zum Hauptinhalt
Der verheerende Zusammenstoß geschah am 9. Februar.
© dpa

Zugunglück von Bad Aibling: Die Fehler des Fahrdienstleiters

Der Fahrdienstleiter hat das Zugunglück von Bad Aibling wohl durch gleich zwei Fehler verursacht. Einen abschließenden Ermittlungsbericht gibt es aber noch nicht.

Otto Steffl, zweiter Bürgermeister von Bad Aibling, empfindet auch sieben Wochen nach der Zugkatastrophe Trauer. Zwei Regionalzüge waren am 9. Februar, es war der Rosenmontag, gegen 6.45 Uhr bei der oberbayerischen Stadt mit voller Fahrt ineinander gekracht. Elf Menschen starben, 85 wurden verletzt – es war eines der schwersten Zugunglücke in Deutschland seit Jahren. Auch mit dem zuständigen 39 Jahre alten Fahrdienstleiter, der für das Unglück mutmaßlich verantwortlich ist, hat Steffl Mitleid und sagt: „Der Mann ist gestraft für sein Leben.“ Als Ursache für die Katastrophe gilt menschliches Versagen. Ermittlungsergebnisse lassen das Unglück nun als noch viel tragischer erscheinen, als bisher schon angenommen.

Noch sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Traunstein nicht abgeschlossen, es gibt bisher keinen Bericht. Doch die Behörde bestätigt zumindest indirekt einen Zeitungsartikel. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte der „Bild“-Zeitung gesagt, es habe sich um eine „ganz besonders tragische Verkettung von gleich zwei Fehlleistungen“ gehandelt. Demnach hat der Fahrdienstleiter nicht nur die automatische Zugsteuerung außer Kraft gesetzt und mit einem Sondersignal den beiden entgegenkommenden Zügen auf der eingleisigen Strecke die Fahrt erlaubt. Der Mann soll das gleich darauf bemerkt und einen Notruf an die beiden Lokführer geschickt haben.

Dabei soll ihm aber ein zweiter Fehler unterlaufen sein: Er hat den falschen Knopf gedrückt. Der Notruf kam nicht bei den Lokführern an, für die er bestimmt war, sondern bei den umliegenden anderen Bahn-Stellwerken. Vielleicht war er in diesen Sekunden völlig durcheinander und in Panik wegen des Unglücks, das er nahen sah. Später sei dann ein weiterer Notruf richtig versendet worden, der aber offenbar zu spät kam. Inzwischen will sich Herrmann nicht mehr äußern und verweist auf die Staatsanwaltschaft. Beamte haben ihn im Bayerischen Rundfunk indirekt kritisiert, weil Ermittlungsergebnisse eigentlich erst öffentlich gemacht werden sollten, wenn der Schlussbericht vorliegt.

Die Staatsanwaltschaft teilte lediglich mit, dass sie die Deutsche Bahn über eine „Fehlerquelle bei der Abwicklung des Funkverkehrs“ informiert habe. Eine „Fehlbedienung“ sei jetzt Teil der Ermittlungen. Es müsse auch geklärt werden, ob die Züge noch hätten zum Stehen gebracht werden können, wenn der Notruf richtig erfolgt wäre. Bei den Ermittlungen wird auch die Frage zu klären sein, inwieweit es im Zugalltag insgesamt und speziell auf dieser Strecke üblich war oder ist, dass die automatische Steuerung durch das Personal außer Kraft gesetzt wird. Dies könnte erfolgen, um etwa Verspätungen zu vermeiden oder wieder einzuholen. In Bad Aibling erhielt der von Rosenheim kommende Zug fälschlicherweise ein Sondersignal, das eine Durchfahrt auch bei rotem Licht erlaubt. Der andere Zug hatte grün.

Abgeschirmt von der Öffentlichkeit

Bürgermeister Steffl will sich zum Hergang des Unglücks nicht äußern. „Das müssen die Behörden und dann die Gerichte klären“, sagt der CSU-Mann. Für seine Stadt konstatiert er: „Aibling erholt sich langsam von dem Schock.“ Die Menschen seien ergriffen von der „sehr großen Hilfsbereitschaft“. Die Bevölkerung in ganz Deutschland habe die Rettungsorganisationen und die Hinterbliebenen unterstützt. Ein Eishockey-Benefizspiel hat etwa einen Erlös von 25000 Euro gebracht. Für die zahlreichen Hilfskräfte gab es einen Empfang der bayerischen Staatsregierung in der Münchner Residenz.

Nach den bisherigen Ermittlungen zum Unglück wird ein technischer Fehler bei den Zügen oder der Signalgebung ausgeschlossen. Schon eine Woche nach dem Unglück hatten Polizei und Staatsanwaltschaft nach einer Aussage des Fahrdienstleiters mitgeteilt, dass sie von menschlichem Versagen ausgehen. Nichts deutet darauf hin, dass der Fahrdienstleiter den Zusammenstoß absichtlich herbeigeführt haben könnte. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt, dafür sind im Gesetz bis zu fünf Jahre Haft vorgesehen.

Der Mann befindet sich nicht in Haft, die Polizei kennt aber seinen Aufenthaltsort und er steht ihr jederzeit zur Verfügung. Von der Öffentlichkeit wird er weiter abgeschirmt. „Es ist richtig, dass sich der Mann zurückgezogen hat“, sagte der Leiter der Sektion Psychotraumatologie am Münchner Klinikum Rechts der Isar, Martin Sack. „Er braucht jetzt Menschen an seiner Seite.“ Dass der Mann, der fast 20 Jahre Berufserfahrung hatte, seine Arbeit wieder aufnehmen kann, glaubt Sack nicht. Die Angst, dass etwas Ähnliches wieder passieren könnte, sei in solchen Fällen zu groß. (mit dpa)

Zur Startseite