Alexander Gerst: Deutscher Astronaut ist sicher auf der Erde gelandet
Ein halbes Jahr lang war der deutsche Astronaut Alexander Gerst im All - an Bord der Raumstation ISS. Nun hat ihn die Erde wieder: Der Geophysiker landete mit zwei Kollegen in Zentralasien.
Die Fahrtkostenabrechnung würde sich lohnen: Gut 100 Millionen Kilometer hat Alexander Gerst auf seiner Dienstreise zurückgelegt. Seit Ende Mai war der deutsche Astronaut im All und kreiste an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) um die Erde. Zweieinhalbtausend Umrundungen hat er gewissermaßen im Vorbeiflug absolviert. Nun ist er auf die Erde zurückgekehrt.
Die Sojus-Kapsel mit Gerst und dem Russen Maxim Surajew sowie dem US-Amerikaner Reid Wiseman setzte am Montag gegen 4.58 Uhr MEZ (9.58 Uhr Ortszeit) in der früheren Sowjetrepublik Kasachstan in Zentralasien auf. Bei bewölktem Himmel und frostigen Temperaturen landete das rund drei Tonnen schwere Raumschiff von Fallschirmen gebremst in der Steppe.
Alexander Gerst: "Danke an alle für die Unterstützung"
Das russische Staatsfernsehen zeigte, wie Helfer die Rückkehrer aus der engen Sojus trugen. Gerst schützte seinen kahlgeschorenen Kopf mit einer weißen Schirmmütze und reckte lächelnd die rechte Faust nach oben. Bei seiner ersten Reise in den Kosmos habe er sich gut gefühlt, sagte Gerst in Russisch. „Danke an alle für die Unterstützung“, sagte der 38-jährige Geophysiker. Surajew lobte die „tolle Zusammenarbeit“ zwischen Russland, den USA und Deutschland. „Jeder sollte vom Beispiel der ISS-Raumfahrer lernen“, sagte er.
„Die Crew fühlt sich normal“, sagte ein Mitglied der Rettungskräfte. Ärzte untersuchten die Männer. Die Landung gilt auch deswegen als extrem anstrengend für die Raumfahrer, weil ihre Körper nach monatelangem Aufenthalt in der Schwerelosigkeit geschwächt sind. Nach der Ankunft etwa 82 Kilometer nördlich der Stadt Arkalyk mussten die Heimkehrer die erste Zeit auf Klappsesseln verbringen. „Ihr Orientierungssinn ist noch gestört“, sagte ein Arzt. In Decken gehüllt, winkte das Trio in die Kameras. Dann trugen Helfer die Männer in ein Zelt. Gerst sollte noch am Montag nach Köln fliegen.
Für die Wissenschaft ist die Langzeitmission des promovierten Geophysikers, nach allem, was bisher bekannt wurde, ein Erfolg gewesen. Mehr als 100 Experimente aus Materialforschung, Medizin und Biologie hat er gemacht oder zumindest betreut, teilt die europäische Raumfahrtagentur Esa mit. Welche Erkenntnisse die Versuche in der Schwerelosigkeit gebracht haben, ist vielfach noch offen, die Auswertung der Daten dauert an.
Vom Weltall sah Gerst die Explosionen in Gaza
Doch Gerst war keinesfalls nur als Wissenschaftler unterwegs. Er reiste auch als Botschafter für die bemannte Raumfahrt. Und diesen Job hat er so gut gemacht wie nur wenige andere. Zum einen, weil er authentisch ist, über eine angenehme Mischung aus Wissen, Neugierde und Zurückhaltung verfügt. Man nimmt ihm die Begeisterung für Polarlichter oder Mondaufgänge ebenso ab wie die Betroffenheit über den Konflikt in Nahost. "Mein traurigstes Foto: von der ISS aus sehen wir die Explosionen und Raketen über Gaza und Israel", schrieb er unter ein Bild, das er aus 400 Kilometern Höhe aufgenommen und im Internet veröffentlicht hat.
Zu pass kamen Gerst aber auch die neuen technischen Möglichkeiten. Mussten sich Astronauten noch vor wenigen Jahren mit verrauschten TV-Schalten aus dem Orbit begnügen, ist es nun dank Internetverbindung bis zur ISS vergleichsweise einfach, Kontakt mit der Erde zu halten. Über Facebook und Twitter hat der 38-Jährige nahezu täglich von seinem Aufenthalt berichtet. Von seiner Forschungsarbeit aber auch mit Fotos, die er aus der Aussichtskuppel der Station aufgenommen hat: von Wirbelstürmen und Wüsten sowie aus dem Alltag in der Station, der beispielsweise aus allsamstäglichem Putzen besteht. Und mit Sprüchen wie diesem: "Für mich riecht der Weltraum nach einer Mischung aus Walnuss und den Bremsbelägen meines Motorrads."
Rückkehr zur Erde wird ein "Höllenritt"
Die oft etwas technokratisch wirkende Raumfahrt bekam ein Gesicht – und viele Menschen den Eindruck, dass die zehn Euro, die jeder Europäer durchschnittlich pro Jahr für die bemannte Raumfahrt ausgibt, zumindest keine völlig unnütze Investition sind.
Nun steht Gerst die Rückkehr in den irdischen Alltag bevor, in vielfacher Hinsicht. In einer Videokonferenz hat Gerst vor Kurzem bereits erläutert, worauf er sich freut: Etwa Pizza zu essen oder durch einen echten Wald joggen. Wenn jedoch das Angebot käme, erneut ins All zu fliegen, würde er sofort zustimmen. Das hat der in Künzelsau (Baden-Württemberg) Aufgewachsene immer wieder klar gemacht: "Ich bin Astronaut und möchte fliegen."
So schnell wird das allerdings nichts werden. In den nächsten Monaten stehen Schmid zufolge Auswertungen des Fluges und der Experimente an. Und dann womöglich bereits das Training für den nächsten Einsatz im Weltall?
"Bis 2017 sind die Flugmöglichkeiten für europäische Astronauten vergeben", sagt Schmid. "Aber vielleicht klappt es ja danach." Als größter Beitragszahler in das ISS-Programm der Esa sei Deutschland eher unterrepräsentiert wenn es um die Vergabe von Flugtickets gehe, findet er.
Aber es gibt noch eine weitere Option: Europa wird ein wichtiges Bauteil für das neue Nasa-Raumschiff "Orion" liefern, das im nächsten Jahrzehnt in die Tiefen des Alls vordringen soll. Gut möglich, dass die Amerikaner ein zweites Modul ordern – im Gegenzug dafür würde vielleicht eine Platzkarte für einen Europäer herausspringen, etwa für einen Flug rund um den Mond und zurück. Zumindest die deutschen Raumfahrtmanager erwähnen bei diesem Gedankenspiel gern Gersts Namen. Der hört das gern. Auch wenn dabei "nur" rund eine Million Kilometer zusammenkämen (und es dafür natürlich ebenfalls keine Reisekostenabrechnung geben würde), "Astro_Alex", wie er sich auf Twitter nennt, wäre bereit. #Liftoff