zum Hauptinhalt
Bange Stunden in Mogadischu. Auf diesem Foto wird die Leiche des ermordeten Flugkapitäns Jürgen Schumann aus der "Landshut" gebracht.
© picture-alliance / dpa

Mogadischu-Flugzeug: Die „Landshut“ soll heimkehren

In der "Landshut" befreite die GSG 9 im Herbst 1977 die von palästinensischen Terroristen entführten deutsche Geiseln. Die bekannteste Boeing Deutschlands soll nun vor der Verschrottung gerettet werden.

Sieben bange Minuten – so lange dauerte der Einsatz der GSG 9, um die Geiseln der Passagiermaschine „Landshut“ zu befreien. Für die Spezialeinheit der Bundespolizei, die damals noch Bundesgrenzschutz hieß, war es einer der ersten und gleichzeitig schwersten Einsätze. Palästinensische Terroristen entführten das Flugzeug im Oktober 1977, um mehrere Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) freizupressen. Der Aktion gingen bereits etliche dramatische Stunden und Tage voraus. Sie gehören zu den bewegendsten Momenten der jüngeren deutschen Geschichte. Auch jetzt noch, 40 Jahre nach dem „Deutschen Herbst“, stehe die Landshut „symbolhaft für die Erinnerung an eine wichtige und schwierige Zeit der damaligen Bundesrepublik“, sagt Außenminister Sigmar Gabriel. Deshalb soll die Maschine nun erneut befreit werden, und zwar von jenem Flugzeug-Friedhof in Fortaleza, auf dem sie seit neun Jahren unter der Sonne Brasiliens vor sich hin rottet.

Nach 47 Jahren im Dienst und nachdem sie zuletzt nur noch als Frachtflugzeug genutzt wurde, gleicht sie heute in Teilen eher einem Wrack. Die Boeing 737 wird nie wieder fliegen können. Trotzdem soll das, was von dem ehemaligen Flugzeug der Lufthansa noch übrig ist, zurück nach Deutschland gebracht werden. Aus den Überbleibseln soll dann ein begehbares Museum und ein Ort der Erinnerung entstehen, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Ideen für die Umsetzung gebe es bereits genügend: „Wir bemühen uns darum, dabei Hilfe zu leisten, manche private Initiative, manche kreative Idee zu sammeln, um daraus etwas zu machen, das sich tatsächlich in die Tat umsetzen lässt“, sagte vor Kurzem ein Sprecher des Auswärtigen Amtes.

Schrottreife Geschichte. Die Lufthansa-Maschine „Landshut“ steht zurzeit auf dem Flugzeug-Friedhof in Fortaleza, Brasilien.
Schrottreife Geschichte. Die Lufthansa-Maschine „Landshut“ steht zurzeit auf dem Flugzeug-Friedhof in Fortaleza, Brasilien.
© dpa

Doch wird die ganze Maschine zurückgeholt oder nur Teile davon? Martin Rupps, Zeithistoriker und Autor des Buchs „Die Überlebenden von Mogadischu“, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt, plädiert in der Wochenzeitung „Freitag“ für die Rekonstruierung des gesamten Flugzeugs. Doch wo soll sie dann stehen? Naheliegend wäre wohl das Haus der Geschichte in Bonn, schließlich befindet es sich gegenüber des ehemaligen Bundeskanzleramts, in dem Helmut Schmidt damals regierte. Dort genehmigt der SPD-Politiker den Einsatz der GSG 9 zur Erstürmung der „Landshut“. Doch das Interesse des Museums hält sich in Grenzen. Man sei nie an einer Ausstellung des ganzen Flugzeugs interessiert gewesen, sagt Pressereferent Peter Hoffmann dem Tagesspiegel. Über Teile, wie zum Beispiel eine Tür, hätte man sich gefreut. Zum Auswärtige Amt gebe es jedoch keinen Kontakt. „Wir sind raus“, sagt Hoffmann.

Das Phänomenta-Museum in Flensburg hat sich um das Flugzeug beworben

Rupps schlägt in einem Interview mit der „Allgemeinen Zeitung“ als idealen Ausstellungsort das Phänomenta-Museum in Flensburg vor, das seiner Meinung nach viel Erfahrung mit engagierten projektbezogenen Ausstellungen mitbringt. Auf Anfrage des Tagesspiegels heißt es dort, es gebe nicht nur Interesse, sondern bereits erste Verbindungen zum Auswärtigen Amt. „Die Stadt wird sich bewerben“, sagt Thomas Liebelt, einer der Vorstandsmitglieder der Phänomenta. Er sei allerdings nur am ganzen Flugzeug interessiert, Teile halte er für unangemessen – dafür sei das Ereignis zu wichtig. Als die „Landshut“ 1977 entführt wurde, war Liebelt 28 Jahre alt. Er hat zu dem Thema eine besondere Beziehung. „Die Entführung hat mich damals sehr beschäftigt. Ich war besorgt, wie es Deutschland schaffen wird, sich zu wehren, und unglaublich erleichtert, als die Geiseln befreit werden konnten. Außerdem symbolisiert es für mich den Anfang des Endes der RAF.“ Auf die Idee, das Flugzeug nach Flensburg zu holen, ist Liebelt durch seinen Sohn gekommen.

Dieser habe ihm erzählt, dass die Maschine verschrottet werden soll. Das kam für den ersten Vorsitzenden des Luftsportvereins Flensburg nicht infrage. Und die Stadt habe auch einen Bezug zu der Entführung: „Hier lebt der ehemalige Kopilot Jürgen Vietor, und die Lufthansa hatte hier ihre erste Pilotenflugschule.“ Laut Liebelt soll es deshalb eine Museumshalle geben, in der das Flugzeug auch von innen besichtigt werden kann. Einen festen Plan gebe es allerdings noch nicht, auch sei er nicht der einzige Interessent.

Am 13. Oktober dieses Jahres wird die Entführung der „Landshut“ genau 40 Jahre her sein. Die Maschine mit mehr als 90 Menschen an Bord sollte von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main fliegen. Im französischen Luftraum brachten die Entführer die Maschine jedoch mit Handgranaten und Pistolen in ihre Gewalt. Was folgte, waren 106 Stunden des Grauens für Passagiere und Besatzungsmitglieder. Das Terrorkommando wollte mit der Aktion elf in Deutschland inhaftierte RAF-Mitglieder freipressen. Die Bundesregierung ging nicht auf die Forderung ein. Am 16. Oktober wurde vor den Augen der Geiseln der Pilot Jürgen Schumann erschossen. Kopilot Jürgen Vietor flog die Maschine anschließend alleine nach Mogadischu in Somalia.

Dort gelang der GSG 9 unter dem Kommando von Ulrich Wegener schließlich die Befreiung. Nach dem Satz „Kopf runter, wo sind die Schweine?“ vom GSG-9-Mann Dieter Fox wurden drei der Entführer getötet, eine Entführerin schwer verletzt. Die Geiseln blieben bei dem Einsatz unverletzt. Weder Rupps und Liebelt noch das Auswärtige Amt sind der Meinung, dass es nach so langer Zeit zu spät sei, das Flugzeug zurück nach Deutschland zu holen. Auch der frühere GSG-9-Kommandeur Ulrich Wegener begrüßt die Bemühungen. „Ich würde mich freuen, wenn man so die Erinnerung an unseren Einsatz pflegen könnte“, sagte Wegener dem „Focus“. Auch Außenminister Sigmar Gabriel, so heißt es jedenfalls, sei mit „Herzblut“ dabei.

Vivian Kübler

Zur Startseite