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Retter in der Not: Der Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur stach mit seinem gleichnamigen Schiff am 7. August 1979 zu seiner ersten Fahrt in See.
© dpa

Zum Tod von Rupert Neudeck: Der Überzeugungshelfer

Rupert Neudeck hat mit der "Cap Anamur" mehr als 11.000 Vietnamesen aus Seenot gerettet. Er war ein scharfer Kritiker der UN und der Entwicklungshilfe insgesamt. Ein Nachruf.

Im vergangenen Jahr hat er noch über eine Neuauflage der Cap Anamur nachgedacht. Der Tod hunderter Flüchtlinge im Mittelmeer ließ Rupert Neudeck keine Ruhe. „Ich bin dabei, mich umzuhören“, sagte er im April 2015 im Tagesspiegel-Interview auf die Frage, ob die Zeit reif sei für ein neues Rettungsschiff. Politische Kontakte wollte er knüpfen, Geld sammeln. Doch dann wurde es still um ihn. Im Alter von 77 Jahren ist Rupert Neudeck am Dienstag nach einer Herzoperation gestorben.

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker sagte: „Rupert Neudeck hat Deutschland zu einem besseren Land gemacht. Dieses Deutschland, das hilft und willkommen heißt, gilt es nach seinem Tod zu bewahren.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte ihn mit den Worten: „Rupert Neudeck hat sich nie mit Missständen abgefunden; stets sah er es als seine Aufgabe an, einen praktischen Beitrag dazu zu leisten, Not zu lindern.“

Neudeck hat sich mit seinem ersten Hilfsprojekt bleibenden Ruhm erworben. 1979 mietete er mit Unterstützung von Freunden wie dem Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll „Ein Schiff für Vietnam“. Der Name: Cap Anamur. Das wurde 1982 dann ergänzt um „Deutsche Notärzte“, der Name der Hilfsorganisation, die bis heute hilft.

Neudeck war Journalist beim Deutschlandfunk. Zunächst studierte er katholische Theologie und gehörte sogar zeitweise dem Jesuitenorden an. Doch dann wechselte er die Konfession und studierte noch einmal: evangelische Theologie. Gemeinsam mit seiner Frau Christel wollte er der Flüchtlingstragödie im Chinesischen Meer nicht mehr untätig zuschauen. Nach dem Sieg der Kommunisten in Vietnam flüchteten Zehntausende auf wackligen Booten. Viele ertranken. Die Cap Anamur rettete bis zum Ende ihres Einsatzes mehr als 11 000 vietnamesischen Boat People das Leben. Sie fallen in Deutschland, wo sie Zuflucht fanden, längst nicht mehr auf. In Neudecks Heimatstadt Troisdorf steht heute an einer Straßenecke ein Originalboot, aus dem er damals Menschen rettete.

Im Jahr 2002 gab Neudeck die Leitung von Cap Anamur ab

Ende 2002 gab Neudeck die Leitung von Cap Anamur ab. Doch er mischte sich auch danach ein. Seine Positionen waren dabei meist unbequem, jedenfalls nie Mainstream. So besuchte Neudeck Palästinensergebiete im Nahen Osten, um gegen israelische Sperranlagen zu protestieren, und warnte ausdrücklich vor der „Freundschaftsfalle Israel“. Das brachte ihm viel Kritik ein. Doch der engagierte Protestant ließ sich davon nicht einschüchtern. Besonders hart ging Neudeck mit den Vereinten Nationen ins Gericht, denen er vorwarf, in Krisenländern mehr Schaden anzurichten als Hilfe zu leisten. Für Neudeck waren die UN ein bürokratisches Monster, das viel zu viel Geld für die eigene Verwaltung verschlang und noch dazu schlecht koordiniert war. 2003 gründete der Rheinländer eine neue Hilfsorganisation. Der Name „Grünhelme“ war nicht zufällig an die Blauhelme der UN angelehnt. Neudeck wollte zeigen, wie man es besser macht. Klein und unbürokratisch sollten die Grünhelme arbeiten. Für die Helfer bedeutete das allerdings, dass sie mitunter ohne große Vorbereitung und Absicherung in gefährliche Krisengebiete geschickt wurden.

2008 gehörte Neudeck zu den Initiatoren der „Bonner Erklärung für eine andere Entwicklungspolitik“, die faktisch die Abschaffung der Entwicklungshilfe forderte. In Afrika, so Neudeck damals, habe der Westen komplett versagt. Abermillionen seien so verschwendet worden, ohne dass ein Entwicklungsprozess in Gang gekommen sei. Profitiert hätten allein korrupte Regime. Und wieder kritisierte er auch die Bürokratie großer Organisationen. Er sei „skandalös“, dass tausende Menschen in Deutschland von der Entwicklungshilfe lebten, sagte Neudeck und forderte auch gleich die Auflösung des Entwicklungsministeriums.

Um radikale Vorschläge war Neudeck nie verlegen. Das schätzten nicht zuletzt die Medien, die ihn bis zuletzt zu aktuellen Krisen interviewten. Dem Tagesspiegel sagte er vor gut einem Jahr: „Ich setze darauf, dass es jetzt einen Knall gibt wie nach dem Atomunfall von Fukushima und man eine Entscheidung trifft, mit der man der Flüchtlingskrise langfristig begegnen kann. Die meisten Flüchtlinge, die aus afrikanischen Ländern kommen, suchen kein Asyl, sondern Ausbildung und Arbeit. Wenn wir in bestimmten Staaten, etwa in Marokko oder Tunesien, Ausbildungszentren aufbauen, in denen sie Berufe lernen können, werden sie in ihre Heimatländer zurückgehen.“ Kleine Lösungen waren seine Sache nicht.

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