsatzkräfte weiterhin nach Öffnungen an der Höhlendecke und im Dschungelgebiet über der Höhle suchen, durch die sie die Gruppe evakuieren können, ist der schwindende Sauerstoff ein untrügliches Zeichen dafür, dass es keinen Schacht zu geben scheint, der von der Kammer direkt nach draußen führt. Es wird immer deutlicher, dass das Finden der Kinder nach neun Tagen Suche nur der einfachere Teil der Höhlenrettung war. Sie sicher nach draußen zu bringen ist die wahre Herausforderung. Die Evakuierung durch die überfluteten Höhlengänge ist noch immer zu gefährlich, und die Gefahr droht sich noch zu erhöhen, wenn ab dem Wochenende der vorhergesagte Monsunregen tatsächlich einsetzt. Er könnte die Bemühungen der vergangenen Tage zunichte machen, als insgesamt fast 150 Millionen Liter Wasser aus der Höhle gepumpt wurden – 180000 Liter pro Stunde.

Die Pumpen laufen Tag und Nacht auf Hochtouren

Die mit Hilfe japanischer Ingenieure eingerichteten Pumpen laufen Tag und Nacht auf Hochtouren. Zudem wurden Zuflüsse gestopft in der Hoffnung, dass der Wasserpegel in der Höhle derart sinkt, dass Rettungskräfte mit den Jungen herausschwimmen können – und nicht mit ihnen durch dunkle und enge Passagen in trübem Wasser tauchen müssen.

Einsatzleiter Narongsak Osoththanakorn hatte gesagt, dass die Jungen auch herausgebracht werden können, bevor sie hundertprozentig fit sind. Am Freitag bestätigte er aber, dass es noch immer zu gefährlich sei, sie unter Begleitung von Tauchern herauszuführen. Die Kinder können nicht schwimmen. Außerdem werden zwei von ihnen als sehr geschwächt eingestuft.

Der Weg von der Kammer bis nach draußen zum ersehnten Tageslicht, wofür trainierte Personen rund sechs Stunden brauchen, beginnt mit einer Tauchstrecke von mehr als einem halben Kilometer. Jedes Kind soll dabei von drei Tauchern begleitet werden. Dann folgt ein 400-Meter Klettergang, gefolgt von der gefährlichsten Stelle: einer extrem engen, rund 15 Meter langen Passage namens „Sam Yak“, deren engste Stelle von Tauchern auf rund 70 Zentimeter ausgemeißelt werden musste, damit erwachsene Personen mit Ausrüstung hindurchpassen.

Die Jugendlichen hatten nach einem Training am 23. Juni die viertgrößte Höhle Thailands besucht, waren dann aber wohl von einer Sturzflut überrascht worden und hatten sich vor den Wassermassen immer tiefer ins Innere gerettet. Britische Taucher entdeckten sie am Montagabend und sorgten damit weltweit zunächst für Erleichterung.

Wenn es aber wie vorhergesagt ab dem Wochenende eine Woche regnet, kann sich die Lebensgefahr für die Eingeschlossenen innerhalb von ein paar Stunden dramatisch erhöhen, so dass in großer Eile evakuiert werden müsste. „Wir können nicht riskieren, dass die Höhle überflutet wird“, sagte Narongsak. Sein Team kalkuliert derzeit, wie viele Tage sie noch Wasser abpumpen müssen, bis der Wasserstand bei „Sam Yak“ auf das erwünschte Niveau fällt – und wie viele Stunden für eine Not-Evakuierung verbleiben, wenn sie den Wasserstand nicht halten können.

Dabei mangelt es nicht an Ratschlägen von außen, wie die Evakuierung zu beschleunigen wäre. Der weltweit bekannte US-Entwickler und Unternehmer Elon Musk machte auf Twitter den Vorschlag, einen Nylonschlauch von einem Meter Durchmesser durch die Tauchpassagen mit Luft aufzublasen. Das solle einen Lufttunnel unter Wasser gegen das Höhlendach schaffen und sich automatisch an Formen wie das 70-Zentimeter-Loch bei „Sam Yak“ anpassen. Der Unternehmer schickte zudem einige Tunnel-Spezialisten nach Thailand.

Zynisch mutet in der derzeitigen Situation an, dass die Tourismusbehörde bereits über die Vermarktung der Tham-Luang-Höhle nachdenkt. Wenn das Drama vorbei ist, sollen auch Touristen die Höhle besuchen können, wo die vermissten Kids vom Fußballklub „Wildschwein“ um ihr Leben bangten. In Thailands sozialen Medien ist zudem eine hitzige Debatte entbrannt, ob die Jugendlichen und ihr Trainer „Helden oder Flaschen“ seien. Sie kannten die Höhle von früheren Besuchen und mussten um die Überschwemmungsgefahr während der Regenzeit gewusst haben. Zudem wird davor auch vor dem Höhleneingang gewarnt. Der thailändische Premier Prayuth Chan-ocha sagte diplomatisch: „Ich sage nicht, dass die 13 Helden sind.“ Ihre Rettung aber habe oberste Priorität. (mit dpa)

Daniel Kestenholz

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