zum Hauptinhalt
Von dieser Suzuki GS 750 aus wurde 1977 Siegfried Buback erschossen.
© Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart

Der Terror der RAF: Größenwahn und Paranoia ihrer Ideologie

Es geht um die Taten, weniger um die Täter: Anhand von Fahndungsplakaten, Tatortfotos und Pistolen untersucht das Deutsche Historische Museum die Geschichte der RAF.

Das Motorrad, eine Suzuki GS 750, macht einen robusten und sportlichen Eindruck. Auf dem rot lackierten Tank funkeln glitzernde Streifen, die Tachoanzeige endet knapp hinter 220 km/h. Für die Absichten der RAF war die Vierzylindermaschine das ideale Vehikel. Am 7. April wurden der Generalstaatsanwalt Siegfried Buback, sein Fahrer Wolfgang Göbel und ihr Begleiter Georg Wurster an einer roten Ampel in Karlsruhe vom Rücksitz der Suzuki aus erschossen. Mit dem Anschlag begann die Rote Armee Fraktion ihre „Offensive 77“, die im „Deutschen Herbst“ mit der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer und der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ gipfelte.

Es war ein Triumph von Tod und Terror, der Höhepunkt von politisch motivierter Gewalt in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Motorrad, das nach fünf Jahren vom Bundeskriminalamt an einen Privatmann verkauft worden war, steht jetzt in der Ausstellung „RAF – Terroristische Gewalt“ im Deutschen Historischen Museum. Als 2012 ein Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker wegen Beihilfe am Buback-Mord begann, meldete sich der Käufer bei der Polizei. Die Suzuki wurde sichergestellt, doch Versuche, an ihr noch DNA-Spuren zu finden, waren aussichtslos.

Bis heute konnte nicht geklärt werden, wer auf dem Soziussitz saß und 15 Schüsse auf Buback und seine Begleiter abgab. Erst vor wenigen Wochen hat die Bundesanwaltschaft neue Untersuchungsverfahren gegen sieben Alt-RAFler wegen des 37 Jahre zurückliegenden Falls eingeleitet. Aber überführt werden kann der Schütze wohl erst dann, wenn einer der Ex-Terroristen das Schweigegelübde der RAF-Kader bricht, das an die Omertà der Mafia erinnert.

Die Ausstellung behandelt nicht den "Mythos" RAF

RAF-Ausstellungen sind heikel. Das mussten die Berliner Kunst-Werke erfahren, als sie vor zehn Jahren eine Schau mit dem Arbeitstitel „Mythos RAF“ planten. Die Empörung war groß, unter anderem deshalb, weil auch die „Ideale“ der Terrorgruppe behandelt werden sollten. Am Ende änderten die Kuratoren den Titel in „Zur Vorstellung des Terrors“ und zeigten eher läppische Bilder und Installationen. Die neue Berliner RAF-Ausstellung, übernommen vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart, bietet weniger Angriffsflächen. Sie ist streng historisch aufgebaut und weit davon entfernt, die RAF zu verklären. Es geht um die Taten, weniger um die Täter.

Besonders beeindruckend in dem von der Designerin Ruth Schroers gestalteten, verschachtelten Ausstellungsparcours ist ein Raum, in dem Dutzende Tafeln von der Decke baumeln. Auf ihnen sind die Orte und Daten der Anschläge und die Namen der Opfer verzeichnet. Die gezackten Tafeln wirken wie überdimensionale Projektile. 34 Tote haben die Aktionen der RAF gefordert. Viele von ihnen sind vergessen, etwa die Hausfrau Edith Kletzhändler, die 1979 in Zürich getötet wurde, weil sie RAF-Mitgliedern bei ihrer Flucht im Weg stand.

Die Ausstellung, die in Stuttgart 70 000 Besucher fand, wurde von den Kuratoren Sabrina Müller und Rainer Schimpf um einen lokalen Prolog erweitert. Der Weg in die Eskalation begann in West-Berlin. Da fordert ein Flugblatt der Kommune 1 nach einem Kaufhausbrand in Brüssel mit dreihundert Toten dazu auf, auch andernorts Feuer zu entfachen: „burn, ware-house, burn!“ Der Tonfall ist satirisch, doch bald darauf deponierten Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein tatsächlich Brandsätze in Frankfurter Kaufhäusern.

Kontaktbögen eines „B.Z.“-Fotografen mit Aufnahmen des sterbenden Benno Ohnesorg, der am 2. Juni an der Deutschen Oper vom Polizeibeamten Karl-Heinz Kurras erschossen wurde, hängen neben Fotos der Anti-Schah-Proteste vom selben Tag. Einer der Demonstranten ist Jan-Carl Raspe, der ein paar Jahre später ein RAF-Führungskader sein sollte. „Hände weg von Mahler!“, steht auf einem Flugblatt, eine Solidaritätsbekundung für den Rechtsanwalt Horst Mahler, der wegen seiner Teilnahme an den Angriffen auf den Springer-Verlag nach dem Attentat auf Rudi Dutschke angeklagt war. Später wird Mahler zu den Gründern der RAF gehören, noch später wechselt er die Fronten und agitiert für die NPD.

Größenwahn und Paranoia verbanden sich in der Ideologie der RAF

Als Gründungsakt der RAF gilt die Befreiung von Andreas Baader während eines Haftausgangs in Berlin-Dahlem durch Ulrike Meinhof und eine Handvoll Gesinnungsgenossen am 14. Mai 1970. In der Ausstellung sind Polizeifotos vom Tatort und die Pistole zu sehen, mit der ein Institutsangestellter lebensgefährlich verletzt wurde. Für Meinhof, die bis dahin eine angesehene linke Journalistin war, begann mit der Aktion das Leben in der Illegalität. In verquasten Erklärungen versuchte sie, die Gewalt der anfangs „Baader-Meinhof- Bande“ genannten Gruppe zu rechtfertigen: „Stadtguerilla ist bewaffneter Kampf, insofern es die Polizei ist, die rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch macht.“

Größenwahn und Paranoia verbanden sich in der Ideologie der RAF. Anfangs wollte man mit Anschlägen gegen den Vietnamkrieg protestieren, später ging es darum, die gefangenen Gruppenmitglieder zu befreien. Unter den 220 Exponaten, die die Ausstellung versammelt, sind banale und berührende Stücke. Ein Pizzaofen, den Jan-Carl Raspe im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim aus Keksdosen und Heizfäden baute. Fahndungsplakate mit den durchgestrichenen Gesichtern gefasster Mitglieder. Polaroidfotos des entführten Hanns Martin Schleyer, der ein Schild „Gefangener der RAF“ hält.

Die RAF hat 1998 ihre Auflösung verkündet. „Die RAF war der revolutionäre Versuch einer Minderheit (...), zur Umwälzung der kapitalistischen Verhältnisse beizutragen. Wir sind froh, Teil dieses Versuchs gewesen zu sein“, lautet das verbohrte Fazit. Doch die Geschichte der RAF ist noch nicht vorbei. Die Morde, die die sogenannte dritte Generation der Gruppe ab 1985 beging, sind bis heute nicht aufgeklärt.

Deutsches Historisches Museum, bis 8. März, tgl. 10–18 Uhr. Begleitbuch 19,90 €.

Zur Startseite