Jean-Paul Belmondo: Der Mann mit der richtigen Visage
Jean-Paul Belmondo, der im französischen Kino alles spielte, wird heute 80. Jahre alt. Als klassischer Held im Film kam Belmondi mit seinem Gesicht nicht in Frage.
Wer den coolsten Tod der Kinogeschichte gestorben ist, der ist eigentlich unsterblich. In „Außer Atem“, Godards Film-Noir-Huldigung aus dem Jahr 1960, taumelt Jean-Paul Belmondo dem Untergang entgegen. Er spielt einen Polizistenmörder, der von der Freundin verraten wird. Mit einer Kugel im Rücken wankt er davon, verfolgt von der Kamera. Im Gegenschnitt: Jean Seberg, die amerikanische Freundin, die ihn denunziert hat, aber jetzt immer noch buchstäblich hinter ihm herläuft. Belmondo bricht auf einer Kreuzung zusammen. Passanten bleiben stehen. Die Autos auf dem Pariser Boulevard fahren ungerührt weiter. Seberg heult. Belmondo nimmt noch einmal einen tiefen Zug aus der Zigarette, macht einen Kussmund, zeigt sein berühmtes Haifischgrinsen und spricht seine letzten Worte: „Du bist wirklich zum Kotzen.“ Dann der Abspann: „FIN“.
Dieses Ende war für Belmondo ein Anfang. Der Sohn eines Bildhauers und einer Tänzerin, geboren am 9. April 1933 im Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine, hatte zu diesem Zeitpunkt zwar schon auf Theaterbühnen gestanden und ein paar Filme gedreht. Aber der Regisseur René Clair, damals ein Gott des französischen Kinos, attestierte ihm, dass er „ein problematisches Äußeres“ habe. Als klassischer Held kam Belmondo mit seiner Visage nicht infrage. „Außer Atem“, der auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären für die beste Regie dekoriert wurde, machte ihn trotzdem zum Star.
Godard hatte mit seinem ersten Langfilm die alten Regeln gebrochen, improvisiert und auf den Straßen statt im Studio gedreht. Er stieg zum Anführer der Kinorebellen auf. Und Belmondo, der verknautschte Vorstadtjunge, wurde zum Gesicht der Nouvelle Vague. Zwischen Godard und seinem Hauptdarsteller, erzählte Belmondo später, habe eine Art Magie geherrscht. „Ich konnte mich wirklich entfalten. Es erinnerte mich an meine frühen Schauspielmethoden, als ich meine improvisierten Stücke Kindern vorspielte.“
Belmondo hat für Godard noch den Überlebenskünstler „Pierrot le Fou“ verkörpert und mit Louis Malle, Francois Truffaut und Claude Lelouch, Größen der Nouvelle Vague, gearbeitet. Aber irgendwann in den siebziger Jahren stellte sich dann heraus, dass sich der neue französische Film gar nicht so fundamental von dem alten unterschied. Da fand Belmondo seine eigentliche Bestimmung als ausgebuffter Verbrecher oder knallharter Ermittler in Thrillern wie „Der Coup“, „Angst über der Stadt“ oder „Der Greifer“. Sie setzten die Tradition der Gangster- und Polizeifilme mit Jean Gabin fort, erhöhten aber die Dosis der Schusswechsel und Verfolgungsjagden.
In derlei Filmen, die nicht unbedingt cineastische Meisterwerke sind, spielt der drahtige Darsteller seine ganze Athletik aus. Er steckt viel ein und verliert nie die Eleganz. Das martialische Hauen, Zerstören und Umlegen kann dabei schnell zum Slapstick umkippen. Denn Belmondo ist auch ein großer Komödiant. Am Filmset wurde gerühmt, dass er „mit den Händen in den Taschen“ auf einen Bus springen könne. Zu seinen größten kommerziellen Erfolgen gehört der Actionfilm „Der Profi“ von 1980. Belmondo trägt eng sitzende weiße Jeans und eine Lederjacke, meist steckt eine übergroße Pistole in seiner rechten Hand. Seine Verfolger schaltet er am liebsten mit Handkantenschlägen und Karatetritten aus. Und deren Hintermänner wissen: „Den schafft keiner von uns.“
Nachdem Jean-Paul Belmondo 2001 einen Schlaganfall überlebte, hat er bislang nur einen Film gedreht. In „Ein Mann und sein Hund“ streift er noch einmal durch sein Paris, als Obdachloser, den die Freundin aus der Wohnung geworfen hat. Seinem treuen Begleiter, einem Mischlingshund, liest er aus „Moby Dick“ vor. Doch Belmondo soll vor die Kamera zurückkehren. Claude Lelouch hat eine erneute Zusammenarbeit angekündigt, eine nostalgische Gangsterkomödie mit dem Arbeitstitel „Les Bandits manchots“. Johnny Hallyday, der bald 70-jährige Altrocker, spielt auch mit. Belmondo, den die Franzosen „Bébel“ nennen, wird heute 80. Er ist längst ein Teil des Weltkulturerbes.
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